Kapitel 95 ~ Lux patriae

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3. März 45 n. Chr.

Mit einem unterschwelligen Rauschen schlugen die Wellen sacht gegen den rauen Kieselstrand. Ein frischer Wind wehte vom Landesinneren über den Fretum Gallicum und zupfte spielerisch an seinem purpurnen Mantel, welcher Gaius als Anführer dieser Armee kennzeichnete. Flatternd schlug der Stoff gegen seine Uniform und Gaius atmete erleichtert die salzige Meeresluft ein. Wenn er die Augen schloss, konnte er sich für einen kostbaren Augenblick einreden, dass sie bei ihm war. Der Nebel war endlich verschwunden und so konnten sie den für ihre Heimfahrt günstigen Wind auch nutzen. Deutlich zeichnete sich das Licht des Leuchtturms von Gesoriacum am Horizont ab.
Das Schnauben seines Pferdes erinnerte ihn, dass er nicht allein war. Wenige Augenblicke später meinte Suetonius, dass es nun an der Zeit sei Britannien zu verlassen. In den vergangenen Monaten hatte Gaius dafür gesorgt, dass es der Bevölkerung dieser neuen römischen Provinz in den kommenden Jahren an Nichts fehlen würde. Er hatte Verträge mit den einheimischen Stämmen geschlossen, Städte gegründete, weitere Straßen geplant, die sich bereits im Bau befanden und eine Handvoll Freigelassenen auserkoren, welchen den weiteren Ausbau der Administration der Provinz beaufsichtigen sollte. Aurelia hatte ihn gewarnt, dass es schwer werden würde Britannien zu halten und er wollte auf alles vorbereitet sein.
Voller Sehnsucht blickte Gaius auf den brennenden Punkt und betete stumm, dass er seine Frau bald wieder in seine Arme schließen konnte. Die Kieselsteine knirschten unter seinen Stiefeln, als er sich in Bewegung setzte.
Elegant schwang er sich auf den Rücken seines Pferdes und trieb das Pferd an. Sobald seine Soldaten in Sicht kamen, wurde seine Haltung automatisch würdevoller. Als sie das Tor zum befestigten Lager erreichten, gab Gaius seinem Pferd ein Zeichen und das Tier verfiel in einen sanften Schritt. Seine Männer standen stramm, als er an ihnen vorbei ritt und sobald er vorüber war, schlossen sie sich seinem kleinen Gefolge an. Vor dem Praetorium hielt Gaius das Pferd an und sprang von seinem Rücken. Aus dem Schatten löste sich ein Strator und führte das Tier fort von ihm. Vermutlich würde er es im Stall rasch trocken reiben und dann auf eines der Schiffe verladen lassen.
Aus dem Praetorium trat sein Offiziersstab und nahmen Aufstellung an den ihnen fest zugewiesenen Positionen ein. Lächelnd wandte sich Gaius zu seinen wartenden Legionären um. Mit voller Absicht hatte er keinen Boten vorausgeschickt. Er wollte derjenige sein, der in die Gesichter seiner Männer, die für ihn so viel erduldet hatte, blickte und ihnen verkündete, dass die Zeiten des Krieges nun hinter ihnen lagen.
„Lasst uns nach Hause fahren!", rief er seinen Männern zu und die Armee verfiel in donnernden Applaus. Eine Weile sonnte sich Gaius in ihrem Jubel, dann hob er die Hand und schlagartig herrschte Ruhe. Mit ernster Miene gab er Hesiod ein Zeichen, welcher dafür sorgte, dass die Opfertiere zu ihm geführt wurden. Der schneeweiße Stier blinzelte träge zu ihm auf und nickte unmerklich, als würde er ihm seine Zustimmung geben. Mit ruhigen Händen ergriff Gaius das ihm dargebotene Messer und vollzog das für ihre sichere Heimreise nötige Ritual.
Sobald die Innereien des Tieres mit einem Zischen im Feuer des Altars landeten, gaben seine Offiziere die Befehle die Boote zu besteigen. Die Armee setzte sich geordnet und gleichmäßig in Bewegung.
Gemeinsam mit seinem Stab betrat Gaius seine Trireme und gab das Zeichen loszufahren. Sobald sie den Hafen hinter sich ließen, drehte Gaius sich ein letztes Mal zu dieser mystischen Insel um, für deren Eroberung er Rom vier Jahre seines Lebens geopfert hatte. Es war an der Zeit nach Hause zurückzukehren.

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