Kapitel 97

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Der nächste Tag war ein Samstag. Die Welt schien auf den ersten Moment nicht mehr ganz so schlimm, dennoch hatte ich seit gestern kein einziges Wort mehr mit Benny geredet. Ich hatte ihm auf seine Sprachnachricht noch kurz geantwortet, wusste aber im Endeffekt nicht, was ich dazu noch hätte sagen sollen. Er wusste, dass er mich verletzt hatte. Er wusste, dass er das so schnell nicht würde ändern können.

Heute war der letzte Tag des Zirkus und das hieß immer Abschlussfeier, auf der natürlich alle Mitarbeiter eingeladen waren, die dort gearbeitet hatten. Aus irgendeinem Grund freute ich mich extrem darauf, die ganzen Menschen wieder zu sehen und mit ihnen zu feiern. Meine Mama war so lieb und hatte mir einen Dip vorbereitet, den ich mit ein bisschen Brot zum Grillen mitbringen konnte.

Mit Luisa traf ich mich bei dem nahegelegenen Netto, um dort ein bisschen Mische für unseren Alkohol zu besorgen. Schon als ich sie sah, heiterte sich meine Laune erstaunlich auf. Sie war einer dieser wenigen Menschen, die dich immer und überall zum Lachen bringen konnten. Irgendwie freute ich mich extrem auf diesen Abend, der reich an Ablenkung sein würde. Es konnte nur schön werden.

Auf dem Platz trafen wir all die anderen, mit denen wir uns erst einmal etwas zu essen besorgten. Ich starb fast vor Hunger und das war definitiv keine gute Grundlage, um sich mit Mische zu zu schütten. Die Stimmung wurde richtig gut, sobald es langsam dunkel wurde. Die meisten hatten mittlerweile gut gegessen und ein wenig Alkohol im Blut, sodass die Musik immer lauter und die Leute immer fröhlicher wurden. Ich wusste nicht, dass ich in dieser Woche den gesamten Zirkuscharme so sehr vermisst hatte. Die gesamte Truppe war in den drei Wochen so zusammengewachsen, dass wir uns jetzt richtig gut verstanden. Zwar machte ich mir auch keine Sorgen darüber, dass wir uns auch wieder schnell aus den Augen verlieren würden, da einfach alle so unterschiedliche Leben lebten, doch für einen Abend war diese Mischung einfach perfekt.

Im Laufe des Abends besuchten uns auch immer mehr Ehemalige, darunter auch mein Bruder. Nach einigen Bechern Punica Mische spürte ich den Alkoholpegel langsam aber sicher. Luca, einer der Ehemaligen, saß neben mir und schaute mich immer wieder bedenklich an wenn ich aufstand, um mir beim Kühlwagen eine neue Mische zu machen. Irgendwann jedoch merkte er, dass ich etwas mehr vertrug, als er zunächst angenommen hatte. Von da an trank ich zu jeder Mische auch einen Shot dazu. Wir verstanden uns wahnsinnig gut, was vermutlich hauptsächlich am Alkohol lag.

Ich merkte, dass ich mich immer weniger unter Kontrolle hatte. Zwar dachte ich auch das ein oder andere Mal an Benny, doch die meiste Zeit war ich glücklicher als ich erwartet hatte. Ob das zum Teil auch an Luca lag, wusste ich nicht. Dessen Intention wurde nach jedem Shot deutlicher. Immer wieder bedauerte er es zutiefst, dass er schon sieben Jahre älter war als ich. Trotzdem verbrachte er seine ganze Zeit neben mir und verschwand nicht einmal als ich aufstand. Jeder Shot führte aber auch dazu, dass ich mich immer mehr darauf einließ. Ich wusste, dass ich mein Geflirte nicht wirklich ernst meinte, aber mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich laut Benny die ganze Zeit single gewesen war, machte mir das Ganze einfach viel zu viel Spaß.

Erst als ich den Punkt überschritt, dass mir von dem Alkohol langsam schlecht wurde, wurde mir das Ganze plötzlich zu viel. Ich hing mich immer mehr an Luisa, um nicht mit Luca alleine sein zu müssen, der mich gefühlt überall hin verfolgte. Ich fand nichts an ihm abgesehen von ein bisschen Unterhaltung, was auch mein Bruder durchaus verfolgte. Als ich ihn einmal kurz anschaute, hatte er Luca fest im Blick und wendete ihn erst ab als er sah, dass ich ihn beobachtete.

Irgendwann flüchtete ich mich in eine Ecke des Platzes, wo ich einen Moment alleine sein konnte. Ich hatte den ganzen Tag nicht ein einziges Wort mit Benny ausgetauscht, doch gerade jetzt mit dem richtigen Alkoholpegel machte sich ein seltsames Gefühl in mir breit. Ohne großartig darüber nachzudenken, drückte ich auf den grünen Hörer neben seinem Namen und rief ihn einfach an. Das Tuten in meinem Ohr machte mich verrückt, sodass ich schon nach wenigen Sekunden wieder auflegte. Vermutlich war es eh eine extrem dumme Idee gewesen, mit ihm sprechen zu wollen. Benny rief den ganzen Abend nicht zurück.

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