Kapitel 47

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"Oh scheiße, hab ich dich geweckt?", fragte ich besorgt, doch er verneinte rasch. Dann erklärte ich ihm, dass ich eventuell ein bisschen zu viel getrunken hatte und einfach mal wieder seine Stimme hören wollte, woraufhin er super süß lachte. Wir diskutierten darüber, was wir am liebsten auf Partys tranken, doch ich konnte seine Antwort einfach nicht fassen. "Nein Benny, ernsthaft: Was ist falsch mit dir?", fragte ich geschockt. "Niemand trinkt puren Wodka einfach so. Aus Spaß. Wirklich niemand. Was ist mir dir?" Ich konnte es nicht glauben, aber er lieferte mir so eine plausible Rechtfertigung, dass es nur stimmen konnte. Fassen konnte ich es trotzdem nicht. Puren Wodka? Einfach so als Longdrink? Allein bei dem Gedanken ekelte es mich. Seufzend nahm ich einen Schluck meiner Mische.

Nach einer guten Viertelstunde legte ich mit einer Entschuldigung wieder auf. Ich hatte es extrem genossen, wieder ein bisschen mit ihm zu quatschen, aber ich hasste es selber, wenn Leute auf eine Party eingeladen wurden und die Hälfte des Abends woanders abhingen. Außerdem war ich nicht hier, um mit Benjamin zu telefonieren, sondern um mit meinen Freunden Spaß zu haben. Also ging ich wieder rein, machte mir noch eine weitere Mische und gesellte mich zu anderen Menschen.

Nach einer Weile jedoch wurde mir so schlecht, dass ich mich lieber nach draußen schmuggelte. Ich hatte kaum Erfahrung mit Übelkeit und Alkohol, deswegen wollte ich lieber kein Risiko eingehen. Draußen erwartete mich Ruhe und frische Luft und sogleich spürte ich, dass die Übelkeit wieder nachließ, weshalb ich auch schon meinen nächsten Schluck nahm.

"Hey, geht's dir gut?" Neugierig sah ich einen Typen vor mir an, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. "Ja alles super, danke", sagte ich nur und wollte mich schon abwenden, als er einfach weitersprach. "Okay gut. Wie heißt du?" Ich hatte die Hoffnung, dass er nur nett sein wollte, weswegen ich ihm meinen Namen und im weiteren Verlauf auch mein Alter veriet und ihn ebenfalls danach fragte. Ich fand heraus, dass er Erik hieß und ebenfalls 16 war, doch als er mich auch noch nach meiner Nummer fragte, war der Spaß vorbei. Er schien nicht komplett abstoßend auf mich, dennoch wollte ich ungerne mit ihm reden und ihm schon gar nicht meine Nummer geben. "Nein, danke", sagte ich daraufhin nur und wandte mich von ihm ab. Etwas schwindelig versuchte ich mich zu ein paar anderen Menschen zu flüchten.

Auch wenn meine Sinne durch den Alkohol stark benebelt waren, spürte ich sehr gut wie sich sogleich ein fester Griff um mein Handgelenk legte. Erik zog mich ein Stück zu sich zurück, wobei ich fast über meine eigenen Füße stolperte. Mit weit aufgerissenen Augen schaute ich ihn erschrocken an. Meine Meinung von ihm hatte sich schlagartig geändert: er widerte mich an.

Sein Griff um meine Hand jedoch wurde mit keiner Sekunde, in der ich ihm in die Augen schaute, lockerer. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der ich hier für meinen Geschmack viel zu nah bei ihm stand und nicht wegkam. "Lass mich los", knurrte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich hatte nur noch Verachtung für diesen komischen Typen übrig. Was bildete er sich ein? Glaubte er, er würde eine Frau wirklich herumkriegen, wenn er handgreiflich wurde. "Ich will dich doch nur kennenlernen", sagte er sanft und versuchte möglichst lieb zu wirken, doch das zog bei mir nicht. Vor allem nicht, weil er mich immer noch in seinem Griff hielt.

"Alter, hast du sie nicht verstanden?", hörte ich eine sehr wütende Stimme hinter mir. "Du sollst sie loslassen!" Mit diesen Worten schubste er Erik, der sofort meinen Arm losließ und ein paar Meter zurücktaumelte. Ich kam mir vor wie in einem falschen Film, doch zum Glück hatte Erik es jetzt verstanden und ging mit schüttelndem Kopf in die andere Richtung. Neugierung drehte ich mich zu demjenigen um, der mich gerade von einem widerwärtigen Typen bewahrt hatte.

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