Kapitel 16

20.4K 563 27
                                    

Die nächsten Stunden vergingen ruhig, ebenso wie der darauffolgende Tag. Das lag nicht daran, dass ich mit meinem Onkel streit hatte, seit dem Gespräch. Sondern eher daran, dass Francesco an sich eine sehr ruhige Person war und ich so in Gedanken verloren war, dass ich gar keine Lust hatte, jetzt eine Konversation anzufangen. Und, so wie es den Anschein machte, störte es auch keinen von uns Beiden.

Die nächste zeit verging wie im Flug und schon waren wir in der Stadt angekommen, in die kleine Schwester meiner Mutter mit ihrer Familie wohnte. Irgendwie war es schon komisch zu sehen, wie sich das alles hier so verändert hatte. Natürlich war es verständlich, wenn sich in fast zehn Jahren etwas ändert, aber dennoch irgendwie komisch für mich.

Wir fuhren immer näher an mein neues Zuhause, wobei ich nervös wurde. Ich hatte vermutlich einfach angst zu sehen, wie sich meine Verwandtschaft so entwickelt hatte, in der Zeit, wo ich nicht da war und sie nicht besuchen durfte.

Francesco hatte mir selbstverständlich viel von seinen Kindern und meiner Tante erzählt, aber trotzdem hatte ich ja deshalb keine Absicherung, dass sie mich jetzt akzeptieren würden. Klar würden sie das machen, weil sie ja irgendwie dazu gezwungen wären, aber so richtig müsste das ja nie sein.

Ach egal. Ich sollte mir nicht so viele Gedanken darüber machen. Wissen tue ich es ja dadurch eh nicht, wenn ich sie nicht einmal gesprochen habe.

Trotzdem konnte ich es mir nicht verkneifen, meinen Nagel in meinen Zeigefinger zu stechen. Das leichte ziehen das kam, lenkte mich ein wenig ab.

Das Auto fuhr die Auffahrt hoch und schon sprang die Haustür auf und eine kleine Frau mit ordentlich schwarzem Pferdeschwanz öffnete die Türe. Bei dem Anblick meiner Tante Carmen musste ich leicht schmunzeln. Sie erinnerte mich so sehr an Edith. Die Figur, der Charakter,... Nur trägt meine Tante immer Pferdeschwänze, und das schon immer, während Edith einen festen Dutt hat.

Hinter meiner Tante kamen noch drei weitere Gesichter zum Vorschein, die mir alle bekannt vorkamen.

Keiner von uns trödelte lange und während ich aus dem Auto stieg, liefen die vier aus dem Haus auf den Wagen zu. Naja bis auf Javier der sofort auf mich zu sprintete und mich so hastig in den Arm nahm, dass ich gegen das Auto hinter mir prallte.

"Endlich! Endlich seh' ich dich wieder du Verräter.", schimpfte mich mein ein Jahr ältere Cousin.

Seine Freude über meinen Besuch konnte man ihm deutlich in der Stimme heraushören und an der festen Umarmung spüren, die mich fast erstickte. Doch ich genoss die Berührung, ohne an die groben Hände von Ramon zu denken, die mir gewaltsam die Luft zum Atmen geraubt hatten.

Ich erwiderte die Umarmung sofort, bis er auch schon von mir weggezogen wurde. Verwundert schaute ich zu dem verantwortlichen, der nur uninteressiert mit den Schultern zuckte.

"Der hatte da 'nen Fussel.", erklärte Alejandro seine Tat und konnte sich dabei selbst kein lächeln verkneifen.

Wir beide begannen zu lachen und umarmten uns, als dann schon meine Cousine Gabriella kam, von der ich ehrlich gesagt ein bisschen überrascht war.

Sie hatte wirklich kurze Shorts an, ein T-Shirt, dass gefühlt ihre gesamte Oberweite zeigte, an. Zudem waren ihre Haare nicht mehr braun- schwarz, sondern blond und komplett kaputt. Als sie einen kleinen Schritt auf mich zu ging, schaute sie gerade auf ihr Handy und war sichtlich abgelenkt.

Als ich ihr Outfit sah, konnte ich mir einen anzüglichen Blick zu Alejandro und Francesco links neben ihr, nicht verkneifen, der eher al Frage gerichtet war.

Sofort schauten mich beide sauer und verstört an und schüttelten hastig die Köpfe. Ich musste lachen, wobei ich wohl wieder die Aufmerksamkeit von Gabriella uf mich lenkte, die sofort zu mir auf sah, mich entschuldigend anlächelte, bevor sie ihr Handy in ihre Hosentasche steckte, mich kurz umarmte und Platz für ihre Mutter machte.

Carmen schaute mich kurz mit traurigen aber sogleich glücklichen Blick an, bevor sie sich zu mir bewegte und mich liebevoll umarmte.

"Du siehst genau so aus, wie sie.", flüsterte sie mir traurig ins Ohr, strich mir noch einmal liebevoll über meinen Rücken und trat dann einen Schritt zurück.

Alle lächelten mich noch einmal freundlich an, bis Francesco seine Hände zusammen klatschte und die volle Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

"So. ich würde jetzt sagen, dass Javier Katelyn ihr Zimmer zeigt, Mi vida (Mein Liebling) und Gabriella sich um das Essen kümmern solange Alejandro und ich das Auto ausräumen."

Zustimmend nickten wir alle und schon wurde ich schnell an der Hand Richtung haus gezerrt.

"Du glaubst gar nicht wie geil ich das finde, dass du kleine Flachzange wieder da bist. Ich kann dir gar nicht sagen, wie langweilig die letzten Jahre waren ohne auch nur ein Lebenszeichen von dir zu bekommen. Außer natürlich über Nachrichten, bei denen dir wohl auch nicht so geläufig ist, wie man das macht, kann das sein?", motzte mein Lieblings Cousin drauf los, während er mich einfach quer durch das mittelgroße Haus zog und mich in dem Gästezimmer im ersten Stock herein schob.

"Gabriella wollte eigentlich schon seit zwei Jahren das Zimmer bekommen, aber wir hatten gehofft, dass du uns mit achtzehn besuchen würdest und da könntest du nicht in dem Zimmer von Gabi unterkommen, da es zu klein wäre. Oder hast du keine Platzangst mehr?", fragte er fürsorglich nach, wobei ich ja gleich anfangen musste ungläubig zu ihm hinter zu sehen.

"Du erinnerst dich noch daran, dass ich Klaustrophobie habe?", fragte ich immer noch überrascht

Immerhin waren es fast zehn Jahre und ich hatte nicht erwartet, dass Javier sich so etwas merkte. immerhin konnte er dir noch nicht einmal sagen, wann er das letzte mal etwas gegessen hatte. Er war einfach so aufgeladen und vergesslich, dass ich es nicht erwartet hatte.

Er schaute mich perplex an und lief auf mein zukünftiges Bett zu, auf das er sich kurzerhand fallen ließ , seine Hände hinter seinem Kopf platziert.

"Ja, klar. Schließlich bist du meine Cousine und beste Freundin.", erwiderte er.

"Einzige.", korrigierte ich, da Javier nie wirklich Freunde fand, mit denen er etwas unternehmen wollte.

Genauso wie ich. Er war in dieser Sache nämlich auch unglaublich Anspruchsvoll. Wir fanden einfach beide keine Freunde, die zu uns passten. Allerdings könnte bei Javier noch der Grund gewesen sein, dass er in der Schule oft zum Außenseiter gemacht wurden war, wegen seinem ADHS, das sehr schnell auffällt. Für die meisten Personen war er einfach zu aufgedreht und anstrengend. Mit Ausnahme von mir.

"Ha-Ha-Ha.", kommt es ironisch lachend von ihm. "Als ob du besser wärst.", kontert er und spielt bereits mit dem Saum der Decke unter ihm.

Ich zucke lediglich mit den Schultern und tue eins auf geheimnisvoll. Ungläubig weitete er die Augen.

"Genau.", kommt es skeptisch von ihm und zieht eine Augenbraue in die Höhe.

Stolz nickte ich. "Oh ja. Sein Name ist Nate und er ist einfach so gut. In jeder Hinsicht.", spiele ich ihm etwas vor, wobei ich mir am Ende anzüglich auf die Unterlippe biss und einen verträumten Blick neben Javier vorbei warf.

"Du lügst doch!", murmelte er misstrauisch und musterte mich von Kopf bis Fuß.

Ich richtete mich wieder normal auf und schaute meinem Cousin emotionslos entgegen. "Ja.", gestehe ich gelangweilt und lasse mich neben Javier fallen.

Plötzlich zog er meinen rechten Arm zu sich und schob den Ärmel meines dünnen Pullovers hoch, die ich seit dem ich wieder Zuhause bin, immer an habe. Als ich realisierte, weshalb ich dieses Ding an hatte und meinen Arm wieder zurück ziehen wollte, war es schon wieder zu spät.

Er hatte es gesehen.

°°°

Feedback:

You saved meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt