Kapitel 59

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Wir fuhren bereits seit bestimmt einer halben Stunde in der keiner von uns irgendetwas sagte und nur die leise Musik aus dem Radio die minimalen Geräusche des Wagens überdeckten. Ich spürte Ramons andauernden Blicke auf meinem Körper, beachtete sie jedoch nicht, da ich in meiner eigenen Welt hing.

In einer Welt, in der ich in meinen Erinnerungen schwebte und an die Zeit zurück dachte, bevor das ganze passierte. Das mit Ramon, mit dem Umzug nach Mexiko. Einfach an die Zeit vor dem Unfall.

Wo alles noch gut war...

Ich hatte schon längst aufgehört zu weinen, als mir bei diesen Erinnerungen wieder eine einzige Träne aus den Augen tropfte und ich augenblicklich wieder an die Worte denken musste, die mir mein Cousin entgegen geschrien hat.

'...die sture Katelyn, die jedem etwas beweisen muss und deshalb meine ganze Familie in Gefahr bringt!'

'...Weder deine Familie in San Francesco braucht dich, noch meine hier!'

Wie recht er doch hatte...

Mein Vater hat mich schon vor dem Tod meiner Mutter nicht gerade gemocht und auch gar nicht wirklich als Tochter angesehen. Ich musste gehen, weil ich Probleme mit Debra hatte, auf die er viel Stolzer war, als auf mich. Wobei es ihm herzlich egal war, wie sehr ich mich ins Zeug legte um nur ein einziges Mal von ihm gesehen zu werden. Dann wurde ich zu meiner Tante geschoben damit ich meinem Vater keine Schwierigkeiten mehr machte. Doch nicht einmal zwei Tage war ich bei ihnen, hab ich sie schon in Lebensgefahr gebracht und das einzig und allein wegen meiner unglaublichen Dummheit...

Javier hatte wirklich recht und das mit allem.

Nach heute war es mir wirklich egal, ob ich wieder in Lebensgefahr geraten könnte. Ich würde mich zur Not sogar als Schutzweste für Ramon oder jemand anderem opfern.

Ich meine, was hatte ich noch?

Genau! Nichts!

Ich fuhr gerade mit einem Typen, der mich geschlagen und erniedrigt hat zu einem Anwesen, in dem Lete lebten, die mich entweder nur als Puppe, Bedienstete oder Problem sahen, aber keins davon aussprachen.

Wow...

Ich hatte niemals gedacht, dass ich mal so am Boden sein könnte. Mein Leben lang nahm ich mir vor, niemals auch nur für eine andere Person zu leben, was ziemlich ironisch ist, wenn man die Zeit nach der Beerdigung betrachtete oder auch nach diesem 'Küchenunfall'. Ich lebte und lebe jetzt auch nur noch für Andere. Früher für meinen Vater und jetzt für Ruíz, wobei ich mir wirklich vorkam wie ein Stück Fleisch, das mal weiter verkauft wurde, damit ich die Drecksarbeit für jemand anderen machte.

Stumm liefen mir die Tränen wieder in Wasserfällen die Wangen herunter, während ich mir wirklich schwer ein lautes Schluchzen oder Wimmern verdrücken musste und mein Gehirn weiterhin einfach in den Erinnerungen schwelgte, die ich alle am liebsten vergessen wollte.

Ich setzte gerade an, um mit meinem Handrücken meine Tränen wegzuwischen, als sie festgehalten wurde. Verwirrt schaute ich darauf und erkannte, dass es Ramon war, der einfach still hinter dem Steuer saß und ruhig auf die Fahrbahn vor sich schaute. Sein Gesicht zeigte keine Mimik, doch seine Hand erklärte alles.

Es war eine nette Geste, mit der Hand und mich nicht drauf ansprach. Das konnte ich jetzt wirklich nicht...

Als wäre es das normalste, dass Ramon und ich so viel Nähe zueinander haben, legte ich einfach meine andere Hand auf seine und umschloss sie, während ich mich wieder so langsam beruhigte. So sehr, dass sich meine schweren Augenlider schlossen und ich einnickte.

-

"Katelyn, verzieh dich und lass dich nie wieder hier blicken! Keiner von uns will dich je wieder sehen!", schrie Javier mich an, während seine ganze Familie neben ihm standen und mich aggressiv anschauten.

You saved meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt