Kapitel 33 ~ Schlechte Nachrichten

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Noch nie in seinem Leben hatte Gaius erlebt, dass eine Frau sofort abreisen konnte. Doch Aurelia und Vespasian setzten sich sofort in Bewegung und gaben ihren Sklaven und Freigelassenen Befehle. Proviant wurde eilig herbeigeschafft, die Pferde gesattelt und keine zehn Minuten später brachen sie auf. Aurelia hatte wieder ihre seltsame, barbarische Kleidung angelegt. Vespasian hatte darauf bestanden, sonst wären sie sogar noch eher abgereist.
Fasziniert musterte Gaius sie von der Seite. Sie saß stolz und aufrecht im Sattel, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan. Ihre einfache Tunika flatterte leise im Wind und wenn er ihr nicht so nah gewesen wäre, hätte er sie niemals für eine Frau gehalten. Der einfache Strohhut verdeckte ihre Augen und ihm war schleierhaft, wie sie die Fülle an Haaren darunter versteckt bekommen hatte. Diese Frau überraschte ihn immer wieder aufs Neue.
Da sie die Straßen mieden, begegnete ihnen keine Menschenseele. Im Schutz des Waldes hielten sie endlich nach einigen Stunden an, verzehrten ihren Proviant und gewährten ihren Pferden eine kurze Pause. Die ganze Zeit wich Aurelia nicht von seiner Seite ohne wirklich am Gespräch teilzunehmen. Viel zu bald erklärte Vespasian, dass sie weiterreiten mussten, sonst würden sie Rom nicht vor Einbruch der Nacht erreichen. Langsam beunruhigte Gaius Aurelias Schweigen. Irgendwann fragte er sie, was sie beschäftige. Aurelia schrak überrascht aus der Welt ihrer Gedanken auf. Betreten blickte sie ihn an.
„Ich frage mich nur, ob in Rom irgendetwas vorgefallen ist, bevor du abgereist bist“, erwiderte sie leise und Gaius überkam bei der Erinnerung an diese andere Frau erneut eine Welle aus Übelkeit. Verlegen wich er ihrem Blick aus. Dann vergewisserte er sich, dass Vespasian immer noch mit Clemens und Magnus in ein Gespräch vertieft war und sie nicht beachtete. Gaius holte tief Luft, dann begann er Aurelia erst stockend, dann immer hastiger von seinem letzten Abend in Rom zu erzählen. Nachdem die Geschichte aus ihm herausgesprudelt war, traute er sich endlich ihrem Blick zu begegnen. Dort sah er nichts als Verständnis und Liebe. Wie konnte sie ihn dafür nicht hassen? Plötzlich begann sie sanft zu lachen und Gaius wurde bewusst, dass er unwissentlich seine Gedanken laut ausgesprochen hatte. Verlegen fuhr er sich durch die Haare.
„Natürlich hasse ich dich nicht, Gaius. Zu dem Zeitpunkt waren wir ja nicht wirklich zusammen und du hast es beendet, bevor irgendetwas Gravierendes geschehen ist. Aber ich habe das ungute Gefühl, dass mehr hinter dieser Sache steckt, als wir auch nur ahnen können. Antworten bekommen wir nur in Rom“, meinte sie ruhig, lächelte ihn schief an und rief dann ihrem Vetter zu, wann sie ankommen würden. Mit einem verschmitzten Lächeln drehte er sich um und antwortete: „Bald“
Aurelia nickte und wechselte unbekümmert das Thema. Lächelnd betrachtete Gaius seine wunderschöne Verlobte. In ihrer zukünftigen Rolle als Frau des Princeps würde sie jeden begeistern ganz gleich welchen Standes.

Rom erreichten sie bei Einbruch der Dämmerung. Am Tor übernahm Vespasian das Reden, während Clemens und Gaius ihre Gesichter bewusst im Schatten hielten. So gelangten sie unbemerkt ins pulsierende Herz seines Reiches.
„Zum Palast?“, erkundigte sich Clemens leise, doch Gaius schüttelte den Kopf.
„Nein, der Brief kam von meiner Großmutter. Wir müssen zuerst zu ihr“, gab er leise zurück. Seine Begleiter stimmten ihm leise zu, Aurelia nickte nur schweigend. Ihre Stimme hätte ihre Tarnung innerhalb der Stadtmauern zunichte gemacht. Hier lauerten überall zu viele neugierige Ohren und Augen. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie die Villa seiner Großmutter Antonia.
Rasch saßen sie ab und Gaius klopfte gegen das Portal. Nach einer gefühlten Ewigkeit schwang die schwere Tür leise auf und das vertraute Gesicht von Pallas tauchte im Schein einer Öllampe auf. Sobald er sie erkannte, sah sich der Sklave unauffällig auf der Straße um, dann winkte er sie eilig ins Haus. Vor Müdigkeit wäre Aurelia beinahe über die Schwelle gestolpert, doch Vespasian packte rechtzeitig ihren Arm. Dankbar nickte sie ihm zu.
Im Atrium erschien zeitgleich mit ihnen seine Großmutter, die den Göttern dankte, als ihr Blick auf Gaius fiel. Als wäre eine große Last von ihren Schultern gefallen, kam sie auf ihn zu und schlang glücklich die Arme um seinen Hals. Verwirrt erwiderte er ihre Umarmung. Dann schob er sie sanft von sich und fragte sie, was denn geschehen sei, während er fort war.
„Nicht jetzt, mein lieber Junge“, sagte sie bestimmt. „Wascht euch erst einmal den Schmutz der Straße ab, dann reden wir“
Sie nickte Pallas knapp zu, dann rauschte sie aus dem Atrium. Vermutlich in die Küche, um ihnen eine Stärkung zubereiten zu lassen. Zögernd nahm Aurelia den albernen Hut ab und ihr zu einem einfachen Zopf geflochtenes Haar fiel herab. Pallas zog überrascht die Luft ein und sie schenkte dem Sklaven ein entschuldigendes Lächeln, dessen Miene wieder so undurchdringlich wie immer geworden war. Ungerührt führte er sie in einen anderen Abschnitt des Bads, damit sie sich ungestört von jeglicher männlicher Gesellschaft frisch machen konnte. Bevor sie aus Gaius‘ Blickfeld verschwand, zwinkerte sie ihm keck zu.

Eine halbe Stunde später lagen sie frisch, in neuer Kleidung und halb verhungert im Triclinum seiner Großmutter, als endlich das Essen aufgetischt wurde. Gaius' Magen knurrte und er bediente sich. Die Gespräche drehten sich hauptsächlich um Vespasians Landgut in Cosa und zu seiner Überraschung unterhielt sich seine Großmutter hauptsächlich mit Aurelia.
„Da du nun wieder in Rom bist, hast du vielleicht bereits einen Heiratskandidaten ins Auge gefasst oder darf ich dir bei der Suche behilflich sein?“, fragte seine Großmutter so plötzlich, dass sich Aurelia an ihrem Bissen verschluckte. Prustend setzt sie sich aufrechter hin, Tränen traten ihr in die Augen und sie trank hastig einen Schluck Wasser. Hilfesuchend blickte sie ihn an.
„Avia“, sagte Gaius leise und die dunklen Augen seiner Großmutter ruhten sofort auf ihm. „Ich werde Aurelia heiraten“
Auf dem Gesicht seiner Großmutter zeigte sich ein überraschtes Lächeln. Ihr Blick huschte kurz zu Aurelia, dann begann sie auch schon ihr Kreuzverhör über die anstehende Hochzeit. Natürlich wollte sie einen Staatsakt daraus machen. Gaius hörte nur mit halbem Ohr hin. Jetzt waren andere Dinge wichtiger als das Aufgebot an Tänzern und Musikern für den Brautzug.
„Erklärst du mir jetzt bitte, warum du mich ohne jede Erklärung nach Rom zurück gerufen hast?“, unterbrach er ihre Tagträume. Forschend musterte Antonia seine Verlobte. Um einen neutralen Ton bemüht erzählte sie ihnen von seiner angeordneten Durchsuchung der Kammer, von dem Giftfund und dem von Drusilla vereitelte Fluchtversuch der Hure, die man daraufhin heimlich in den Kerker unter der Stadtvilla seiner Großmutter in eine Zelle gesperrt hatte.
„Sie weigert sich zu reden“, seufzte seine Großmutter. „Ich habe ihr bereits alle Werkzeuge gezeigt, die mir für die Folter zur Verfügung stehen, doch sie hat nur stumm vor sich hin gestarrt. Ich wollte ihre Befragung nicht ohne dich fortführen“
Nachdenklich nickte er.
„Aber unter Schmerzen würde sie doch alles sagen, was man von ihr verlangt“, warf Aurelia ein und alle blickten sie überrascht an. Noch nie hatte einer von ihnen die Methode der Folter angezweifelt. Bemüht höflich erkundigte sich seine Großmutter, was Aurelia denn vorschwebe. Nachdenklich stand Aurelia auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen, während sie fieberhaft nach einer Lösung suchte. Die Stille wurde nur durch Aurelias Schritte zerrissen. Plötzlich blieb sie wie vom Donner gerührt stehen, drehte sich ruckartig zu ihm um und er versank in ihren meerblauen Augen.
„Wer würde am meisten von deinem Tod profitieren?“, fragte sie nüchtern. Gaius zuckte nur die Achseln, während seine Großmutter sich ebenfalls erhob und Vespasian kalt Gemellus nannte. Doch Aurelia schüttelte den Kopf. Seine Großmutter und seine Verlobte starrten sich lange an, dann riss seine Großmutter plötzlich entsetzt die Augen auf.
„Macro“, flüsterte sie und der Name hing wie ein Damoklesschwert über ihnen. Vespasians Gesicht verfinsterte sich, Clemens sah aus als wäre er überall lieber als hier, Aurelia nickte und Gaius schüttelte nur gereizt den Kopf.
„Ich habe Macro und seiner Garde genügend bezahlt, um mir ihre Loyalität zu sichern“, erwiderte er lässig. Aurelia begann hysterisch zu lachen und kniete sich vor ihm nieder, sodass ihre Augen auf gleicher Höhe waren. Langsam wurde sie wieder ernst.
„Glaubst du wirklich, Macro dient einem anderen Menschen als sich selbst?“, fragte sie ihn eindringlich und Gaius überlegte fieberhaft, doch das Essen, seine Müdigkeit und Aurelias lieblicher Duft, der ihm in die Nase stieg, vernebelten seine Gedanken. Zögerlich hockte sich seine Großmutter neben Aurelia und ergriff seine Hand.
„Vielleicht schweigt unsere Gefangene, weil sie Angst vor denen hat, die sie für ihr Verbrechen bezahlt haben“, warf seine Großmutter ein und Aurelia nickte. Bedrückt schloss Gaius die Augen.
„Ohne Beweise kann ich nicht gegen Gemellus vorgehen und schon gar nicht gegen Macro. Immerhin ist er der Präfekt meiner Prätorianer“, meinte er müde. „Morgen früh werden wir uns unsere Antworten von dieser Hure holen“
Ein Kleid rauschte sacht, als ihre Trägerin sich erhob.
„Wie wäre es, wenn ich diese Beweise besorge?“, ertönte Aurelias Stimme leise und Gaius riss ruckartig die Augen auf. Der Ausdruck auf ihrem hübschen Gesicht gefiel ihm ganz und gar nicht. Patzig wollte er wissen, wie sie das anstellen wollte. Ihre Lippen verzogen sich zu einem feinen Lächeln.
„Vielleicht vertraut sie sich ja einer fremden Sklavin an, die ihr Schicksal teilt“, erwiderte Aurelia ruhig und ihr exotischer Akzent färbte jedes ihrer Worte, während sie entschlossen die Haarnadeln aus ihrer Frisur zog, achtlos jedes Kleidungsstück ihres Standes entfernte, ihren Siegelring abstreifte und ihn Gaius lässig zuwarf, der ihn träge fing. Seine Großmutter musterte die junge Frau fasziniert. Mit einem hungrigen Lächeln auf dem Gesicht nickte sie Gaius bestätigend zu. Doch er wusste selbst, dass er wirklich eine gute Wahl getroffen hatte.

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