Noch bevor Aurelia die Augen aufschlug, spürte sie, dass etwas nicht stimmte. Der kleine Körper, der sich an sie presste, glühte vor Fieber. Mit rasendem Herzen legte Aurelia vorsichtig auf die Stirn ihres Sohnes und unterdrückte die Tränen, die in ihr aufstiegen. Nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte, schlug sie die Augen auf und setzte sich behutsam auf. Aber sie war nicht vorsichtig genug. Nur ein kleines Stückchen verrutschte die Decke und sobald die für sie angenehm kühle Luft die Haut des Jungens traf, begann er unkontrolliert zu zittern. Schnell zupfte Aurelia die Decke zurecht und strich ihrem Sohn sanft durchs Haar.
Noch vorsichtiger als zuvor glitt sie aus dem Bett, zog einen Stuhl heran und setzte sich zu ihrem Sohn. Automatisch kontrollierte sie erneut die Temperatur seiner Stirn. Sie war viel zu heiß.
Gerade als Aurelia Hilfe holen wollte, öffnete sich die Tür und Belana betrat das Zimmer, um sie pünktlich zu wecken. Die Sklavin erkannte die Situation sofort und huschte aus dem Raum. Dankbar konzentrierte sich Aurelia auf ihren kranken Sohn.
Kurze Zeit später beugte sich Sophia über den Jungen und untersuchte ihn, ohne ihn zu wecken. Voller Sorge beobachtete Aurelia jeden Handgriff der Sklavin und analysierte deren Miene. Aber sie fand nicht die Antworten, die ihr die Angst nehmen konnten.
Plötzlich legten sich weiche Hände um ihren Körper und zogen sie in eine herzliche Umarmung. Sie erkannte das Parfum sofort. Julia. Am liebsten wäre Aurelia in Tränen ausgebrochen, aber etwas hielt sie zurück.
„Ich habe all deine Klienten heute Morgen abgewiesen mit der Begründung, dass du dich unwohl fühlen würdest", wisperte Julia ihr ins Ohr. „Aber du musst heute im Senat erscheinen, sonst werden sie anfangen Fragen stellen"
Am liebsten hätte Aurelia angefangen zu schreien. Im Moment kümmerten sie weder ihre Klienten noch die Senatoren. Für sie zählte nur ihr Sohn und sie wollte bei ihm bleiben. Aber Julia hatte recht. Sie konnte, sie durfte nicht bei ihm bleiben. Langsam löste sie sich von ihrer Schwägerin und nickte. Sie hatte verstanden.
„Geh. Ich werde bei ihm bleiben", ermutigte Julia sie und wischte ihr sanft eine Träne aus dem Augenwinkel. Gerade als Aurelia sich von ihr abwenden wollte, drückte ihr Julia eine Schriftrolle in die Hand. Ohne sie oder das Dokument eines weiteren Blickes zu würdigen, machte Aurelia auf dem Absatz kehrt und schaute ein letztes Mal auf ihren Sohn, der sie fiebrig anlächelte. Wann war er wach geworden? Wie fühlte er sich? Aber sie stellte keine dieser Fragen, die sie so sehr beschäftigten. Stattdessen flüsterte sie ihm mit bebender Stimme zu: „Ich bin bald wieder Zuhause, mein Schatz"
Schweren Herzens verließ sie den Raum. Erst im Flur erinnerte sie sich wieder an die Schriftrolle, die Julia ihr gegeben hatte. Mit einem Seufzen betrachtete sie das Dokument näher und mit einem Mal setzte ihr Herz einen Schlag aus. Julia hatte ihr einen Brief von Gaius gegeben. Kraftlos lehnte sie sich an die Wand. Mit zitternden Fingern brach sie das Siegel und entrollte langsam den Brief. Die Worte verschwammen vor ihren Augen und sie musste sich zwingen ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen. So aufgelöst konnte sie nicht im Senat erscheinen. Nach ein paar Minuten konnte sie klarsehen und begann die Worte ihres Mannes zu erfassen.Mein Herz,
in keiner Sprache wird es jemals genügend Worte geben, um das zu beschreiben, was ich fühle. Ich bin so erleichtert, dass es euch gut geht. Ich bin so stolz auf deine Stärke, deine Weitsicht und deine Leidenschaft, mit denen du jede Hürde meisterst, die das Leben dir in den Weg stellt. Ich bin stolz darauf, dass du die Mutter meiner Kinder bist. Ich bin stolz darauf mich deinen Mann nennen zu dürfen. Und glaube mir, meine Aurelia, auf dieser Welt gibt es keinen glücklicheren Mann als mich.
Ich danke dir, dass ich mich immer auf dich verlassen kann. Im Frieden und im Krieg.
Ich liebe, liebe, liebe dich
Gaius
PS. Bevor du in den Senat gehst, wird dir Prunia einen weiteren Brief überreichen. Lies ihn im Senat. Ich werde darin nicht nur den Fortschritt unseres Feldzuges erläutern, sondern Antonia als meine Tochter legitimieren. Damit solltet ihr alle in Sicherheit sein.
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Aurelia
Historical FictionIhr ganzes Leben lang hatte sie so viele Dinge über zauberhafte Städte und Orte in Italien gelesen, dass sie diese nun einfach mit eigenen Augen sehen musste. Mehr hatte sich Aurelia von ihrer Reise durch Italien nie erträumen können. Doch als sie a...