4.20: "Erinnere dich" (1)

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Das Thornhill Wohnmobil fährt in rasender Geschwindigkeit über die Straßen der Stadt, denn Cecille Smith ist fest entschlossen ihre Mutter zu retten - egal was es kostet. Sie schaut auf die Straßen und erinnert sich. Sie erinnert sich an das letzte Jahr und alles was die Gruppe - und sie selbst - zusammen erlebt haben.

"Es tut mir so verdammt leid...",

schießen ihr die Worte durch den Kopf, die sie sagte, bevor sie sich versuchte umzubringen. Bevor Jakob sie durch seine zufällige Nachricht rettete.

Dieser Zufall veränderte alles. Wäre sie nicht mehr da, würde nichts von dem was bis jetzt geschehen ist, passiert sein.

"Ich weiß was du für Jean empfindest. Du liebst sie. Genauso wie du mich geliebt hast. Und weißt du was? Genau aus diesem Grund wirst du es zerstören. So wie du alles zerstörst.",

flüstert Sandrines Stimme in ihr inneres Ohr. Genau diese Worte sagte sie damals zu ihr am Kent Rock Manor, bevor die Prawls die Kontrolle übernahmen.
"Du hast Recht gehabt, Sandrine. Von Anfang an.", murmelt Cel vor sich hin und starrt weiterhin auf die Straße, während ihre Augen feuchter werden. Trotzdem will sie nicht mehr vor ihrem Schicksal fliehen. Sie will ihm direkt in die Augen schauen und nicht den Hauch von Furcht spüren.

Kurz bevor die letzten Gewitterwolken die Sonne komplett verdecken, scheint hinter dem Leuchtturm ein kleiner Strahl Sonne auf das Wohnmobil. Wie ein Funke Hoffnung. Hoffnung auf endgültige Erlösung, genau diese Erlösung die sie sich ewig lang wünschte.
Erneut hört sie die Stimme einer alten Freundin. Dr. Valorie Sylvester.

"Was wünscht du dir, von ganzer Seele?"

Cecille schüttelt am Steuer den Kopf und schluchzt leise.
"Ich will einfach nur, dass niemand mehr wegen mir leiden muss...", antwortet sie der Stimme in ihrem Kopf mit einem großen Schmerz in der Seele.
"Es gibt kein Zurück mehr.", sagt sie sich selbst. Diese Worte triggern eine weitere Erinnerung.

"Einige von euch waren mal Helden. Aber jetzt sehe ich nur einen Haufen Menschen, die in den Kampf gegen andere die genau so schlimm sind ziehen. Aber erinnert euch daran, wer ihr mal wart. Vergesst es nicht und herrscht über euer Gewissen. Irgendwann werden euch meine Worte in den Kopf kommen. Meistens leider wenn es zu spät ist...".

Die Rede von Deanna an die Gruppe. Und die große Schwester von ihr hatte recht.

Cecille atmet tief ein und drückt stärker auf das Gaspedal. Sie fährt in Richtung der leeren Brücke, wo die Bauarbeiten alle möglichen Fahrer umleiten, sodass kein einziges Auto - außer ihres - auf der Straße fährt. Am Himmel beginnen die ersten Regentropfen zu fallen, während die Sonne gänzlich untergeht. Sie biegt rechts am Ende der, vom Wald umgebenen, Straße ab und erreicht die Brücke. Viele Kisten, Absperrungen und stabilisierende Holzbalken befinden sich auf dem unfertigen Konstrukt. Sofort sieht sie - während sie langsam anfährt - ein schwarzes Auto auf der anderen Seite der Brücke stehen.

Sie schaltet den Motor des, nun stehenden, Wohnmobils aus und schaut am Steuer aus dem Fenster.
"Der State Park. Wow.", keucht sie leise über die Ironie der Situation. Ohne Furcht - so wie sie es wollte.

Unter der Brücke tobt eine reißende Strömung, welche Grund für die Instabilität dieser ist und auch die Ursache der lang anhaltenden Bauarbeiten. Auf der abgesperrten Brücke stehen neben den Kisten auch Behälter voller Sprengstoff, welche fahrlässig von den Bauarbeitern zum öffnen der Gräben zurückgelassen wurden.

Nun steigt Cel aus und stapft in den, auf den Asphalt schmetternden, Regen, welcher sofort beginnt ihre Haare zu durchnässen.
Sie knallt die Tür des Wohnmobils zu.

"ICH BIN DA!", schreit sie donnernd über die Brücke und starrt auf das schwarze Auto. Plötzlich gehen dessen Scheinwerfer an, welche hell in das Gesicht der jungen Smith scheinen.
Sie kneift ihre Augen etwas zusammen, aber hält stand. Durch das Licht erkennt sie nichts, aber hört das öffnen der Autotür.
Langsam geht Cel näher heran und sie erkennt immer mehr um wen es sich bei ihrem Gegenspieler handelt.

Nach wenigen Augenblicken sieht sie Officer Dawn wie sie neben der, auf dem Boden knieenden, Antoinette steht. Sie hält aber keine Pistole in der Hand, sondern ein schweres Messer, mit einer blutroten Klinge.
"Tut mir leid, aber ich empfinde eine Pistole als zu unpersönlich.", ruft Dawn ernst hinüber, während der Regen ihr Gesicht hinunter läuft.

Ein lauter Blitzschlag scheppert durch die ganze Stadt.

"Wieso willst du mich hier haben?", fragt Cel direkt und legt ihre Hände selbstbewusst an die Hüfte.
Dawn verzieht keine Mine.
"Du kennst die Geschichte meiner Familie, richtig?", fragt sie Cel und antwortet nicht auf ihre Frage.
Antoinette sitzt wie paralysiert da,
"Cel, bitte geh weg. Ich will nicht dass du es siehst.", schluchzt Toni ihrer Tochter entgegen.
"Mom, es tut mir so leid, dass du solche Sorgen wegen mir hattest. Ich wollte nur unsere Familie beschützen. Vor Menschen wie ihr. Bösen Menschen.", entschuldigt sich Cecille bei ihrer Mutter und klimpert durch den Regen mit den Augen, bevor sie Dawn wütend anstarrt.
"Genau hier liegt das Problem bei euch Smiths. Ihr denkt ihr wüsstet was einen guten und einen schlechten Menschen ausmacht, aber in meiner Geschichte seid ihr die Bösen. Deine Mutter hat mir den Mann genommen und alles zerstört. Mein Nick ist tot, wegen EUCH. Und du Cecille...du Märtyrerin musst dich heute entscheiden. Es gibt eine einzige Regel, die habe ich von einem alten Freund. 'Entscheidungen sind der Kern unseres Lebens'. Und du entscheidest dich hier und jetzt für das Leben von dir, oder deiner Mutter. Ich will derjenigen die überlebt den Genuß lassen, zu erfahren wie es ist jemanden gänzlich zu verlieren.", erklärt Dawn was passieren wird.

Ein heftiger Windstoß des Sturms fegt über die Brücke und wirft eine Kiste Dynamit um, welche sich auf dem Boden verteilen. Cecille sieht die Dynamitstangen und geht langsam auf Dawn zu...

NIGHTHOWL BAY - HerzfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt