Kapitel 94

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Langsam stand Benny von seinem Stuhl auf, ging um das Bett herum und legte sich vorsichtig neben mich. Wenige Minuten lagen wir nur nebeneinander, während er mich von der Seite anschaute und ich immer noch mit meinen Nägeln spielte.

"Es tut mir Leid", flüsterte er nach einer Weile, doch ich konnte nichts darauf erwidern. Diese mickrigen vier Worte lösten keinerlei Reaktion in meinem Körper aus, zu verletzt war ich von den Worten davor. Einzig und allein die Tränen, die sich in meinen Augenwinkeln sammelten, bewiesen, dass ich ihn überhaupt gehört hatte. Ich konnte mich nicht regen, konnte nichts sagen. Ich hatte keine Ahnung, was ich fühlen sollte, denn in dem Moment spürte ich nichts weiter als pure Enttäuschung.

In mir brannte eine Sicherung durch als er versuchte mich anzufassen. Mein gesamter Körper fing an zu beben und zu zittern, sobald ich die leichte Berührung seiner Finger auf meinem Rücken spürte. Auf einmal sprühte all die Energie zurück in meinen Körper, die ich zuvor verloren hatte. Hektisch sprang ich auf, schlüpfte aus seiner Jogginghose zurück in meinen Jeansrock. Die paar Sekunden, in denen ich halb nackt den Rücken zukehrte, fühlte ich mich noch verletzlicher und schutzloser als ich es eh schon längst war.

Wir hatten bei einer unserer ersten Dates über unsere Vergangenheit erzählt. Ich hatte mit ihm darüber geredet, dass ich Angst hatte verletzt zu werden, dass ich Angst hatte, mich wieder völlig auf jemanden einzulassen. Er hatte mir versprochen, nie so wie all die anderen Typen zu sein. Er hatte mir versprochen, mich nicht genauso auszunutzen. Er hatte mir versprochen, dass er mich niemals nur für seine Zwecke benutzen würde. Doch in Wahrheit war er noch viel schlimmer als alle anderen.

"Was machst du?", fragte er besorgt und griff nach meinem Arm bevor ich den letzten Knopf meines Rocks schließen konnte. "Fass mich nicht an!", schrie ich lauter als beabsichtigt, woraufhin er sofort erschrocken vor mir zurückwich.

Ich band mir die Haare zu einem Dutt, zog meine Brille wieder auf und schlüpfte in meine Schuhe, während Benny versuchte auf mich einzureden. Kein Wort, das er sagte, drang zu mir hindurch. Es war als hätte ich meine Schutzmauer, die ich extra für ihn heruntergelassen hatte, wieder aufgerichtet. Egal, was er sagte, er konnte mich nicht vom Bleiben überzeugen.

Schnell sprang er von der anderen Seite des Bettes und stellte sich vor mich in den Türrahmen. "Lass mich durch", bat ich ihn und schaute zwischen uns auf den Fußboden. "Becca", flehte er mich an. "Bitte geh nicht." Er hob seine Hand als würde er mich anfassen wollen, hielt aber zum Glück noch Abstand. Seine Worte wirkten kontextlos und ohne starken Inhalt. Ein einfaches bitte geh nicht würde mich mit Sicherheit nicht überreden.

"Ich kann gerade nicht hier sein, Benny." Mein Blick hob sich vom Boden in seine Augen. "Ich kann nicht!" Meine Stimme brach und für einen kurzen Moment sah ich die Verzweiflung in seinem Gesicht, ehe ich meinen Blick von ihm abwand, weil ich spürte, dass mir immer mehr Tränen in die Augen stiegen. Ich wollte nicht hier vor ihm weinen. Ich musste hier raus.

Resigniert ließ Benny die Schultern sinken und trat einen Schritt zur Seite, sodass ich durch konnte. So schnell es ging schlüpfte ich durch die Tür und zog sie hinter mir ins Schloss, ohne ihn noch einmal anzusehen oder ein einziges Wort zu sagen.

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