3.09: "Schauderhafte Schwesternschaft"

19 7 1
                                    

"Was hast du dir dabei nur gedacht?", fragt Jakob seine Freundin Sandrine mit einem schockierten und enttäuschten Gesichtsausdruck.
Sie steht zusammen mit ihm am Tor des Hollows, wo er sie bereits erwartet hat. Er hält den Dolch in der Hand, welchen sie bis vor kurzem in ihrem Mantel versteckte.

"Wolltest du allen ernstes auf offener Straße einen der Prawls abstechen?", motzt Jakob sie an. Sie schaut mit einem beleidigten Gesichtsausdruck einher.
"Ich wollte nur helfen.", murmelt sie leise und schaut ihm nicht mal in die Augen. Er atmet fassungslos aus und greift ihr an die Schulter.
"Mord ist nie eine Hilfe. Du weißt was das Töten aus einem Menschen machen kann. Du hast das Zeug dazu, aber ich möchte nicht, dass du so wirst. Und außerdem haben wir Finn in unserer Gewalt.", erklärt er ihr besorgt.
Langsam lässt sie ihren Kopf zu Jakob drehen und schaut ihn verständnisvoll an.
"Sie haben mir so viel genommen. Und diese Familie hat Cel so viel genommen! Wegen ihnen musste sie ohne Vater aufwachsen. Unvollkommen.", entgegnet sie und umarmt Jakob sanft.

Er klopft ihr vorsichtig auf den Rücken und überlegt intensiv.
"Sebastian Smith hat aus Xander ein Monster gemacht. Er hat Antoinette und seinen beiden Töchtern eine andere Familie vorenthalten. Ein komplettes Leben. Du kannst dir nicht ausmalen wie verraten sich Toni fühlen muss. Jahrelang hat sie nichts geahnt.", murmelt er über die verrückte Verbindung der beiden Familien.
Sandrine atmet auf und öffnet weit ihre Augen.
"Stimmt...daran habe ich garnicht gedacht. Arme Toni. Verdammt, tut mir leid...", erkennt sie und drückt sich nah an Jakobs Brustkorb.

---

Ob Antoinette das Mitleid, welches ihr gegeben wird, verdient ist allerdings ein anderes Paar Schuhe. Sie sitzt alleine am Esstisch ihres Hauses und durchwühlt eine alte Box voller Dokumente. Riesige Haufen aus Papier und Anträgen von Amt, welche Dalia einst für sie bearbeitete.
"Verdammt nochmal...", grummelt sie und wirft sauer einen durchwühlten Stapel auf den Tisch. Sie packt sich mit beiden Händen sauer an den Kopf und schließt voller Frust ihre Augen.
"DALIA. DALIA!", ruft sie laut und sofort hört man schnelle Schritte aus der Küche hinaus kommen.

Dalia Smith kommt in das Wohnzimmer und hält ebenfalls ein paar alte Akten in der Hand.
"Schrei nicht so. Gott, ich bin einen Raum neben dir. Spar dir den Atem.", merkt sie an und rollt genervt ihre Augen. Sie legt ordentlich ihren Stapel Akten auf den Tisch.
"Ich finde nichts. Tut mir leid, Schwesterchen.", scherzt Dalia unterschwellig und setzt sich an den Tisch, zu ihrem eigenen Fleisch und Blut. Antoinette öffnet ihre Augen wieder und schaut die elegant gekleidete Dalia an, welche - mit ihrem perfekt liegenden Haar - ihr gegenüber sitzt.
"Ich hätte einfach eher etwas sagen sollen...", seufzt Toni verzweifelt und schaut verzweifelt auf den Tisch.
"Eher etwas sagen? Ich maße mir nicht an deine fragwürdigen Erziehungsmethoden zu bewerten, aber du hättest definitiv nicht meine beiden Nichten ihr ganzes Leben lang anlügen sollen.", stimmt Dalia ihr zu.
"Du wusstest genauso über Xander und den Rest der Prawls Bescheid wie ich. Du hast Cel bei der Suche nach Xander auch angelogen.", versucht Antoinette ihre Schwester argumentativ in die Ecke zu drängen.
"Bitte was? Du bist diejenige die wusstes wer Gabriel Marston ist und sich mit ihm an einen Tisch gesetzt hat.", lacht Dalia über ihre schwache Aussage.

Kurz hält Toni inne und schüttelt leicht den Kopf.
"Nein...ich wusste nie wer Gabe ist...ich sah ihn nur einmal als er klein war und dann nie wieder.", keucht sie und schaut leer einher. Dalia bemerkt diesen Gesichtsausdruck und lehnt sich mit einem Arm auf dem Tisch ab.
"Schwester, hör mir zu. Ich werde herausfinden wann Sebastian die Stadt erreichen wird. Ich versichere dir, er ist nicht hier. Glaub mir. Die erste Person die er sehen wollen würde, bin ich.", merkt Dalia selbstbewusst an.
Schnell verzieht Toni sauer ihre Mimik. Sie schaut sie wie besessen an.
"Ja, lach du nur mal darüber. Wir haben nie über deine obsessive Beziehung zu MEINEM Mann geredet. Und das aus einem guten Grund. Also halt dich besser zurück. Im Interesse für uns beide.", grummelt Antoinette und steht wütend auf.
"Trotzdem. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun um die Gerechtigkeit siegen zu lassen. Das verspreche ich dir...von ganzem Herzen.", lächelt Dalia merkwürdig und Toni schaut sie unsicher an.
"Macht?", fragt sie und die beiden teilen einen kurzen und stillen Blickkontakt. Dalia lächelt sanft.

Toni dreht sich weg und verlässt den Raum, die Treppen hinauf, in Richtung Badezimmer.

Dalia schaut ihr still hinterher. Noch nie hat sie ihre Schwester so aufgebracht und wütend gesehen. Die Anwesenheit der Familie Prawl nimmt Antoinette mit. Und das große Netz aus Lügen, welches sie ihr ganzes Leben lang auf Cecille und Deanna projizierte, ebenfalls.
Wenn ihre beiden Töchtern dies jemals herausfinden sollten, wird das Verhältnis in der Familie nie wieder so sein wie vorher.

Nie wieder.

NIGHTHOWL BAY - HerzfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt