Kapitel 100

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Seine Worte trafen mich wie ein Dolch mitten ins Herz. Wir können so nicht weiter machen. Diese sechs Worte, die innerhalb von Millisekunden tausende Male durch meinen Kopf geisterten. Wir können so nicht weiter machen.

"Willst du mich verarschen? Du weißt schon, dass du mich damit gerade auch verletzt oder?" Ich war fassungslos, konnte nicht glauben, dass er diese Argumentation nutzte, um das Ganze zu beenden. "Ich weiß", nickte er zögerlich. "Aber es ist das letzte Mal."

Nachdem mein Herz zuvor einen ordentlichen Knacks abbekommen hatte, brach es nun völlig. Tausende von Einzelteilen lagen auf dem Grund verteilt und ließen sich nicht mehr zu einem Ganzen zusammensetzen. Seine Worte trieben mir eine Gänsehaut auf die Unterarme. In meinem Hals bildete sich ein fetter Kloß und meine Brust schnürte sich so schnell zu, dass ich einen kurzen Moment wirklich damit kämpfen musste, Luft zu bekommen. Kontextlose Worte und Erinnerungen strömten vor meinem inneren Auge vorbei als würde ich gleich sterben.

Völlig reglos saß ich noch eine Weile auf meinem Stuhl, musste erstmal begreifen, was er da gerade zu mir gesagt hatte. Es konnte doch nicht sein, dass er das beendete. Es konnte nicht sein, dass er einen Schlussstrich, zog, nachdem er derjenige gewesen war, der mich verletzt hatte. Ich verzieh ihm, konnte er das denn nicht sehen? Reichte ihm das denn nicht?

"Wow", war alles, was aus meinem Mund kam. Auch wenn ich eigentlich nicht die Kraft dazu hatte, sah ich ihm in die Augen. Ich wollte wissen, ob er meinte, was er sagte. Wollte wissen, ob es ihm wirklich ernst war. Sein Blick war eiskalt und völlig leer. Ich sah nichts mehr von dem Menschen, in denen ich mich so Hals über Kopf verliebt hatte. Vor mir saß ein Mensch, der meine Naivität und meine Unerfahrenheit von Grund auf ausgenutzt und für seine Zwecke missbraucht hatte. Er war nicht anders als alle anderen. Er hatte das Spiel gewonnen.

"Gut, dann kann ich ja jetzt gehen", sagte ich noch mit einem fragenden Unterton. Ich trug noch einen letzten Funken Hoffnung in mir, der sich danach sehnte, dass Benny mich aufhielt, der wollte, dass er aufstand und mich festhielt und mir versicherte, dass er einen großen Fehler getan hatte. Doch das einzige, was Benny sagte war: "Ich werde dich nicht daran hindern."

Pure Enttäuschung breitete sich in meinem ganzen Körper aus, die mich fast unfähig machte, mich zu bewegen. Noch grauenvoller als die Vorstellung von ihm wegzugehen war jedoch die Vorstellung, hier zu bleiben. In diesem Moment ekelte er mich geradezu an.

Langsam rückte ich meinen Stuhl zurück an den Tisch, schindete möglichst viel Zeit, ohne ihn auch nur noch eines einzigen Blickes zu würdigen. Zu tief saß der Schmerz, als dass ich ihn hätte angucken können. "Ich hoffe, dass du in der Uni angenommen wirst", sagte ich und meinte meine Worte wirklich ernst. Die Tatsache, dass ich ihn bis hierher begleitet hatte und trotzdem nicht mitbekommen würde, ob er es schaffte, machte mich unendlich traurig. "Ich wünsche dir viel Erfolg." "Danke, das wünsche ich dir auch fürs Abi und für den Führerschein. Du schaffst das", erwiderte er und stand auf. Seine Worte kamen in meinen Ohren an, nicht jedoch in meinem Kopf. Ich konnte nicht ernst nehmen, dass er mir das Beste wünschte und trotzdem dazu beitrug, dass die nächste Zeit das Schlimmste werden würde.

Die minimale Bewegung seiner Arme als würde er mich gerne umarmen wollen reichte, um mich in Panik zu versetzen. "Nein, lass das", sagte ich nur hektisch und konnte ihm noch immer nicht ins Gesicht sehen. Es war seine Art, einfach immer und überall höflich und der perfekte Gentleman zu sein, doch diese Show war für mich gestorben.

Ich überlegte noch kurz, ob ich einen Fünfer auf den Tisch legen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Ein Milchshake gegen ein gebrochenes Herz war kein fairer Tausch, er war mir das mehr als schuldig. Ich zögerte eine Sekunde in der allerletzten Hoffnung er würde mich noch aufhalten, doch dem war nicht der Fall. Ich ging an ihm vorbei und er verpasste seine letzte Chance. Während ich die Straße überquerte, konzentrierte sich alles in mir darauf, nicht zusammenzubrechen.

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