Kapitel 96

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Als ich endlich zuhause angekommen war, legte ich mich erschöpft in mein Bett und starrte die Decke über mir an. Ich versuchte irgendwie klar zu bekommen, was passiert war, doch das war gar nicht so einfach. Benny hatte mir kaum, dass ich in den Bus eingestiegen war eine Sprachnachricht geschickt gefolgt von Nachrichten alle fünf Minuten. Ich hatte sie mir nur kurz in den Benachrichtigungen angesehen, das war's. Irgendwie konnte und wollte ich mich jetzt nicht damit auseinander setzen. Aufgrund der Tatsache, dass Benny mich immer wieder anrief, was ich zwangsläufig mitbekam, weil meine Musik dann pausierte, konnte ich mich nicht wirklich mit etwas anderem beschäftigen.

An der Bushaltestelle, wo ich umsteigen musste, hatte ich auf eine Kollegin aus dem Zirkus getroffen, mit der ich mich immer am besten verstanden hatte. Ich hatte gehofft, dass sie mich nicht sehen würde, weil ich absolut keine Lust hatte mit jemandem zu reden, egal mit wem. Dieser Wunsch ging natürlich nicht in Erfüllung, sodass sie sich einige Sekunden später fröhlich lachend mit einer anderen Kollegin zu mir gesellte. Ich versuchte den Schein zu wahren und zwang mich in eine Unterhaltung, doch die Tarnung flog auf, sobald ich mit Luisa alleine war. Ich hatte keine andere Wahl als ihr alles zu erzählen und so war sie tatsächlich die erste, der ich berichtete, dass ich komplett auf die Fresse gefallen war. Sie redete mir gut zu, heiterte mich tatsächlich ein bisschen auf und schwor "den Typen, der meine Freundin emotional so fickt, in die Luft zu jagen", sobald sie ihn sehen würde. Bei diesem Versprechen musste ich wirklich anfangen zu lachen, wofür ich ihr sehr dankbar war.

Dennoch lag ich jetzt wieder hier alleine in meinem Bett und wusste nicht wohin mit mir. Die Enttäuschung am Anfang war irgendwann einer Wut gewichen, die jetzt widerum durch eine emotionale Leere ersetzt wurde. Es war noch unglaublich früh am Abend, sodass sich sowohl meine Eltern als auch Kayla darüber wunderten, warum ich schon zuhause war. Während ich meinen Eltern irgendeine Ausrede auftischte, erzählte ich Kayla die ganze Geschichte und war zum ersten Mal sehr erleichtert, diese Sache einfach mal mit allen Details erzählen zu können. Auch Kayla beschimpfte ihn auf das Übelste und versprach für mich da zu sein, was mir gerade nicht wirklich viel nützte. Ich wollte alleine sein und erstmal selbst damit klar kommen.

Gute drei Stunden nachdem ich Benny verlassen hatte, fasste ich mir den Mut, seine Sprachnachricht anzuhören. "Becca bitte", hörte ich die mir so vertraute Stimme. "Bitte ruf mich einfach an, wenn du zu Hause angekommen bist." Seine Stimme zu hören weckte die Gefühle in mir, die ich gerade erst unter Kontrolle bekommen hatte. Haltlos rollten die Tränen über meine Wangen und das erste Mal an diesem Tag fing ich wirklich an zu weinen.

Ich hörte ihm an, dass er nicht nur traurig war, sondern auch wahnsinnig verzweifelt. Ich erkannte seine Stimme kaum wieder, weil er mit ihr so viele Emotionen auf einmal transportierte. Zwei volle Minuten entschuldigte er sich aufrichtig bei mir und erklärte, was für ein Arschloch er doch sei. Er erzählte, dass er sobald ich weg war, um den ganzen Block gelaufen war, nur um herauszufinden, dass ich längst weg war. Er beschrieb genau den Bus, in den ich letztlich eingestiegen war, weswegen ich mich fragte, was passiert wäre, wenn er nur eine Minute früher dort gewesen wäre. Seine Stimme klang atemlos, während er mir erklärte, was er doch für ein Idiot war. Auf seltsame Art und Weise gab es mir Genugtuung, dass er sich selber dafür beleidigte, wie er geworden war und was er mir angetan hatte.

"Ich weiß, dass ich dich verletzt habe, doch das wollte ich nicht. Das würde ich nie für dich wollen. Du verdienst das nicht. Du verdienst das einfach nicht." Immer wieder flehte er mich an, ihn anzurufen und ihm noch eine Chance zu geben, doch ich wusste ehrlich nicht, ob ich das konnte. Das Einzige, was seine Worte in mir bezweckten war, dass ich mich noch verwundeter fühlte und mich wieder an jedes Detail erinnern konnte. Ich hatte mir die Sprachnachricht mit der Intention angehört, mit ihm über Geschehenes zu reden, doch im Moment wusste ich nicht, ob ich das konnte. Ich war zu verletzt.

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