11. Inkomplett

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Inkomplett


Marie nahm ein Glas selbstgemachter Brombeermarmelade und öffnete es. Sie gab ein Drittel des Inhalts in eine kleine Keramikschüssel und stellte diese in die Mikrowelle.

„Kann ich dir irgendwie helfen?"

„Beim Plätzchenbacken?" Marie merkte, dass es überheblicher klang als beabsichtigt. „Na ja, du... wirkst nicht so begeistert von der Weihnachtsstimmung. Willst du wirklich?"

„Hab schlecht geschlafen", sagte Felix vage. „Außerdem habe ich durchaus Erfahrungen im Weihnachtskeks-Business."

„Ach echt?"

„Haben letztes Jahr sogar ein Video gedreht dazu. Wettbacken sozusagen. Hast du wohl auch nicht gesehen, oder?"

„Nein." Marie tat es fast ein bisschen leid. Als die Mikrowelle piepste, nahm sie die Schüssel Brombeermarmelade heraus und stellte die nächste, mit Aprikosenmarmelade gefüllte, hinein. „Okay, warte." Sie holte die inzwischen abgekühlten Linzer Sterne aus dem Nebenzimmer und stellte das Blech vor Felix auf den Tisch. „Die müssen gefüllt werden. Immer ein Klecks Marmelade drauf und..."

„... und dann ein anderes Plätzchen obendrauf, eins mit nem Loch. Das krieg ich hin."

„Hände waschen nicht vergessen."

„Schon klar, Hygienestandards." Er stand auf, wusch sich die Hände am Küchenbecken und goss sich die Kaffeetasse nochmals voll, ehe er sich wieder setzte.

Marie war erst skeptisch, beschloss aber, es einfach hinzunehmen, selbst wenn die Plätzchen nachher nicht perfekt aussehen würden. Sie nahm die abgewogenen Zutaten für die nächste Fuhre und schüttete sie auf die leere Hälfte des Küchentischs, schlug ein Ei obendrauf und begann zu kneten.

„Soll ick die noch dekorieren? Hast du Glitzer da oder so was?"

Marie schaute ihn ungläubig an. „Glitzer?"

„Ja, oder Streusel oder so. Halt zum schön bunt machen."

„Die sind auch so schön", erklärte Marie. „Und vor allem schmecken sie nachher."

„Okay. Ähm, aber ich glaube nicht, dass das, was du da machst, noch nen ordentlichen Plätzchenteig gibt."

„Na, warte mal ab." Marie knetete ruhig weiter. Sie wusste, dass es bei diesem Rezept immer eine ganze Weile dauerte, bis sich die Zutaten richtig verbanden. Der durch den Kakao braune Teig klebte momentan noch mehr an ihren Fingern als zusammen.

„Hast du eigentlich die Fotos gesehen, die ich auf Instagram gepostet hatte? Die von dir, meine ich."

Marie schaute zu ihm rüber und erkannte inzwischen doch wieder recht wache Augen, die sie aufmerksam musterten. „Ja, habe ich. Habe sie sogar gelikt. Aber unter den tausenden anderen ist das sicher untergegangen." Sie grinste.

„Du meinst wohl zehntausende. Ich glaube, es waren sogar über hunderttausend."

„Ich schätze, das ist ziemlich gut."

„Beeindruckt dich aber nicht weiter, oder?"

„Sollte es?"

„Ne."

„Finde es aber beeindruckend, dass du sehr sauber arbeitest." Sie deutete mit dem Kinn auf die ersten Linzer Sterne, die er zusammengesetzte hatte.

„Danke." Er schaute kritisch anerkennend auf seine Werke. „Ich bin echt talentiert."

„Nebenan ist noch ein zweites Blech mit Rohlingen. Die dann bitte mit der Aprikosenmarmelade füllen, wenn du fertig bist."

„Zu Befehl."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt