Kapitel 52 ~ Supersunt

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Noch im Schutze der Morgendämmerung war es ihnen gelungen unbemerkt den immer noch benommenen Macro in genau die Zelle im Carcer zu werfen, in die Macros Vorgänger Sejanus Gaius' älteren Bruder Drusus Caesar gesteckt hatte. Noch immer wunderte sich Gaius, wie leicht er die Prätorianer hatte überzeugen können ihre Treue auf ihn zu übertragen und sich von Macro abzuwenden. Natürlich war Gaius bereit gewesen ihnen weit mehr zu zahlen - vor allem, um Aurelia vor Macros Intrigen zu beschützen. Doch wie nach Plan hatte Gaius Clemens sofort als nächsten Präfekten einsetzen können.
Mittlerweile war die erste Stunde des Tages angebrochen und ihre Uniformen lösten bei seinen Untertanen eine seltsame Mischung aus Faszination und Ehrfurcht aus. So wichen sie respektvoll vor ihnen zurück, doch konnten sie ihre Blicke nicht von den Reitern abwenden, die sich ihren Weg durch die Menge direkt zum Palast des Princeps bahnten.
Endlich erreichten sie das massive Eingangsportal und Gaius schwang sich elegant aus dem Sattel. Mittlerweile müssten alle Frauen wieder in ihrem eigenen Zuhause sein, die vergangene Nacht den Kult der Bona Dea in seinem Haus gefeiert hatten. Ohne sich nach seinen Begleitern umzusehen schritt Gaius ins Atrium und wollte gerade die Treppe zu seinen privaten Gemächern erklimmen, als Clemens' Ruf ihn zurückhielt.
„Princeps, was sollen wir mit ihm machen?", fragte Clemens und Gaius blickte freudlos zu dem Häufchen Elend namens Gemellus, den die Prätorianer mehr ins Haus trugen als führten. Den ganzen Heimweg hatte Gaius immer wieder darüber nachgedacht, was er mit Gemellus eigentlich anstellen sollte. Dies war der einzige Punkt, in dem seine Großmutter und Aurelia nicht einer Meinung gewesen waren. Die Erste war überzeugt, dass man die Gefahr, die immerzu von Gemellus ausgehen würde, jetzt eliminieren müsste. Aurelia hingegen war gnädiger und wollte den Jungen nur lebenslang in die Verbannung schicken. Doch was wollte er? Wollte er Gemellus Tod? Nein. Wollte er Gemellus in die Verbannung schicken, nur damit dieser in ein paar Jahren stärker denn je zurückkehren und ihn erneut herausfordern konnte? Nein. Wollte er Gemellus den Luxus zugestehen heute in seinem eigenen Bett schlafen zu können? Nein.
„Bringt ihn in eine der unteren Zellen", befahl Gaius. Clemens salutierte und gab seinen Männern ein Zeichen, die den widerstandslosen Gemellus in die entgegengesetzte Richtung davon brachten.
Gaius seufzte tief und atmete den vertrauten Geruch von Salbei und Weihrauch, vermischt mit etwas anderem ein. Doch bevor sein müdes Hirn die letzte Zutat richtig benannte, verbannte er diese Gedanken aus seinem Kopf. Dieser Geruch gehörte zur Bona Dea und ihrem männerexklodierenden Kult. Es stand ihm nicht zu zu wissen, womit ein Haus für das Ritual gesäubert werden musste.
Rasch erklomm er die Stufen und lief auf direktem Wege zu seinen Gemächern. Sein Zuhause war gespenstig ruhig. Vermutlich schliefen alle Frauen bereits, nachdem sie die ganze Nacht wach geblieben waren. Die übrigen Männer waren wahrscheinlich noch nicht aus dem Haus seiner Großmutter zurückgekehrt.
Behutsam drückte er die Klinke zu seinen privaten Gemächern herunter, schlüpfte leise hinein und mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür hinter ihm. Während er seinen Helm absetzte, überlegte er, wie er geräuschlos zu der schlafenden Aurelia ins Bett schleichen konnte, als er zu seiner Rechten eine Bewegung ausmachte. Dann prallte auch schon ein vertrauter Körper gegen seinen, zwei himmlische Schenkel umschlossen seine Hüfte, während sich zwei zarte Arme um seinen Hals schlangen. Ihr berauschender Duft hüllte ihn ein wie eine warme Decke, belebte ihn und er konnte sich zum ersten Mal wirklich entspannen, seit er das Haus am Morgen zuvor verlassen hatte. Ihre meerblauen Augen funkelten trotz der dunklen Schatten unter ihnen glücklich auf ihn herab. Aus Gewohnheit legte er seine Arme um sie und presste sie enger an sich. Sofort legten sich ihre Lippen leidenschaftlich auf seinen Mund. Blinzelnd schloss er die Augen und genoss ihren berauschenden Geschmack, während er die Welt um sie vergaß. Viel zu früh beendete sie ihren Kuss und blickte ihm tief in die Augen.
„Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist", hauchte sie und ihr glückliches Lächeln erwärmte sein Herz. Wortlos zog er sie in einen weiteren Kuss. Der Druck ihrer Schenkel verstärkte sich um seine Hüfte und ohne ihren Kuss zu unterbrechen, trug er sie vorsichtig zu ihrem geräumigen Bett und ließ sich rücklings auf die Matratze sinken. Aurelia lachte leise gegen seine Lippen.
„Was ist so amüsant, mein Herz?", wollte er wissen und sie strich ihm sanft über die Schultern. Verlegen brachte sie einen kleinen Abstand zwischen ihre Münder. Zärtlich strich er ihr eine goldene Haarsträhne aus dem Gesicht und seine Hand vergrub sich in ihrem dichten Haar.
„Ich bin nur glücklich", murmelte sie leise. „Und du siehst wirklich verdammt gut in so einer Uniform aus"
„Ach findest du?", neckte er sie liebevoll und ihr Lachen erfüllte den Raum.
„Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich genau weiß, dass sich unter diesem Metall wirklich solch beeindruckende Muskeln befinden und sie nicht nur trügerische Zierde sind", gab sie zurück und er stimmte aus ganzem Herzen in ihr Lachen ein.
„Wenn du dies meiner gewöhnlichen Kleidung vorziehst, kann ich in unseren Gemächern immer einen Brustpanzer tragen", fuhr er eine Spur ernster fort und zu seiner Erleichterung schüttelte Aurelia den Kopf.
„Ich ziehe es vor, wenn du in unseren Gemächern gar keine Kleidung tragen würdest", entgegnete sie feierlich und er zog ihre Kopf mit seiner Hand näher zu sich.
„Worauf wartest du dann noch?", raunte er zurück und sein Körper reagierte sofort, als sie ihn in einen weiteren leidenschaftlichen Kuss zog.

„Woher wusstest du, dass unser Plan gelungen war?", fragte er leise und sie hob überrascht den Kopf von seiner nackten Brust. Ihre Blicke begegneten sich und ihr Gesichtsausdruck wurde weich. Sie beugte sich vor, um eine Hand auf seine Wange zu legen.
„Du bist wohlbehalten zu mir zurückgekommen, Gaius", erwiderte sie sanft. „Wäre etwas schief gegangen, wären wir bereits beide tot"
Bevor er etwas erwidern konnte, bedeckte sie mit ihrer anderen Hand ihren Mund und dämpfte ihr Gähnen. Diese Angewohnheit hatte er schon oft bei ihr beobachtete und noch nie in Frage gestellt. Doch nachdem sie ihm einmal aufgefallen war und er immer wieder in die unappetitlich verzogenen Schlunde seiner gähnenden Mitmenschen hatte blicken müssen, erschien ihm Aurelias Angewohnheit unbeschreiblich kultiviert. Im Stillen nahm er sich vor, diese Angewohnheit von ihr zu übernehmen. Vielleicht würden es ihnen mit der Zeit immer mehr Menschen gleich tun.
„Du solltest schlafen, meine Liebste", meinte Gaius und legte seine Arme schützend um ihren herrlich nackten Körper. „Du hast eine lange Nacht hinter dir"
„Du auch", flüsterte sie müde zurück, ließ ihren Kopf zurück auf seine Brust sinken, flatternd schlossen sich ihre Lider und im nächsten Moment war sie auch schon in einen sanften Schlaf gefallen. Glücklich hauchte Gaius ihr einen federleichten Kuss aufs Haar und dachte über ihre Antwort nach. Es stimmte. Wäre irgendetwas schief gegangen, hätte man erst ihn und kurz darauf sie getötet. Ihn, weil er sterben musste, damit Macro sein Ziel erreichen konnte und sie, weil Macro das Risiko eines Erbens, der sich eines Tages für die Ermordung seines Vaters rächen und seinen Platz im Staat einfordern könnte, niemals eingegangen wäre.
Im Schlaf kuschelte sie sich enger an ihn und vertrieb unbewusst die düsteren Gedanken, die seinen Geist wach hielten. All ihre Pläne waren so weit aufgegangen. Sie lebten und waren zusammen. Nichts anders war für ihn in diesem Moment noch von Belang. Lächelnd schloss Gaius die Augen und driftete ebenfalls in einen friedlichen Schlaf.

AureliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt