Kapitel 55

92 9 0
                                    

Meine schlechten Gedanken verschwanden relativ schnell wieder als ich am nächsten Morgen aufwachte. Natürlich hatte ich Gesagtes noch nicht vergessen und kam damit auch nicht wirklich klar, dennoch verdrängte ich das alles und konzentrierte mich stattdessen auf den Unterricht. Im Grunde genommen konnte ich die Situation durch nichts verändern, schon gar nicht wenn ich die ganze Zeit sinnlos darüber nachdachte. Es war passiert und ob Benny es bereute oder nicht spielte überhaupt keine Rolle. Er war durch das eine Mal nicht zu einem anderen Menschen geworden, das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es war nicht so wie in den Filmen, dass man einem Menschen ansah, ob er sein erstes Mal schon hatte oder nicht. Was war schon dabei, dass er schonmal Sex hatte? Was würde es zwischen uns beiden für einen Unterschied machen?

Auch wenn ich wusste, dass die Antwort "gar keinen" lauten sollte, konnte ich mich nicht davon überzeugen. Es störte mich, auch wenn ich das nicht wollte und dagegen konnte ich im Moment nichts machen. Das war weder meine und erst Recht nicht seine Schuld.

Mit dem Gedanken ging ich in die Schule und versuchte, alle anderen Gedanken beiseite zu schieben, die würden mir jetzt eh nicht weiterhelfen. Am Ende des Tages hatte ich es sogar geschafft die Gedanken komplett zu vergessen. Natürlich wusste ich immer noch, was Sache war und dachte da im Grunde nicht anders drüber, doch diese Gedanken nahmen nicht mehr 24/7 meinen Kopf ein.

Aus diesem Grund verabredete ich mich auch jetzt schon wieder mit Benny zu einem nächsten Date. Ich versuchte ihn zu überreden, ins Schwimmbad zu gehen, doch dafür war er gar nicht zu haben, also gingen wir doch traditionell ins Kino und mussten uns nur noch auf einen Film einigen. Da ich auch noch nie mit einem Typen alleine im Kino gewesen war, freute ich mich auch auf dieses Date extrem. Vermutlich würde ich mich aber auf jedes Date mit Benny freuen.

Der Tag war wirklich wahnsinnig schön. Wir schauten uns einen Action Film an, von dem ich ehrlich gesagt nicht viel mitbekam, weil ich komplett abgelenkt von Benny an meiner Seite war. Wir teilten uns einen Eimer Popcorn und hielten den gesamten Film über Händchen. Ich genoss es extrem, einfach nur hier neben ihm zu sitzen und seine Finger mit meinen zu verschränken, weshalb es mir auch nichts ausmachte, dass ich viel zu viel Geld umsonst für einen Film ausgegeben hatte, von dem ich nichts mitbekam.

Als der Film vorbei war, machten wir uns lachend auf den Weg in die Innenstadt und schauten, wo es uns hintreiben würde. Nach einer Weile landeten wir bei dem Café, in dem wir uns das erste Mal getroffen hatten. Da wir uns weder auf Kaffee noch auf Tee einigen konnten, würden die Milchshakes vermutlich unser Ding werden. Grinsend nahm ich einen Schluck meines Vanillemilchshakes. Irgendwie hatte ich es geschafft den Kellner auf meine Seite zu ziehen, der mir zustimmte, dass Vanilleshakes super lecker und besser als Schokomilchshakes waren. Grinsend flirtete ich mit ihm und machte mich so mit seiner Hilfe ein bisschen über Benny lustig. Dieser schaute wenig belustigt zwischen uns beiden hin und her als wäre er doch ein bisschen eifersüchtig. Irgendwie fand ich das niedlich, weshalb ich ihm einen Kuss auf die Lippen drückte, sobald der Kellner mit einem lieb gemeinten Lächeln und einem "Viel Glück euch beiden" ging. Ich sah, dass sich Benny merklich entspannte, was meine Theorie bestätigte.

Nachdem wir unsere Milchshakes bezahlt hatten, gab ich Benny Geld, damit er für mich bezahlen konnte. Es war praktisch für uns beide, da ich einfach super insecure war und Benny sich nicht die Blöße geben lassen wollte, dass eine Frau bei einem Date für ihn bezahlte. Was ich überhaupt nicht verstand, weil wir eigentlich in einer modernern Welt lebten, in der auch die Frau Geld verdiente. Deshalb konnte sie ja wohl auch für die Getränke zahlen.

Ich diskutierte nicht weiter darüber, sondern nahm einfach seine Hand, während wir uns wieder die lange Treppe hinauf zu unserer Bank kämpften. "Stört dich das, was ich dir letztens erzählt habe?", fragte er aus heiterem Himmel. "Ich weiß nicht", gab ich zu und das entsprach der Wahrheit. "Es ist einfach ein bisschen seltsam, dass du so viel mehr Erfahrung hast als ich. Das macht mich irgendwie unsicher." Es erleichterte mich ein bisschen, ihm das endlich gesagt zu haben. Es war wie ein kleiner Stein, der von meinem Herzen abfiel.

"Becca, echt jetzt?", fragte er ein wenig bestürzt. "Mach dir deswegen bitte keine Gedanken. Nur weil ich einmal mit jemandem geschlafen habe, heißt das noch lange nicht, dass ich Erfahrung darin habe. Ich weiß doch selber nicht, wie man das richtig macht." Ich sah in seinen Augen hundertprozentige Aufrichtigkeit. Er meinte ernst, was er sagte und das beruhigte mich.

yearning for loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt