Kapitel 11

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"Freust du dich, wenn du ab morgen nicht mehr in die Schule gehen musst?", fragte ich ihn. Insgeheim konnte ich mir sehr gut vorstellen, dass ich nur so offen wegen des Alkohols war. Ich konnte nur hoffen, dass auch er etwas getrunken hatte und ich mich nicht völlig daneben benahm. Die Tatsache, dass seine Hände mittlerweile wieder auf meinen Oberschenkeln verweilten, beruhigte mich aber. Und machte mich gleichzeitig auch ein bisschen nervös.

"Naja", meinte er. "Eigentlich schon, aber irgendwie ist es auch extrem komisch." Während unseres ganzen Gesprächs hatte Benjamin mir in die Augen geschaut, doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dieser Blickkontakt jetzt noch viel stärker wurde. "Die ganzen Gewohnheiten, die man Tag für Tag gepflegt hat. Die ganzen Menschen, die man jetzt nicht mehr Tag für Tag sehen kann." Etwas in seiner Stimme veränderte sich. Obwohl sie sowieso schon tiefer als die meisten Anderen war, verwandelte sie sich jetzt in etwas rauchiges.

Ich nahm die kleinste Bewegung seiner Finger auf meinen Schenkeln war und bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper, obwohl mir überhaupt nicht kalt war. "Ja das stimmt", sagte ich leise. Meine Stimme zitterte und brach. Lauter Gedanken kreisten duch meinen Kopf. Dort herrschte ein einziges Chaos und ich konnte nichts davon irgendwie einordnen. Mit keiner einzigen Gehirnzelle dachte ich noch an die Party unten, alles drehte und wendete sich nur noch um Benjamin, der die winzige Lücke zwischen unseren Beinen mittlerweile auch geschlossen hatte. Die Berührung seines Oberschenkels an meinen Knien löste die seiner Hände auf meinen Schenkeln ab. Ein seltsam kaltes Gefühl machte sich dort breit, welches allerdings von einem deutlich warmen Gefühl in meinem Magenbereich verdrängt wurde.

Trotz der angeregten Unterhaltung in der letzten halben Stunde, sagte auf einmal niemand mehr ein einziges Wort. Ich konnte nicht, viel zu abgelenkt war ich von Benjamins Verhalten. Er schaute mich weiter an, während mein Blick über sein Gesicht huschte. Er war wirklich schön, viel schöner als ich von Weitem hatte erkennen können. Seine harten Kieferknochen stachen regelrecht hervor, was durch einen umso weicheren Blick wieder wett gemacht wurde. Seine Augen waren unheimlich dunkel und doch konnte ich einen gewissen Schimmer in ihnen erkennen.

Ich hatte mich so auf seine Blicke konzentriert, dass ich erst spät bemerkte, wie nah er mir gekommen war. Zwischen unseren Gesichtern lagen nun keine 20 cm mehr. Ein Gefühl von Panik brach in mir aus und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Die Situation überforderte mich nicht das erste Mal an diesem Tag.

Die Zeit schien auf eine magische Art und Weise still zu stehen und doch handelte es sich in Wahrheit vermutlich nur um ein paar wenige Sekunden.

Benjamin nahm seine Hände und legte sie sanft um mein Kinn. Ich war seinem Blick völlig ausgeliefert und spürte auf einmal nicht mehr nur mein eigenes Verlangen nach ihm. Unsere Köpfe waren nun vielleicht höchstens 10cm von einander entfernt. Endlich fasste ich mir ein Herz, nahm meinen Mut zusammen und schloss die winzige Lücke zwischen uns beiden.

Wie von alleine fanden sich unsere Münder und bildeten eins.

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