05: "Versprechen"

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Cecille und Jeanette spazieren durch ihre Nachbarschaft, des Wohngebiets und der Wind fegt den beiden jungen Mädchen kräftig durch die Haare. Cecille lächelt heute mehr als sonst. Jean bemerkt das Verhalten ihrer Freundin und greift nach ihrer Hand, während die beiden sich die Sonne ins Gesicht prallen lassen und an den grünen Gärten der Häuser vorbeigehen, welche sie schon ihr ganzes Leben kennen. Sie kommen nie so richtig raus aus Nighthowl Bay, manchmal fühlt es sich so an, als wenn die Stadt sie mit allen Mitteln versucht bei sich zu behalten.

"Du bist heute ne' richtige Grinsebacke. Was verschweigst du mir? Ein neues Mädchen?", kichert Jean albern und spürt Cecilles künstliche Nägel an ihrer Handfläche. Cecille schüttelt den Kopf und schaut ihre beste Freundin grinsend an. "Jemand versteht mich auf eine Weise, wie es noch nie jemand tat. Ein Junge, hier aus der Stadt.", erklärt Cecille ihre unfassbar gute Laune. Jeanette zieht die Augenbrauen hoch und lächelt.
"Ein... Junge? Du bist doch... Oder?", stottert Jean peinlich berührt und Cecille muss lachen.
"Nein, doch nicht so. Er kennt meine Sexualität. Er hat mir einfach unfassbar geholfen. Mehr nicht. Gestern ging es mir nicht so gut, wegen Sandrine.", entgegnet Cecille ihrer Freundin. Jean atmet beruhigt aus. Doch just in diesem Moment, erinnert sich Jean an ihre Konfrontation mit Sandrine, direkt vor der Schule.
"Du weißt, Sandrine wird dich niemals wertschätzen. Du hättest sie sehen müssen. Alle haben uns angestarrt, sie hat so eine Szene gemacht.", berichtet Jean ihrer besten Freundin das Verhalten von Sandrine. Cecilles Mimik verzieht sich schnell.
"Du sollst doch nicht mit ihr über mich reden.", keucht Cel' traurig. Jean legt ihren Arm um Cecille und beide gehen zusammen zu einer hölzernen Bank, welche an einem schönen Platz steht, nahe des Nighthowl City-Parks. Der Garten ist von roten Rosen umgeben und die Kletterpflanzen erklimmen das Metallgehäuse, welches über dem Park eine Kuppel bilden soll, seit vielen Jahren, immer mehr. Die beiden setzen sich hin und schauen gemeinsam auf den Leuchtturm, am anderen Ende der Stadt. Das Meer prasst mächtig gegen die steinigen Klippen, auf denen der Turm steht und wirft hohe Wellen auf.
"Sandrine ist kein guter Mensch. Und du weißt das.", flüstert Jean ruhig und merkt wie Cecille starr aufs Meer blickt. Cel nickt leicht, aber sagt kein Wort. Jean legt ihre Hand auf den Oberschenkel von Cecille und schaut sie ernst an.
"Ich habe die Klinge gesehen.", gibt Jeannette zu und sofort weiten sich die Pupillen von Cecille.

Cecille befindet sich wie in einer Schockstarre. Die Sonne wärmt ihre Nase und die blonden Haare liegen ihr gerade im Gesicht.
"Wie?", stottert Cecille entsetzt. "Der Müllsack war nicht ganz zu. Geht es dir...?", fragt Jean aber wird unterbrochen, da Cecille aufspringt und schockiert in der Gegend herumschaut.
"Meine Mom. Sie bringt immer den Müll raus.", keucht Cecille und packt Jean am Arm.
"Wir müssen schnell nach Hause, bevor sie... Sie wird mich wieder einsperren!", sagt Cel gestresst und voller Angst. Jean nickt hastig und kurz darauf sprinten die beiden Freundinnen los, zum Haus in der Greengarden Street, wo nun ein nervenaufreibender Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Vor einigen Jahren hat Cecille versucht sich in einer donnernden Nacht zu ermorden - einer von den vielen Versuchen, die ihre Mutter jedoch bemerkte. Sie wollte eine Überdosis von den Medikamenten ihrer Großmutter nehmen, welche zu dem Zeitpunkt im sterben lag. Als Antoinette sie allerdings bei der Einnahme im Badezimmer erwischte, ließ sie ihre Tochter im Nighthowl General Hospital behandeln und rettete so ihr Leben. Die Ärzte mussten dem damals vierzehnjährigen Mädchen den Magen auspumpen, um die starken Antibiotika gänzlich aus ihrem Körper zu bekommen. Doch als Cecille gerettet war, zwang Antoinette sie erneut dazu, für ein halbes Jahr in eine Nervenheilanstalt, außerhalb Nighthowl Bay zu gehen, wo sie mehr Gefangene als Patientin war. Jean wusste von Cecilles Problemen, aber nicht in welcher knappen Situation ihre beste Freundin gestern war. Und in welch für eine sie jetzt noch kommen kann.

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Wenige Minuten später kommen die beiden durchgenässt von ihrem eigenen Schweiß in der Greengarden Street an.
"Moms Auto ist weg!", keucht Cecille erleichtert. Jeanette lehnt sich an einer Straßenlaterne an und ist erschöpft am atmen, da die Rennerei in der Hitze mehr als anstrengend für das Mädchen war. Cecille holt ihren Schlüssel heraus und macht sich bereit die Haustür aufzuschließen. Doch plötzlich steht Jean hinter ihr und gibt ihr eine Ohrfeige.
"AUA!", schreit Cel erschrocken und sofort umarmt Jeannette ihre beste Freundin.
"Du wolltest mich verlassen, ohne dich zu verabschieden.", murmelt Jean urplötzlich völlig betroffen, bei dem Gedanken an Cels Todeswunsch. Cecille schließt erleichtert ihre Augen.
"Es ist vorbei. Versprochen. Ich verlasse dich nicht.", murmelt Cel in einer zittrigen Stimme und umarmt ihre Freundin fest. Sie weiß, dass sie ihr dieses Versprechen nicht leichtfertig geben sollte, tut es aber dennoch.
Plötzlich schlägt die Tür des Hauses auf und kalte Windzüge umhüllen die beiden Freundinnen. Sie lösen sich aus der Umarmung und schauen verwundert in die Richtung der Haustür. Jean schaut Cel überrascht an und lacht,
"Ich dachte kurz deine Mom wäre doch hier."
Die beiden gehen ins Haus hinein und sehen das Licht im Esszimmer flimmern.
"Was zur Hölle?", fragt Cecille verwundert und zeigt auf das erhellte Zimmer. Jeanette bemerkt das Licht ebenfalls und die beiden gehen leise in Richtung des Raumes.

Als die beiden in Rahmen der Tür stehen sind sie überrascht, als sie Sandrine in einem Stuhl sitzen sehen. Sandrine lächelt die beiden breit an und sitzt mit überschlagenen Beinen am Esszimmertisch. Auf diesem liegt der ausgekippte Müllsack, vorne voran mit der Klinge, welche Sandrine lächelnd in der Hand hält.
"Überraschung.", lacht Sandrine und die beiden Freundinnen schauen sie schockiert an.

NIGHTHOWL BAY - HerzfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt