Kapitel 61

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Ich hasste die Tatsache, dass er mich offensichtlich vom Haus aus beobachtet und mir sofort die Tür aufgemacht hatte. Zum Einen hatte ich keine Ahnung, wie ich mich in den letzten zwei Minuten verhalten hatte. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich verzweifelt gegen den Wind gekämpft hatte. Und zum Anderen konnte ich so nicht noch einmal tief durchatmen und so meinen Puls wieder etwas herunterfahren. Stattdessen musste ich wohl oder übel die Treppe hochlaufen in dem Wissen, dass hinter jeder Ecke Benny lauerte und das machte mich unglaublich nervös. Ich lief bis ganz nach oben, weil ich nirgendswo eine offene Tür gesehen hatte, doch auch die hier war verschlossen. Auf dem Klingelschild stand auch ein anderer Name als der von Benny. Ganz leichte Panik keimte in mir auf, dass ich in dem falschen Haus gelandet war, doch dann hörte ich ein zaghaftes "Becca?" von unter mir.

Erleichtert ging ich wieder zwei Treppen nach unten und da stand er zum Glück. In einer kurzen Jogginghose und einem einfachen Tshirt lehnte er im Türrahmen und grinste mich überrascht an. "Ich hab nicht gesehen, dass die Tür offen war", rechtfertigte ich mich sofort voller Lachen über die Situation. "Oh ja, tut mir Leid, ich mache die Tür nie sofort auf, sonst will er hier abhauen." Er deutete auf seinen Kater, der ihm um die Füße strich. Ich hasste Tiere zwar nicht, aber ein großer Freund von ihnen war ich auch nicht. Sie mochten mich irgendwie nicht besonders, weshalb ich auch nicht großartig versuchte, seinen Kater zu streicheln.

"Willst du mich nicht reinlassen?", fragte ich etwas verwirrt lachend. "Willst du mich nicht erstmal richtig begrüßen?", erwiderte er. Ich kannte diesen Blick, den er mir zuwarf. Es war der gleiche Blick, den er auch schon im Café hatte als er wollte, dass ich mich bei ihm entschuldigte. Grinsend gab ich ihm einen sanften Kuss, woraufhin Benny mich auch endlich reinließ.

Neugierig folgte ich ihm in sein Zimmer, welches nicht besonders groß war. Das wiederum könnte auch gut daran liegen, dass ein großes Boxspringbett gut die Hälfte des Raumes einnahm. Ansonsten wurde der Platz durch einen Schreibtisch, einen Schrank und eine Couch eingenommen. Kein Wunder also, dass sein Zimmer erst einmal recht klein wirkte. Ich liebte es in Zimmern herumzustöbern, in denen ich noch nie war. Ein Zimmer verriet so viel über den Charakter einer Person und so fand ich zum Beispiel relativ schnell heraus, dass Benny zwar versucht hatte aufzuräumen, eigentlich aber eher ein unordentlicher Typ war. Er war regelrecht ein Parfümfanatiker und liebte Klamotten. Das jedoch hatte ich vorher schon gewusst. Keine Ahnung, ob ich erwartet hatte, dass er mir in Jeans und Hemd oder ähnlichem die Tür öffnete, aber die Jogginghose wirkte ein bisschen fremd an ihm. Benny war jemand, der es verabscheute, wenn Menschen draußen Jogginghosen anhatten. Er predigte nicht nur einmal, dass man, wenn man Erfolg haben wollte, sich auch so kleiden sollte. Dazu gehörten laut ihm eine Jeans, je nach Anlass ein Hemd und vor allem gemachte Haare und ein gepflegtes Äußeres.

Ein bisschen fühlte ich mich wie ein Freak, wie ich hier jeden Winkel in Erfahrung brachte, doch ich wollte unbedingt wissen, wer Benny ganz privat war. Seine Sachen waren an sich nicht wirklich besonders, doch die ganzen persönlichen Geschichten dahinter machten mich extrem neugierig. Irgendwann hatte ich mir nahezu alle Dinge, die in seinem Zimmer herum standen angeschaut. Ich ließ mich auf den Boden fallen und schaute mir die Schubladen seines Nachttisches an. Ein wenig kam ich mir wie eine Verrückte vor, doch Benny ließ mich komplett machen und schien offensichtlich kein Problem damit zu haben, dass ich seinen persönlichen Kram durchging. Es überraschte mich ein bisschen, dass ich nicht ein einziges Kondom in seinem Nachttisch fand. Ich konnte mich nur für ein bisschen Krimskrams wie CDs, Parfümproben und Ladekabel interessieren.

Ich bemerkte, dass Benny einfach hilflos neben mir stand, anstatt sich auf sein Bett oder seinen Schreibtischstuhl zu setzen. Es war ein bisschen so, als schaute er von oben auf mich herab und beobachtete, was ich da so tat. "Bist du jetzt fertig?", fragte er nach ein paar Minuten. "Nein, ich hab mir noch nicht alles angeschaut." Ich öffnete die zweite Schublade und griff nach zwei seltsam aussehenden Sportgeräten. "Wie benutzt man die?", fragte ich neugierig, da ich absolut keinen Plan hatte, was ich damit anfangen sollte. "Wenn ich es dir zeige, machst du die Schublade dann wieder zu?", fragte er und sah mich ernst an. "Wieso hast du irgendwelche Geheimnisse versteckt? Kondome?", fragte ich lachend und wühlte extra in der Schublade herum, um die versteckten Gegenstände zu finden. "Nein, keine Kondome", sagte er seufzend. Seine Hände griffen auf einmal unter meine Achseln und hoben mich in einer Millisekunde auf die Beine, sodass ich plötzlich vor ihm stand. Benny griff nach den Geräten in meinen Händen und warf sie einfach rücksichtslos auf den Boden. "Verdammt Becca, ich will dich doch einfach nur küssen", sagte er im gleichen Zug, in dem er mich schubste, sodass ich auf sein Bett fiel. Eine Sekunde, die sich wahnsinnig lang anfühlte, stand er so über mir und betrachtete mich von oben bis unten, ehe er ebenfalls auf Bett kletterte und sich seine Lippen gegen meine drängten.

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