Kapitel 107

101 7 7
                                    

Als ich am nächsten Morgen wieder aufwachte, hatte ich eine Nachricht von Benny, in der er meinte, dass er auflegen musste, weil ich schon eingeschlafen war und er auch langsam müde wurde. Demnach hatte ich gerade einmal drei Stunden geschlafen und so fühlte ich mich jetzt auch. Stöhnend schrieb ich ihm eine Antwort, dass es mir Leid tat, dass ich einfach so weggepennt war. Da Benny bekanntlich länger schlafen konnte als ich, bekam ich erst gegen Mittag eine Antwort. Zum Einen fühlte es sich extrem komisch an, mit Benny zu schreiben. Ich hatte das seltsame Gefühl, dass ich immer noch betrunken von gestern Abend war und mir das Ganze einfach nur einbildete. Zum Anderen glaubte ich immer noch daran, dass ich hier gerade meine letzte Chance hatte, ihn wieder zu bekommen.

Wir verbrachten sage und schreibe drei Tage mit schreiben. Ich konnte meinen Augen jedes Mal aufs Neue nicht trauen, wenn mein Handy eine neue Benachrichtigung von ihm anzeigte. Es war nicht alles wie immer, aber auch nicht alles schlecht. Der Funke Hoffnung in meinem Herzen wurde immer größer und größer. Ich hätte alles dafür gegeben, dass Benny uns noch eine Chance gab. Es war schon fast beängstigend, wie sehr ich das wollte. Ich wusste selbst, dass es defintiv nicht gut war, immer noch so an ihm zu hängen, doch ich konnte nichts dagegen machen. Naiv wie ich nun mal immer noch war, glaubte ich an eine Versöhnung.

Bis der große Streit kam und ich wieder einmal auf die Fresse flog. Wütend keiften wir uns wegen irgendwelcher Nichtigkeiten an, bis das Gespräch langsam auslief, obwohl ich mit aller Kraft versuchte, neue Themen aufzubringen. An einem Tag hatte ich den Eindruck, seinen besten Freund Paul im Supermarkt getroffen zu haben, doch als ich Benny danach fragte, meinte er, dass er da nicht arbeiten würde. Es vergingen Tage, in denen wir nicht mehr miteinander schrieben, ohne dass es dafür irgendeinen Grund gab. Wie aus dem Nichts hatte er aufgehört, mir zu antworten. Nach einigen Tagen entschied ich mich dazu, ihn trotzdem zu meinem Geburtstag einzuladen, weil ich es ihm vorher versprochen hatte. Es vergingen jedoch wieder einige Tage, bis Benny sich dazu durchringen konnte, mir eine Antwort zu schreiben. Im Grunde genommen wusste ich deshalb schon, dass er auf keinen Fall kommen würde, doch diese Worte schwarz auf weiß zu lesen, brachte mich um.

"Danke für das Angebot, aber ich werde besser nicht kommen. Ich hoffe du kannst das verstehen." Irgendetwas hatten seine Worte an sich, das mich sofort verletzte. Vielleicht war es die Tatsache, dass meine Hoffnung, wir könnten es nochmal versuchen, bei diesen Worten endgültig starb. Schmerzhaft angegriffen, griff ich zu der erstbesten Flasche, die ich finden konnte, und ertrank meine Wut und meine Trauer in Alkohol. Ich wusste, dass das keine gute Idee war, doch gerade hatte ich eh keine andere Wahl und was machte es jetzt noch für einen Unterschied.

Ich war sauer und wütend auf ihn und diese Emotionen konnte ich nicht länger verbergen. Nachdem ich mir ein bisschen Mut angetrunken hatte, machte ich ihm eine Sprachnachricht. Zwei Minuten redete ich davon, wie enttäuscht ich von ihm war und fragte ihn, warum er so war, wie er war. Ich wusste ehrlich nicht, was ich daraufhin von ihm erwartete und er wusste das offensichtlich auch nicht so ganz. "Was willst du von mir?", schrieb er und ich spürte die Aggressivität, die zwischen den Zeilen lag. "Ich habe nur versucht, höflich zu sein." Seine Worte stachen in mein Herz, welches eh schon verletzt am Boden lag. Ich war nicht mehr für ihn, als jemand, bei dem man besser höflich war und nicht über Small Talk hinaus ging.

Es war ein kurzes, aber hartes Wortgefecht, das wir uns danach lieferten. Er wagte es tatsächlich noch, sich dafür zu entschuldigen, dass er mir weh tat, woraufhin ich nur lachen konnte. Er tat mir nicht weh. Er hatte mir das Herz aus der Brust gerissen und war darauf herumgetreten bis es völlig zerstört war. Ich hasste die Tatsache, dass mir übel wurde, sobald ich an unsere gemeinsame Zeit zurückdachte. Wie hatte ich nur so naiv sein können? Wie hatte ich ihm nur so blind vertrauen können? Und wie um alles in der Welt hatte ich es zulassen können, dass er mich nicht nur einmal, sondern gleich drei Mal hintereinander verletzte? Als ich an jenem Freitag von ihm zuhause weggerannt war, weil ich seine Nähe einfach nicht ertragen konnte, hatte er selbst gesagt, dass er es verstehen könne, wenn ich ihn nie wieder hätte sehen wollen. Ich konnte nicht darauf eingehen, weil ich mir so sehr gewünscht hatte, dass sich noch alles ändern würde. Ich hatte so sehr gehofft, dass Benny mich eines Tages genauso lieben würde, wie ich ihn liebte. Ich konnte das, was wir in meinen Augen hatten, nicht einfach so hergeben. Ich konnte nicht einfach so aufgeben. Nicht nachdem ich schon so lange um seine Gefühle gekämpft hatte.

Was ich in dem Moment jedoch nicht wusste, war, dass ich schon bald keine Wahl mehr haben würde. Benny war es, der uns beide schlussendlich aufgab. Und erst jetzt, vier Wochen nach der Trennung, konnte ich verstehen, dass es dabei bleiben würde. Ich konnte akzeptieren, dass es für Benny und mich niemals mehr ein Happy End geben würde.

Und trotzdem konnte ich nicht einfach vorrausschauen. Ich konnte nicht einfach meine Aufmerksamkeit der Zukunft widmen. Mein Leben war nicht mehr das, was es vor Benny war. Benny hatte mich verändert, so dass ich selbst nicht mehr die Person war, die ich vor ihm gewesen bin. Ob das etwas gutes oder schlechtes war, konnte ich nicht sagen. Das Einzige, was ich wusste, war, dass Benny mich kaputt gemacht hatte. Ob er das gewollt hatte oder nicht, spielte keine Rolle, es war die Tatsache. Ich konnte nicht einfach ohne ihn weiterleben. Mein Herz existierte in dem Moment nicht mehr und ich wusste nicht, ob ich mich jemals wieder auf eine Person so einlassen konnte, wie ich mich auf ihn eingelassen hatte.

Vielleicht würde ich irgendwann nicht mehr mit so viel Hass und Wut in meinem Bauch auf die Vergangenheit schauen. Vielleicht würde ich ihm irgendwann sogar für das, was er getan hatte, verzeihen können. Vielleicht würde ich irgendwann anfangen, zu heilen. Und vielleicht würde ich dann irgendwann jemanden finden, der mir das geben konnte, was ich brauchte. Jemanden, der mich brauchte. Vielleicht.

_____________________________

Hey, das ist das Ende der Geschichte. Ich würde mich riesig über Feedback freuen 🙉

yearning for loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt