"Du siehst ziemlich müde aus", meinte ich, nachdem ich ihn zur Begrüßung umarmt hatte und ihm in das Bahnhofsgebäude folgte. Er roch schon wieder so unverschämt gut, das war einfach nur unfair. "Bin ich auch", gab er zu. "Es ist acht Uhr morgens, da gehe ich sonst gefühlt erst ins Bett." Sein Schlafrhythmus hatte sich ehrlich so krass verändert. Während ich abends meist so um halb zwölf einschlief, blieb er noch einige Stunden wach und schlief dann bis nachmittags. "Tja tut mir Leid, aber Phantasialand ist einfach cooler als schlafen", neckte ich ihn, woraufhin er mich mit einem "Stimmt." angrinste.
Nach etwa zehn Minuten kam unser Zug endlich. Ich hatte mich definitiv mal wieder zu dünn angezogen für die winterlichen Temperaturen an diesem Morgen. Ich konnte nur hoffen, dass die Sonne mich später wieder aufwärmen würde. "Schon verrückt irgendwie", sagte Benny irgendwann nachdenklich. "Alle meine Freunde haben heute ihre mündliche Prüfung und ich fahre mit dir ins Phantasialand." "Entschuldigung? Ich bin doch wohl viel toller, als so eine blöde Prüfung", sagte ich empört. "Klar, das meinte ich nicht." Er lächelte mich an.
Auch wenn die Zugfahrt länger war, als ich gedacht hatte, verging die Zeit mit ihm an meiner Seite ziemlich schnell. Schlau wie wir waren wählten wir die richtige Kasse und hatte nach wenigen Minuten unsere Tickets. Jetzt konnte der Spaß beginnen und es führte kein Weg mehr zurück.
Ich war ein verdammter Achterbahnfreak und deshalb mehr als froh, dass Benny keiner dieser Menschen war, die sich nicht auf Loopings usw. traute. Ich hätte den Tag nicht ausgehalten, wenn wir immer nur auf die seichten Achterbahnen gegangen wären. Wobei ich glaubte, dass er manchmal ein bisschen zu sehr den harten Jungen spielte und gar nicht so entspannt war, wie er tat.
Trotzdem wollte ich als allererstes auf das große Kettenkarussell. Irgendwie war das die letzten Jahre Tradition geworden, dass ich erst auf das Karussell ging, bevor ich mich an die Achterbahnen wagte. Ich mochte es irgendwie, sich den Adrenalinschub immer ein bisschen weiter aufzubauen. Klar, hatte es auch etwas, die guten Sachen zuerst zu machen, weil diese bekanntlich einfach am meisten Spaß brachten, jedoch würden harmlose, aber eigentlich doch wunderschöne Attraktionen wie das große Kettenkarussell nach den Krachern nur noch langweilig erscheinen.
"Gehen wir nach innen oder nach außen?", fragte er, woraufhin ich ihn nur skeptisch anschaute. Das war keine ernst gemeinte Frage, oder? "Natürlich nach außen! Was ist das denn für eine blöde Frage?" Er sah ein klein wenig enttäuscht, aber auch verwirrt aus. "Ich dachte wir tun so auf süßes Pärchen", lachte er verhalten und erst jetzt wusste ich, wieso er unbedingt nach innen wollte. Jeder zweite Sitz innen war ein Doppelter. Allerdings waren die nicht wie Benny vermutete für Pärchen gedacht, sondern für unter einen Meter große Kinder und deren Mütter oder Väter. An dem einen der Sitze waren besondere Gurte, die man aus dem Auto kannte, damit sichergestellt war, dass das Kind nicht während der Fahrt hinausgeschleudert wurde. Als ich ihm erklärte, wofür die Sitze eigentlich gedacht waren, ließ er sich ohne weiteres von mir überreden, nach außen zu gehen. Jedoch musste ich ihm den Gefallen tun, nach vorne zu gehen, sodass er mich beobachten konnte. Ich wehrte mich strikt, weil es mir irgendwie unangenehm war, dass er mich die ganze Fahrt über anschauen konnte, ich ihn aber nur sehr schlecht. Dennoch war das der Kompromiss fürs Außensitzen und deshalb ging ich den auch schließlich ein.
Ich bemerkte, dass Benny immer leiser wurde, je weiter wir in der Schlange vorwärts rückten. Als wir in unseren Sitzen saßen, sagte er kein Wort mehr. Lachend drehte ich mich zu ihm um. "Na? Hast du Schiss?" Er grinste mich an, als würde ich Blödsinn erzählen, aber ich kannte ihn schon jetzt gut genug, als dass er nur so tat, als würde es ihm rein gar nichts ausmachen. "Warum sagst du dann nichts mehr?", zog ich ihn herausfordernd auf. "Dein Anblick verschlägt mir die Sprache!" Ich machte laute Würgegeräusche und tat so als würde ich mich gerade übergeben. Keine Sekunde später wurden wir langsam in die Luft gezogen und die Fahrt ging los.
Das Karussell begann sich zu drehen, sodass Benny und ich durch die Luft geschleudert wurden. Von hier oben konnte man große Teile des Phantasialands überblicken, was ein ziemlich schöner Anblick war. Immer mal wieder drehte ich mich zu Benny herum und sah jedes Mal, dass er mich lächelnd anschaute. Er wirkte wahnsinnig glücklich und brachte mich dazu, mich abwechselnd nach links und nach rechts zu ihm umzudrehen, sodass ich nach einer Weile regelrecht schaukelte. "Man, du bist wie ein kleines Kind", schimpfte er mit mir. "Bleib doch mal sitzen, sonst fällst du noch runter." Er sagte das in so einem ernsthaften Tonfall, dass ich mich fragte, ob er sich wirklich Sorgen machte. Ich konnte nicht runterfallen, egal was ich machte, das müsste ihm eigentlich auch bewusst sein. "Du verschlägst mir einfach die Sprache, was soll ich da machen?"
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yearning for love
Teen FictionAls Rebecca die letzten zwei Tage vor den Osterferien zur Schule ging, hätte sie niemals gedacht, dass sich auf einmal alles verändern würde. Nicht in den schönsten Träumen hatte sie geglaubt, dass die Dinge derartig ihren Lauf nehmen würden. Doch g...