3.08: "Gut und Böse"

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Stunden später, in Thornhill...

Deanna schleift Finns bewusstlosen Körper in den Wohnbereich des Hauses, wo Jakob und Cecille gespannt warten.
Sie sehen die älteste Smith mit dem betäubten Finn hereinkommen, während Jakob schnell eine Decke auf dem Sofa ausbreitet. Cecille stellt einen großen Stapel Bücher auf dem Wohnzimmertisch ab und setzt sich in einen der Sessel, vor den - nicht brennenden - Kamin.

"Er ist schwerer als man denkt. Wenn man ihn...naja..so sieht.", scherzt Deanna über Finns dürre Statur und legt ihn vorsichtig auf der Couch ab.
Sie holt aus ihrem Polizeiholster ihr eigenes Paar Handschellen und legt ihm diese an.
"Damit wird er es nicht so leicht haben.", erklärt Deanna und richtet sich erschöpft auf.
"Ist das wirklich nötig?", fragt Jakob die ältere Schwester von Cel bedrückt. Er kann den Anblick von einem bewusstlosen und in Handschellen gelegten Finn, nicht gut ertragen.

Cel schaut zu Jakob hinüber und wirft schnell ein Auge auf die Bücher, die sie mitgebracht hat.
"Wenn Finn aufwacht werden wir ein paar psychologische Tricks anwenden und versuchen den Part 'Damian' zu verdrängen.", murmelt sie und schnappt sich das oberste Buch vom Stapel.
"Du denkst mit diesen einfachen Tricks lässt sich eine Spaltung der Psyche rückgängig machen? Du bist aber ne' Optimistin.", antwortet Jakob ironisch auf die Aussage von Cel. Diese rollt nur die Augen.
Deanna verschränkt ihre Arme und kaut sich unsicher auf ihrer Unterlippe herum,
"Also...es gibt etwas was ihr beide wissen solltet. Vorallem du, Jakob."
Er dreht sich zu Deanna und zieht eine einzige Augenbraue hoch.
"Sandrine war am Diner. Ich und Jean haben im Auto gewartet, bis sie aufeinmal auftauchte. Und sie wollte nicht freundlich mit den beiden plaudern, glaubt mir.", erklärt Deanna das merkwürdige Verhalten von Sandrine.
"Es ist Sandrine, was erwartest du? Wahrscheinlich wollte sie ihn provozieren, oder so.", wirft Cel halb lachend in den Raum.
"Hey!", motzt Jakob und sein Blick wird grimmiger.
"Du redest immernoch von meiner Freundin, okay?", weißt er Cel zurecht.

Sie reißt ihre Augen stumm auf und schaut wieder wortlos in ihr Sachbuch.

"Wie dem auch sei, ich muss los. Grayson will mit mir noch ein paar Sachen besprechen, wegen meinem neuen Waffenschein. Ihr wisst schon. Protese und so.", erklärt Deanna sarkastisch und hält ihre Protese, über der ein schwarzer Handschuh gezogen ist, in die Luft.
"Tu' dir keinen Zwang an.", sagt Jakob und setzt sich in den Sessel gegenüber von Cecille.
"Bis dann, ruf aber mal Mom an.", verabschiedet sich Cel und winkt ihrer Schwester nett zu.

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Langsam beginnen die Augenlider von Finn Seed zu klimpern. Nach ungefähr zwei Stunden wacht er nun endlich auf. Die Menge der Betäubung war wohl außerordentlich stark.
Er stöhnt leise und richtet sich verwirrt auf.
Cecille bemerkt dies und schreckt auf, da sie eine längere Zeit Wache hielt und wirft ihr Handy sofort schnell auf den Tisch.
"JAKOB! KOMM SCHNELL!", ruft sie und steht aus dem roten Sessel auf.
Kurz später kommt er in den Wohnbereich gesprintet und stellt sich schützend vor Cecille, falls Finn etwas gefährliches versuchen will.
"Hey! Finn!", flüstert Jakob leise und nähert sich dem langsam aufwachenden Finn langsam. Er schaut seinen besten Freund an und muss etwas lächeln. Er hat schon lange nicht mehr mit ihm geredet.
"Uhh...", keucht Finn und setzt sich langsam und schwach gerade auf die Couch. Er bemerkt sie Handschellen und hebt seine Hände etwas hoch, so dass er diese gut mustern kann. Schnell wenden sich seine Augen zu Jakob.
"Jakob?", stammelt er mit halb geschlossenen Augen.
"Finn? Bist du es?", frag Jakob optimistisch nach, aber schnell hält Cel ihn an seinem Unterarm fest.
"Sei vorsichtig. Er war lange bei ihnen.", flüstert sie besorgt.

Jakob ignoriert Cels Worte und schaut ihn lächelnd an.
"Ich hab dich vermisst, Mann.", lacht Jakob und kann es kaum fassen.
"Was ist passiert, wo bin ich?", stottert Finn orientierungslos und schaut sich um.
"Er ist es wirklich.", sagt Jakob sicher und schaut Cel glücklich an, da alles was er in den letzten Monaten wollte, eine Wiedervereinigung mit seinem besten Freund, war.

"Haha...", lacht Finn leise und lehnt sich gemütlich an die Sitzfläche der Couch. Cecilles Gesichtsausdruck wird ernst und sie schüttelt langsam den Kopf.
"Ihr werdet es nie verstehen..Finn ist nicht mehr.", lacht Damian und offenbart sein kleines Schauspiel schnell. Jakob wird sauer und greift ihm wütend an den Kragen.
"Du verdammtes Arschloch!", grummelt er sauer und schaut in Damians glasige Augen.
"Was willst du jetzt tun? 'Nein, Finn, du kannst das nicht machen!' 'Nein, Finn, du hörst auf das was ich sage!' HAHA!", macht sich Damian über die vergangene Verbindung zwischen Jakob und ihm lustig.
Jakob wird immer wütender und Cel greift ihm nun kräftiger an die Schulter und dreht ihn zu sich.
"Jakob, hör zu. Ich verstehe deine Wut. Glaub mir...ich verstehe es, aber wir haben ein Ziel. Bitte, reg dich einen Moment ab. Geh einmal durch's Hollow und lass mich mit ihm reden. Zwanzig Minuten. Mehr nicht.", bittet sie ihn logisch und schaut ihn verständnisvoll an. Jakob schließt seine Augen und nickt. Er atmet kräftig aus und beruhigt sich etwas.
"Du hast...du hast Recht. Zwanzig Minuten. Viel Glück.", murmelt er widerwillig, aber erkennt die Logik hinter Cels Aussage - auch wenn es ihm sehr schwer fällt, sich dies einzugestehen.

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Wenige Minuten später sitzt Cecille mit Damian am großen Esstisch in Thornhill. Unter dem gedimmten Kerzenlicht des viktorianischen Kronleuchters sitzen die beiden und schauen sich intensiv an.
Finn am Kopf des Tisches, wo Jakob sonst immer sitzt und Cel zwei Plätze daneben, auf der rechten Seite des Tisches. Vor sich hat sie eine aufgeschlagene Seite ihres Buches und mustert Damians Gesichtsausdrücke genau.

"Was machen wir hier? Willst du ein Portrait von mir malen, oder mit mir reden?", fragt Damian sie provokativ und überschlägt elegant seine Beine.
Sie bemerkt diese Geste und rückt näher mit ihren Stuhl an den Tisch.
"Du hast dich verändert. Ich habe viel über gespaltene Psychen gelesen und in Dokus gesehen, aber ich kannte noch nie so jemanden wie dich persönlich.", erklärt sie ihm beeindruckt.
Er lacht leise und legt seine - in Handschellen gelegte - Hände auf den Tisch.
"Ich kann mich an jede Sekunde von Finns Leben erinnern. Ich kenne dich. Dieses Gespräch unter der Weißeiche und was ihr davor alles durchgemacht habt. Bevor du mich etwas fragen kannst, erlaube mir auch eine Frage, okay?", bittet er sie amüsiert und mit einem verrückten Grinsen auf den Lippen.
"Klar.", antwortet sie trocken.
"Du kanntest ihn kaum, wie konntest du dir nur anmaßen so über seine Freundschaft mit Jakob zu urteilen? Ich bin der permanente Passagier in Finns Kopf gewesen und war  wahrscheinlich der Grund für seine Migräne an diesem Tag. Das war einfach nur ein billiges Drama Novel.", lacht er über Cels Gespräch mit Finn.
Sie schüttelt hochnäsig den Kopf und tippt mit ihren spitzen Nägeln auf den Tisch.

"Ich kannte ihn vielleicht nicht gut, aber er ist mir wirklich wichtig. Weil ich mich in ihm erkenne. In euch beiden. Ich weiß wie es ist eine dunkle Seite zu haben.", gibt sie zu und verzieht keine einzige Mine.
"Eine dunkle Seite? Ich bin eine eigenständige Person. Ich denke eigen, handle eigen und liebe eigen. Finn ist nichts weiter als eine Metastase, in einem großen - vom Krebs befallenen - Organismus.", erklärt er ihr düster und in seinen Augen flimmert die Dunkelheit förmlich.
Cecilles kalter Blick verzieht sich zu einem Lächeln.
"Du magst vielleicht Böse sein, aber ich bin viel schlimmer. Damals am State Park war ich bereit Sandrine zu töten. Ihr einfach das Leben zu nehmen. Und als ich die Pistole vor Chrysalis in der Hand hielt...du kannst es dir nicht ausmalen. Wäre Xander nicht hereingekommen, hätte ich sie erledigt. Ohne zu zögern. Und sowas...ja, sowas würde Finn nicht tun und selbst du nicht.", keucht sie und offenbart ihm ihre tiefsten und düstersten Gedanken.
"Du denkst wirklich, dass dein Bruder der Böse ist, oder?", lacht Damian höhnisch.
Er richtet sich gerade auf und schaut ihr förmlich in die Seele.
"Dein Bruder...Xander.", sagt er voller Genuss.
"Er hat die Stadt vor der Vernichtung bewahrt. Er hat eine kaltblütige Killerin ausgeschaltet die eine ganze Gruppe still und leise im Hintergrund zusammengestellt hat und damit zwei Menschen gerächt, welche unschuldig gestorben sind. Jason und seine Tante Valorie. Er rettete die gesamte Stadt und stürzte den Bürgermeister der Polizeiarbeiten behinderte und Morde beschönigte. Und du...du wolltest einfach nur töten...weil du es eben konntest. Wer ist jetzt die Böse?", fragt Damian sie manipulativ und sieht wie sie langsam ihre Augen aufreißt.

Ihre Pupillen weiten sich und sie steht auf.
"Brauchst du eine Auszeit?", lacht er provokant und beobachtet sie, wie sie wortlos und schockiert den Speisesaal verlässt. Lächelnd und triumphierend sitzt er auf seinem Stuhl, während draußen die ersten Schneeflocken fallen und der Winter in der Stadt anbricht...

NIGHTHOWL BAY - HerzfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt