Kapitel 50

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"Hey", sagte ich in mein Handy als ich Benny eines Abends anrief. Wir hatten seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen und jetzt, wo ich so weit weg von ihm war, vermisste ich seine Stimme noch viel mehr als sonst. "Guten Abend, Mademoiselle", sagte er in einer nachgeahmten Stimme. Er konnte seine Stimme so gut verstellen, dass ich manchmal glaubte, mir würde jemand völlig fremdes gegenüber sitzen. Ich kicherte und war doch ganz froh, dass er danach mit seiner normalen Stimme weiterredete. Ich liebte seine unglaublich dunkle und raue Stimme aus irgendeinem Grund so sehr, dass ich mir wünschte, sie niemals missen zu müssen.

"Wie geht's dir?", fragte ich, woraufhin er nur ein bisschen grummelte. "Wie soll es mir schon gehen?", murrte er. "Ich sitze hier und es ist nicht einmal besonders schönes Wetter und du bist so weit weg von mir am Meer. Aber sonst geht es mir super." Ich musste lachen. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. "Ich vermisse dich auch, Benny", meinte ich liebevoll, woraufhin er grinste, das wusste ich.

Wir telefonierten eine ganze Stunde, bis ich mich damit entschuldigte, dass ich mit meiner Familie zu Abend essen musste. Ich liebte die Tatsache, dass wir uns ohne Grund einfach mal kurz anrufen konnten, um die Stimme des anderen zu hören. Normalerweise hasste ich telefonieren bis auf den Tod, weil ich jedes Mal nervös wurde, wenn jemand mit mir sprechen wollte. Selbst wenn Kayla mich anrief, ging ich zunächst einmal nicht ran, weil ich Angst hatte, was sie mir sagen wollte. In meinem Kopf rief man nur an, weil man irgendetwas wichtiges zu sagen hatte, das man nicht einfach schreiben konnte. Dennoch verließ ich mich meistens darauf, dass die Leute mir schon eine Nachricht hinterlassen würden, wenn es wichtig war.

Doch mit Benny war das irgendwie anders. Klar, war ich auch ein bisschen nervös, wenn ich seinen Namen auf meinem Display aufleuchten sah, doch sobald ich einmal seine Stimme gehört hatte, war es meistens das allerbeste Telefonat.

Ich liebte es hier an der Nordsee wahnsinnig und konnte mir keinen schöneren  Ort vorstellen, um ein bisschen die Seele baumeln zu lassen und vom Alltag herunterzukommen. Die frische Luft und das Rauschen des Meeres tat mir im Moment einfach extrem gut, auch wenn ich Bennys Anwesenheit wirklich vermisste. Im Grunde genommen war es wahnsinnig, dass ich mich schon nach zwei Dates nach ihm sehnte, doch irgendwie kam es mir so vor, als würde ich ihn schon viel länger kennen. Ich kannte deutlich mehr von ihm, als es zwei Dates normalerweise zulassen würden.

Lachend erzählte ich meiner Freundin Paula von meinem Liebesleben. "Nein, wir sind noch nicht zusammen", versuchte ich sie zu unterbrechen, nachdem sie schon euphorisch von Benny geschwärmt hatte. Wir kannten uns seit mittlerweile 14 Jahren und noch nie hatte einer von uns beiden einen festen Freund. Ich konnte ihr nicht übel nehmen, dass sie mich ausquetschte. Ich an ihrer Stelle wäre vermutlich auch aufgeregt gewesen und hätte dasselbe getan.

Dennoch musste ich sie enttäuschen. "Keine Ahnung, er meinte er mag mich, also hat er vermutlich schon irgendwo Gefühle", murmelte ich vor mich hin. "Natürlich. Alles andere wäre gelogen. Also sorry, aber niemand geht einen ganzen Tag mit dir auf ein Date, ruft dich dann an und sagt, dass er dich unbedingt wieder sehen will und es hasst, dass du so weit weg bist, wenn er dich nicht mag. Er will es sich vielleicht nur nicht eingestehen", meinte Paula mit Nachdruck. "Ja, kann schon sein. Fakt ist: Wir sind nicht zusammen."

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