Kapitel 87 ~ Coniuratio

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Aulus Aemilius Paetus hatte es sich zur Gewohnheit gemacht nach jeder Geburt, der er beiwohnen musste, sich in das bunte Treiben der Subruba zu stürzen, um die Erlebnisse zu vergessen. Denn diese Seite seines Berufes war ihm zutiefst zuwider.
Obwohl die Geburt an sich nicht einfach gewesen war, hatte seine Patientin überlebt. Dieser Umstand würde einen gewöhnlichen Arzt freuen, aber Aulus Aemilius Paetus war kein gewöhnlicher Arzt. Zu dieser Frau war er nicht gegangen, um ihr Kind auf die Welt zu bringen, sondern um sie zu beseitigen. Denn diese Frau brachte den Staat mit ihrer widernatürlichen Art vollkommen aus dem Gleichgewicht. Die Stellung der Familie, in die sie eingeheiratet hatte, war unrömisch. Sein einziger Trost war, dass diese Frau wenigstens nicht schon wieder einen Erben für diese verdammte Familie hervorgebracht hatte. Als er das kleine Mädchen in den Armen hielt, hatte er beinahe so etwas wie Befriedigung empfunden. Anscheinend hatten die Götter Rom noch nicht ganz verlassen.
Die Suburba war bekannt für die unzähligen Arten, auf die man in ihr der Tristesse und Eintönigkeit des römischen Alltages entrinnen konnte. Aber während der Saturnalien verwandelte sich die Suburba in einen Ort, an dem auch der letzte Funken Tugend verschwand. Was Aulus Aemlius Paetus nicht wusste, war, dass in dem Haus zu seiner Linken einst derjenige des ihm so verhassten Geschlechts gelebt hatte, welcher den widernatürlichen Aufstieg seiner Familie erst ermöglicht hatte. Vermutlich hätte dieses Wissen seine Begeisterung an der Suburba getilgt.
Voller Vorfreude bog er in die schmale Gasse hinter dem Haus ein und sann in Gedanken bereits über die vielen Möglichkeiten nach, auf die er gleich Vergessen könnte. Plötzlich hielt er inne. Etwas stimmte nicht. Alarmiert sah er sich nach allen Seiten um und begriff, was ihn so irritierte. Während er noch vor wenigen Augenblicken von Menschen umgeben war, erschien ihm diese kleine Gasse nun unheimlich leer. Der vertraute Klang von Schritten drang an sein Ohr. Er war doch nicht allein.
„Gehst du mir aus dem Weg, Aulus?", wisperte eine Stimme hinter ihm und sein Inneres wurde schlagartig kalt. Wie hatte sie ihn nur so schnell gefunden? Er hatte noch keine Zeit gehabt darüber nachzudenken, wie er sich ihr nur erklären konnte.
Leicht verwundert drehte er den Kopf und blickte auf sie hinunter. Unter dem dunklen Schleier, den sie sittsam auf dem Kopf trug, blitzten nur ihre dunklen, grausamen Augen hervor. Wenn man sie so sah, könnte man sie beinahe mit einer der anständigen Ehefrauen verwechseln, zu denen er regelmäßig gerufen wurde. Aber das war sie nun wirklich nicht.
„Ich hatte viel zu tun", gab er schroff zurück und hätte am liebsten auf dem Absatz kehrt gemacht, aber ihre kleine, blasse Hand hielt ihn zurück.
„Du hast versagt", stellte sie bedrohlich leise fest. „Erneut"
Schnell sah er sich zu allen Seiten um, aber sie beiden waren immer noch die einzigen Menschen, die sich in dieser zwielichtigen Gasse aufhielten. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Diese Frau hatte ihn schon immer mit ihrer bloßen Anwesenheit in Panik versetzt und er hatte schmerzlich erfahren müssen, dass es besser war sie zufrieden zu stellen. Nur deshalb hatte er eingewilligt für sie zu arbeiten. Auch wenn natürlich die großzügige Bezahlung, die er regelmäßig von ihr erhielt, ebenfalls eine nicht unbeträchtliche Rolle in Bezug auf sein Handeln gespielt hatte.
„Dieses Mal war es nicht meine Schuld", beteuerte er mit gedämpfter Stimme und versuchte Ruhe zu Bewahren. „Niemand hat rechtzeitig auf meine Briefe geantwortet. Sie hielten es für einen Saturnalienscherz und zogen es vor mit ihren Familien das Fest weiter zu genießen. Ich habe so lange gewartet, wie ich konnte und als ich dann bei ihr war, zwang sie mich meine Hände zu waschen. Der Anschlag ist gescheitert, weil niemand seine ihm zugedachte Rolle übernehmen konnte. Wir werden einen neuen Plan ausarbeiten müssen"
Eine Weile blieb sie stumm und funkelte ihn kalt an. Früher war sie wahrscheinlich eine sehr schöne Frau gewesen, aber nach ihrem Fall war ihre Schönheit gemeinsam mit ihrem Ansehen geschmolzen. Natürlich bildete sie sich noch immer ein über Menschen wie ihm zu stehen. Aber im Gegensatz zu ihr gehörte er nicht dem Abschaum dieser Stadt an.
„Dennoch hast du versagt. Über deine Verwechslung konnte ich hinwegsehen, weil der Verlust seiner Lieblingsschwester ihn wenigstens hart getroffen hat. Auch dein Fehlen bei ihrer ersten Niederkunft konnte ich dir gerade noch verzeihen, aber jetzt hast du mir bewiesen, dass du überhaupt keinen weiteren Nutzen mehr für mich hast", hauchte sie und als er die Tragweite ihrer Worte verstand, war es bereits zu spät. Er sah nicht, wie die Klinge im schummrigen Licht der Gasse aufleuchtete, als sie den Dolch mit einer geschmeidigen Bewegung aus ihrem Ärmel zog und ihm die Klinge direkt ins Herz stieß. Es ging so schnell, dass er nicht einmal spürte, wie die Waffe tief in seine Haut eindrang. Dafür spürte er einen Schmerz in seiner Brust, den er noch nie zuvor erlebt hatte. Fassungslos starrte er auf das Blut, welches aus der Wunde strömte und er wusste, dass er verloren war. Seine Beine gaben unter ihm nach und er spürte, wie die Dunkelheit ihn zu übermannen drohte. Die boshaften Augen seiner Mörderin waren das Letzte, was er in diesem Leben sah.

AureliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt