23. Dämmerung

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Dämmerung

„Ne, ich finde, das klingt alles schon sehr schlüssig. Und wenn seine Motivation klar ist... ich meine, so was macht man ja nicht einfach aus ner Laune heraus."

„Mhm." Felix nickte nachdenklich und schaute auf sein MacBook. „Ick denk mal, das werd ich im Nachhinein erklären. Dann kommt das überraschender."

„Klingt doch gut." Marie nahm einen Schluck Wasser und achtete darauf, dass sie das Glas an die exakt selbe Stelle zurückstellte, denn der große Esstisch war übersät mit Papieren. Felix hatte ihr erklärt, dass er seine Notizen ausgedruckt hatte, weil er auf dem Monitor nicht so leicht zwischen den Notizen hin- und herspringen konnte und so den Überblick verlor. Als sie gekommen war, hatte sie sich über das Chaos gewundert. Aber Felix hatte ihr mithilfe der Papiere und seiner Dateien nach und nach erklärt, was er sich bisher überlegt hatte. Letztlich hatte sich ein recht stimmiges und auch überzeugendes Bild ergeben.

„Und was meinste insgesamt? Zu wirre Story? Zu absurd?"

„Ne, überhaupt nicht. Ist schon krass. Und ehrlich gesagt – man merkt mal wieder einiges über dein Leben in Berlin, vermute ich mal. Wobei ich für dich hoffe, dass du mit so Gestalten nicht allzu oft das Vergnügen hattest."

Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. „Hab schon mal was mitbekommen. Wenn ich nicht die Kurve gekriegt hätte... na ja, habe ich aber wohl."

„Zum Glück." Langsam wurde es etwas unbequem auf dem Stuhl. Sie änderte ihre Sitzposition, indem sie ihr rechtes Bein hochzog und sich halb darauf setzte.

Felix tippte was in sein MacBook, räusperte sich und sah konzentriert auf den Bildschirm. Marie nutzte die Gelegenheit, um ihn ungestört zu beobachten. Seine Stirn legte sich ab und an in Falten. Die Ärmel seines schwarzen Pullis hatte er hochgekrempelt. Nicht zum ersten Mal fiel ihr sein Tattoo am rechten Handgelenk auf. Drei Ziffern mit einem Doppelpunkt dazwischen. Eine Uhrzeit? Oder irgendein Hip-Hop-Insider oder was mit Berlin? Er biss sich auf die Unterlippe. Offenbar war das bei ihm wirklich ein Tick ohne spezielle Bedeutung.

„Okay", sagte er schließlich gedehnt. „Ick glaub, ick hab meine Gedanken sortiert. Und endlich nen Plan. Danke." Er grinste sie an.

Marie schüttelte stirnrunzelnd den Kopf. „Weiß gar nicht, was du hattest. Der Plan stand doch. Hast ihn mir nur vorgetragen. Eins a geplottet."

„Na ja, vor ein paar Tagen sah das noch anders aus. Ehrlich gesagt habe ich mich erst daran gesetzt und meinen Arsch hochgekriegt, nachdem ich das mit dir ausgemacht hatte. Manchmal brauch ick echt so'n bisschen Druck. Deadline. Wäre mir peinlich gewesen, wenn ich dir gar nix hätte zeigen können. Und auf einmal... hat sich alles wie von selbst gefügt."

„Na, ist doch gut", sagte Marie. „Hab auch kein Problem damit, überflüssig zu sein."

„Warste ja eben nicht. War ganz gut so."

„Hm." Marie klaubte einen imaginären Fussel von ihrem Oversize-Pulli. „Wenn du nix gehabt hättest, hätte ich dir ne Fristverlängerung gewährt."

„Bist du nicht gerne die strenge Lehrerin?"

„Lehrerin? Ne, wenn schon, dann die strenge Bibliothekarin."

„Wie ist die denn so?" Er schaute sie interessiert an und verschränkte die Arme.

Marie zog ihre Brille herunter auf die Nasenspitze. „Musst dir mich nur noch mit Bleistiftrock und gestärkter weißer Bluse vorstellen."

„Kein Problem." Er grinste, während er sich zur Seite lehnte, um sie von oben bis unten mustern zu können.

Marie räusperte sich übertrieben. War nicht nötig, dass er zu genau hinschaute. Ihre Beine waren zwar recht ordentlich trainiert, sodass sie die Leggins gut tragen konnte, aber sie war froh, dass der lange Pulli ihren Hintern bedeckte. „Du sollst es dir vorstellen. Glotzen bringt nichts."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt