Kapitel 100 ~ Incognita II

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Aurelia ignorierte die fragenden Blicke der beiden Wachen ebenso wie Suetonius' Schmunzeln. Es hatte ewig gedauert ihre Haare wieder unter der Perücke zu verstauen und Gaius war ihr auch keine große Hilfe gewesen. Sie wollte ebenso wenig in die Stadt zurückkehren, wie er sie gehen lassen wollte. Manche Dinge änderten sich nie.
„Rufus, sorge dafür, dass sie unbemerkt das Gelände verlässt", wies Gaius einen der beiden ihr unbekannten Prätorianer an und lehnte sich lässig gegen den Türrahmen. Er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht seine Haare in Ordnung zu bringen und Aurelia musste den Blick von ihm abwenden. Wie sollte sie ihn verlassen, wenn er sie so ansah? Der pflichtbewusstere Prätorianer trat hinter sie und versuchte seine Verwirrung zu kaschieren. Insgeheim freute sie sich schon auf den Anblick der Gesichter vom pflichtbewussten und weniger pflichtbewussten Prätorianer, wenn sie erkannten, wer sich wirklich in das Zimmer ihres Princeps geschlichen hatte. Aber darauf würde sie noch einige Stunden warten müssen.
„Ach und Rufus", rief Gaius ihnen hinterher, sodass sie sich beide nach ihm umdrehten. Selbstsicher und mit verschränkten Armen blickte Gaius ihnen nach und fixierte den pflichtbewussteren Prätorianer mit diesem neuen, ernsten, fast schon königlichen Ausdruck, der ihr vorhin bereits an ihm aufgefallen war.
„Wenn ihr etwas zustößt, solange sie in deiner Obhut ist", mehr brauchte er nicht zu sagen. Ihre Blicke trafen sich und es lief ihr heiß den Rücken hinunter. Hätte er ihnen nicht den Rücken zugekehrt und wäre ohne ein weiteres Wort in seinem Zimmer verschwunden, hätte sie ihre Tarnung auffliegen lassen und sich in seine Arme geworfen. Vier Jahre, dachte sie verwirrt. Wie hatte sie nur so lange ohne ihn leben können?
Den ganzen Weg zurück zu ihrem Pferd hing sie ihren Gedanken nach und achtete kaum auf den pflichtbewussteren Prätorianer, Rufus hatte Gaius ihn genannt. Erleichtert stellte sie fest, dass der Stallbursche ihre Anweisungen befolgt hatte. Nox wieherte ihr ausgeruht und aufgeregt zugleich entgegen. Irgendwer hatte sie sogar wieder gesattelt. Liebevoll strich sie ihrer Stute über die Nüstern und als Antwort erhielt sie einen Stupser gegen ihre Handfläche. Ungeduldig scharrte die Stute mit ihren Vorderhufen. Vorsichtig führte Aurelia das Pferd am Zaumzeug aus dem Stall und hielt sich im Schatten der Bäume. Lautlos folgte Rufus. Als sie das Tor erreichten, blickte Aurelia über ihre Schulter zurück auf die Villa. Mittlerweile waren die meisten Zimmer dunkel. An einem der Fenster meinte sie die Gestalt ihres Mannes zu erkennen. Natürlich würde er sie keine Sekunde aus den Augen lassen, solange er sie noch sehen konnte. Schnell wandte sie den Blick ab und schwang sich auf ihr Pferd.
„Danke, Rufus", meinte sie sanft und schenkte ihm ein kleines Lächeln. Dann galoppierte sie auf Nox' Rücken hinaus in die klare Nacht.

Zwei Stunden später fiel sie frisch gebadet und vollkommen erschöpft auf ihr Bett. Draußen setzte bereits die Dämmerung ein, während sie in einen traumlosen Schlaf glitt.

AureliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt