Prolog

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Sinaloa 1998:

Die Frau läuft hektisch durch die kleine, schäbige Wohnung und fährt sich immer wieder verzweifelt durch die Haare. Sie weiß nicht, was sie machen soll. Ihr Leben ist gefüllt mit Problemen und ihr Größtes sitzt gerade neben ihr auf dem Teppich und wird langsam durch das Verhalten der Mutter ängstlich.

"Mamá...", kommt es zittrig von dem Kind neben der Frau.

Sofort hält sie in ihrer Bewegung inne, dreht sich zu dem drei jährigen Kind und lächelte es freundlich an.

"Ach Schatz, keine Angst.", versucht die Frau das Kind wieder zu beruhigen und nimmt die kleine Kinderhand in ihre. "Mamá muss nur noch kurz was aus der Stadt holen.", meint sie, während sie den kleinen Kinderkörper hinter sich her zu der Wohnungstüre zieht.Das Kind folgt ihr, lässt sich Jacke und Schuhe von der Mama anziehen und verlässt kurz darauf die Wohnung gemeinsam mit der aufgewühlten Frau.

Sie laufen in die Innenstadt von Sinaloa, die jetzt spät am Abend besonders Gefährlich ist. Doch das kleine Kind hat keine Angst. Es ist schließlich bei seiner Mutter. Sie wird immer da sein und für den Schutz des Kindes sorgen, da ist es sich ganz sicher.

Die Frau läuft tiefer in die Menschenmenge hinein, wobei das Kind sich schwer tut, mit dem Schritttempo seiner Mutter mitzuhalten. Es versucht die Hand von ihr dichter zu umgreifen, als ihre plötzlich ganz locker wird und sich die beiden Hände trennen.

Das Kind bekommt langsam angst und möchte wieder zurück zu der Mutter, doch diese wurde bereits von der Menschenmenge verschluckt. Das Kind bekommt Tränen und das kleine Herz fängt an vor Angst schneller zu schlagen. Es ruft immer wieder nach ihr, aber es ist, als würde der laute Abendverkehr die Schreie nur so in sich aufzusaugen. Das Kind drückt sich schluchzend und ängstlich durch die Menschen, die es gar nicht beachten und es einfach so hart anrempelt, dass es auf dem Boden landet. Es möchte aufstehen und weiter gehen, aber schafft es nicht. Die Menschen lassen ihm kein Platz und treten auf die Füße des Kindes. Es fängt an vor Schmerzen und Angst lauter nach seiner Mutter zu schreien, doch sie hört ihn nicht. Keiner hört ihn. Er schreit noch ein letztes mal ganz laut nach seiner Mama, bis die Tränen es übermannen. Schluchzend rollt es sich auf dem Boden zusammen. Es hat Angst, ist allein und hat Schmerzen am ganzen Körper, da die Menschen ihn nicht beachten. Es hat verstanden, dass seine Mama, seine Beschützerin, sein Halt, nicht mehr zurückkommt. Keiner ist da, um ihm zu helfen. Die Menschen interessieren sich ebenso wenig für ihn wie es die Mutter tat. Keiner half ihm. Vielleicht, weil sie dachten, dass er eines der Kinder von den Dealern sei, die ihr eigenes Fleisch und Blut meist auf die Straße zum betteln brachten, damit sie dadurch Geld bekamen. Vielleicht waren sie aber auch einfach zu beschäftigt mit ihren eigenen Problemen, dass sie sich nicht um ein kleines Kind scherten, dass nach seiner Mutter rief.

Plötzlich wurde es um ihn herum leise und die Tritte hörten auf. Verwirrt hob das kleine Kind seinen Kopf, in der Hoffnung, seine Mama zu sehen. Jedoch steht vor ihm nur ein großer und muskulöser junger Mann mit Anzug, der sich langsam zu dem Kind herunter beugt.

Das Kind weiß nicht, wer dieser Mann ist oder was er vor hat und weicht zurück. Hinter dem jungen Mann kann das Kind noch weitere Männer mit Anzügen erkennen, die wie einen Weg durch die Menschen gebaut hatten. Jetzt bekam das Kind nur noch größere Angst und wollte noch weiter zurück weichen, als der Mann vor ihm sein Fußgelenk leicht griff.

Erschrocken zuckte das Kind zusammen und mehr Tränen liefen die zarten Kinderwangen herunter. Der Mann umschließt das Gelenk leicht, um dem Kind nicht noch größere Angst zu machen.

"Hey. Alles in Ordnung. Wo ist den deine Mama?", fragt der junge Mann freundlich und ruhig, darauf bedacht, das Kind nicht noch mehr zu verängstigten.

Zittrig und unsicher antwortete das Kind stotternd: "Keine A-Ahn-ung. S-Sie wa-r plö-ötzlich einf-a-ach weg."

Verstehend nickt der Mann und lässt das Fußgelenk wieder los.

"Soll ich dich hochheben, damit du besser nach ihr suchen kannst?", bietet er freundlich an.

Zögernd nickt das Kind bevor er sich langsam auf den Mann begibt. Der Mann legt vorsichtig seine Arme um den abgemagerten und zitternden Kinderkörper und hebt ihn auf seine starken Arme.

Das Kind schaut über die Menschenmenge, wobei die Hälfte wie angehalten scheint. Doch so sehr es sich auch wünscht, kann es nicht seine Mutter sehen. Sofort fängt das Kind wieder an stark zu weinen und laute Schluchzer verlassen den kleinen Mund.

Es vergräbt seinen Kopf an der breiten Schulter des Mannes und weint sich aus. Der Mann streichelt beruhigend über den Rücken des Kindes.

"Du kommst jetzt erst einmal mit zu mir und wir sehen morgen wieder nach deiner Mama, okay?", flüstert der Mann in das Ohr und wartet auf das nicken des Kindes das auch kurz darauf erscheint.

Ohne noch länger hier herum zu stehen läuft der Mann zwischen seinen Männern hindurch, die eine Art Tunnel für ihn durch die Menschenmenge hin zu seinem Auto gemacht haben.

Der Mann läuft hindurch und steigt mit dem Kind auf dem Arm auf die Rückbank ein. Seine Männer verteilen sich wieder in den Begleitwägen neben ihm und der Fahrer beginnt die Fahrt. Als der Mann gerade das Kind von seinem Schoß tuen wollte, fällt ihm auf, dass es bereits ins Land der Träume gereist ist.

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