22. Möchtegern

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Möchtegern


„Willst du keinen Kaffee?", bemerkte er, als er sich auf die Schlafcouch gesetzt hatte.

„Ne." Marie schüttelte den Kopf. „Hab gerade genug Puls... ähm, also... bin seit gestern irgendwie eh ein bisschen aufgedreht." Flüchtig schaute sie auf den Tisch. Die Fotos lagen etwas anders als vorhin. Felix war wohl neugierig gewesen. Aber es war ja nichts Schlimmes daran – für ihn hatten die Fotos, die Personen und Orte darauf schließlich keinerlei Bedeutung.

„Wegen der Lautstärke? Hast du nicht schlafen können oder war..."

Marie sah ihn an, als er nicht weiterredete. „Ne, war schon okay, hab ich doch gesagt. Hab ein bisschen feministischen Alternative Rock dagegengesetzt und der Bass war wirklich gut." Sie setzte sich ans andere Ende des Sofas und zog die Beine hoch.

Er beugte sich nach vorne, um seine Kaffeetasse auf dem Beistelltisch abzustellen. Dann räusperte er sich und rieb sich mit der Hand über die gerunzelte Stirn. „Ich dachte, na ja, das gestern mit Jamil..."

„Jamil?" Marie brauchte einen Moment, bis sie verstanden hatte. „Ach so... ja." Irgendwie hatte sie diese Situation ein wenig verdrängt. Sie war überlagert worden von größeren und wichtigeren Dingen und Emotionen.

„Ich hatte das nicht direkt mitbekommen. Julian aber. Also, Jamil hat irgendnen Spruch gebracht und..."

„Wollte mich höflich zur Party einladen", ergänzte Marie, die glaubte zu bemerken, dass Felix sich mit irgendwas schwertat.

„Ne, laut Julian hat der gesagt, dass er was ganz anderes will." Felix klang so ernst, seine Miene war so finster, dass Marie spürte, wie irgendwas in ihrem Magen anfing kalt zu brennen.

„Mhm", brachte sie tonlos hervor.

„Tut mir leid." Er wirkte ehrlich geknickt, konnte sie aber nicht ansehen.

Marie nahm es ziemlich mit, ihn so zu sehen. „Da kannst du doch nichts dafür." Sie verstand ihn nicht so ganz.

„Ich will nicht, dass sich jemand so eklig verhält", sagte er und schaute sie an, allerdings nur kurz. „Gerade gegenüber... Frauen."

„Na ja, aber das passiert eben", sagte Marie, weil sie wusste, dass es genau so war. „Und... ja, der Typ schien mir eben einfach ein Arschloch zu sein."

„Bin mit einigen Arschlöchern befreundet, schätze ich. Manchmal bin ich selbst eins."

Marie lächelte, als er sie ansah. „Ist doch gut, dass du das immerhin weißt."

Er nickte. „Also alles in Ordnung?"

„In Bezug auf diesen Möchtegernrapper? Ja, alles in Ordnung."

Felix grinste, lehnte sich zurück, sichtlich entspannter. „Möchtegern, ja? Du hast echt keine Ahnung, oder? Also, du kennst Jamil echt nicht?"

„Sollte ich?"

„Ick sach ma so: Das Möchtegern kannste streichen. Is'n waschechter Rapper."

„Ach so", sagte Marie langgezogen und grinste Felix an. „Also dann hat er sich völlig dem Bild entsprechend verhalten, das ich von einem Rapper habe. Aber die Begegnung wird mich nicht dazu veranlassen, eine Platte von ihm zu kaufen."

„Du verpasst nichts. Hat zwei, drei gute Tracks rausgehauen, aber is schon länger her."

„Ist leider völlig an mir vorbeigegangen."

„Deutschrap ist echt nicht so deins, wa?"

„Aber deins."

Er nickte. „Schon. Nicht nur deutscher Rap, allgemein Hip-Hop. Drake... kennste den zumindest?"

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt