3.12: "Stille Nacht"

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Während der Feier bricht langsam die Nacht herein. Drinnen wird gelacht und getrunken, während im riesigen Vorgarten des Kent Rock Manors Jakob und Sandrine auf der Bank, vor dem großen Springbrunnen des Anwesens, sitzen.

Von drinnen hören sie die Weihnachtsmusik welche die Räume des Manors erfüllt. Die beiden sitzen innig kuschelnd auf der Bank und lassen ihre Gedanken schweifen.
"Die Weihnachtszeit habe ich mir wesentlich anders vorgestellt...", gesteht Jakob sich ein und sieht seinen eigenen Atem vor Augen. Die Nächte sind kälter geworden.
"Glaub mir, ich mir auch. Ich würde lieber in Thornhill einen warmen Kakao trinken, anstatt hier auf Cecille und Jeanette zu warten, die erbärmlich versuchen einen kleinen Funken Hoffnung in dieser Familie zu finden.", antwortet Sandrine und legt ihren Kopf auf Jakobs Schulter.

"Wann wird dieser Scheiß eigentlich mal aufhören?", fragt Jakob und denkt intensiv über das letzte Jahr nach.
"Wahrscheinlich wenn wir alle unter der Erde sind.", lacht Sandrine scherzhaft und lauscht dem fließenden Wasser des Brunnens.
"Nein, mal ganz im Ernst. Zuerst deine Schwester und dann kommt diese Familie in die Stadt. Was ist an Nighthowl Bay so besonders?", fragt sich Jakob über die Motive seiner alten und auch neuen Feinde.
"Jakob, diese Stadt hat nichts besonderes an sich. Es sind die Menschen. Ich finde es nur Schade um die Personen die dafür sterben mussten. Jason hat nie etwas falsches getan. Und Valorie auch nicht. Greyfork schon, aber man sollte so jemanden nicht töten, sondern hinter Gitter bringen.", denkt Sandrine über die Verstorbenen nach.

"Egal was in diesem Höllenloch hier passieren wird, ich lasse nicht zu, dass jemand uns auseinander bringt. Ich denke in letzter Zeit viel nach.", gibt Jakob widerwillig zu.
Sandrine umklammert plötzlich fest seine Hand.
"Über was denn? Du kannst mir alles sagen.", spricht sie ihm gut zu, während sie ihm tief in die Augen schaut.
"Über Finn. Ich weiß nicht ob Cecille und Jeanette ihm verzeihen werden, wenn Damian fort ist.", sagt Jakob und ist zutiefst besorgt.
Sandrine zieht die Augenbrauen hoch und nickt langsam.
"Klar werden sie ihm vergeben. Das ist nicht Finn. Diese Person in Thornhill ist Damian. Aber Hey, du sagtest 'Wenn Damian fort ist'. Du bist optimistisch. Find' ich gut.", lächelt Sandrine und bemerkt Jakobs traurigen Gesichtsausdruck.
"Ich weiß. Wir werden gewinnen. Aber wenn wir gewinnen, verliert Finn. Und davor habe ich Angst.", sagt er und klimpert unsicher mit den Augen.

Urplötzlich sehen die beiden aus der großen Haustür des Anwesens Nick Prawl stapfen.
Jakob rollt mit den Augen.
Nick kommt auf die beiden zu und zieht sich am Kragen seines Hemdes herum.
"Jakob. Sandrine. Ihr solltet wieder hereinkommen. Die Feier ist bald zu Ende und eure Mäntel hängen da noch.", sagt er freundlich zu den beiden.
"Wie aufmerksam von dir, du Schatz.", grinst Sandrine und steht auf. Sie hält Jakobs Hand und schaut Nick an.
"Dann zisch ab und lass uns durch.", provoziert sie ihn und drängelt sich zusammen mit Jakob, welcher Nick neutral hinterherschaut, an ihm vorbei.

Nick schüttelt den Kopf, während die beiden langsam das Anwesen betreten und blickt in den Himmel.
Diese Winternacht ist besonders kühl, aber der Himmel ist klar. Der große Vollmond ist deutlich zu sehen. Nick lächelt etwas und genießt die schöne Aussicht am Brunnen sehr. Er nimmt Sandrine ihr Verhalten nicht böse, da er weiß wieso sie so provokant und taktlos zu seiner Familie ist. Wie könnte es auch anders sein?

Wenige Augenblicke später hört er ein Rascheln im Gebüsch. Er dreht sich um und kneift seine Augen leicht zusammen, da er im Dunkeln der Nacht nur schwer etwas erkennen kann.
Ein kalter Windstoß fegt durch den Vorgarten und verweht Nicks kurze und dunklen Haare etwas.
Er streift sich durch diese und kratzt sich am Hinterkopf.
"Hallo? Hat da wer zu viel getrunken?", lacht er und vermutet einen betrunkenen Gast des Hauses, welcher sich verirrt hat.
Er will sich dem Gebüsch nähern, bis er plötzlich schwere Schritte hinter sich hört.
"Hallo, Bursche.", sagt eine tiefe Stimme, welche Nick sofort erkennt. Er dreht sich um und erkennt ihn.
"Vater!", stellt er fest und blickt in die kühlen Augen von Sebastian Prawl.
"Ich dachte du wärst noch in Rosewood.", keucht Nick überrascht über die Ankunft von Sebastian.
Der Vater der Prawls trägt ein dünnes Hemd und eine dunkle Jeans. Er verzieht keine Mine und steht gruselig am Brunnen.

"Die Pläne haben sich geändert. Ich habe gehört mein Junge will die Familie wiedervereinen.", merkt Sebastian an und rümpft leicht seine Nase.
"Ja! Du hast Recht. Xander hat sogar Cecille zur Feier bekommen. Deanna ist nicht da, aber-"
"HALT DEINEN MUND!", unterbricht Sebastian seinen Sohn mit einer donnernden Stimme.
"Ist Antoinette auch da?", fragt er seinen Sohn ernst.
"Nein, Sir.", antwortet Nick ihm gehorsam.
"Warum?", ergänzt Nick schnell seine kurze Frage.
Sebastian geht ein paar Schritte näher an seinen Sohn.
"Was ist eine Familienfeier schon ohne die Mutter? Aber deswegen bin ich nicht hier.", erklärt Sebastian knapp seine Gründe für die Rückkehr in die Stadt.
"Weswegen bist du dann hier? Ich verstehe nicht...", gibt Nick zu und schaut auf das Anwesen, aus dem immernoch die Weihnachtsmusik schallt. 'Silent Night' ist das gerade laufende Lied.
"Ganz einfach, mein Junge. Ich wollte euch ein kleines Weihnachtsgeschenk bringen.", sagt er leise.
Nick öffnet lächelnd seine Augen.
"Wirklich? Sie werden sich bestimmt freuen!", lächelt Nick seinen Dad an.
"Ich denke nicht.", grummelt Sebastian und greift plötzlich nach Nicks Hals.
"Fröhliches Fest, mein Sohn.", keucht der Familienvater und sieht den geschockten Gesichtsausdruck von Nick.

Er fixiert Nicks Arme und drückt seinen Kopf in das Wasser des Springbrunnens. Nicks Arme und Beine wehren sich, aber Sebastian ist stärker. Er hat das Genick seines Sohnes fest umklammert und hält es rücksichtslos unter Wasser.
Sebastian beißt seine Zähne zusammen und schaut nicht auf seinen ertrinkenden Sohn. Er merkt allmählich, wie Nick schwächer wird und sein verzweifeltes Zappeln nachlässt. Im Wasser des Brunnes schnappt Nick panisch nach Luft, aber seine Lungen füllen sich immer mehr mit dem kalten Wasser.

Er wird schwächer und das Leben verlässt den Körper von Nick Prawl, welcher jetzt nur noch reglos mit dem Kopf im Brunnen liegt.
Sebastian lässt langsam den Nacken seines Sohnes los und schaut ihn etwas traurig an.
"Vergib mir.", murmelt er und dreht sich um. Langsam geht er in Richtung Ausgang des Grundstücks, während die Musik seine Ohren erreicht und den nichtsahnenden Gästen die fröhliche Weihnachtsstimmung beschert...

NIGHTHOWL BAY - HerzfinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt