83. Solange

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Solange

Marie wechselte von der Kobra in den hinabschauenden Hund. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Alles, was sie wahrnahm, war etwas dezentes Vogelgezwitscher draußen vor der geöffneten Balkontür. Sie richtete sich auf, streckte sich gen Himmel und beugte sich danach tief Richtung Erde. Anschließend legte sie sich mit dem Rücken auf die Yogamatte und atmete einige Male bewusst ein und aus, ehe sie in den Schulterstand ging. Dann ließ sie die Beine wieder sinken, streckte sie lang aus und reckte den Oberkörper in Richtung ihrer Füße. Diese Position entspannte sie immer am meisten. Zum Abschluss ging sie in den Lotossitz, legte ihre Hände mit den geöffneten Handflächen nach oben auf ihre Knie, schloss die Augen und schaffte es endlich, an nichts mehr zu denken. Bis sie ein Geräusch wahrnahm. Einatmen, ausatmen. Sie hörte ihn im Flur. Vermutlich sollte sie die Sache besser abkürzen. Allzu genau nahm sie es mit gewissen Ritualen beim Yoga ohnehin nicht. Aber sie wollte gerade einfach noch so sitzen bleiben, so lange es ging. Sie öffnete die Augen und legte die Hände vor der Brust flach gegeneinander. Sie merkte, wie Felix von links in ihr Sichtfeld trat. Sie lächelte. „Morgen."

„Morgen." Er lächelte ebenfalls, als sie ihn ansah. „Wollte dich nicht stören."

„Is okay", versicherte Marie ihm. „War eh fertig jetzt." Sie entknotete ihre Beine und hatte auf einmal Felix' einladende Hand vor sich. Sie nahm sie und er half ihr hoch. „Danke", sagte sie artig. „Auch wenn's nicht nötig gewesen wäre."

„Ey, da is man einmal höflich, ja?" Er grinste kopfschüttelnd.

„Ich weiß das ja auch zu schätzen."

Sie merkte, wie er sie musterte. „Sorry, dass ich gestern einfach eingeschlafen bin." Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

„Äh... du warst erst nach Mitternacht hier."

„Ja, scheiß Stau", brummte er genervt.

„Ist doch kein Wunder, dass du dann müde bist. Und ehrlich gesagt – für mich war es ja auch spät."

„Ja, hatte schon befürchtet, dass du diesmal wirklich schon schläfst."

„Wusste ja, dass du noch kommst."

„Hm." Er nickte. „Dann können wir den Tag ja nutzen."

„Klar. Solange du noch in Köln bist." Marie unterdrückte einen kurzen Anflug von Bedauern darüber, dass es bald wieder vorbei sein würde.

„Na ja, heute Nacht lief ja nichts mehr. Dann könnten wir ja jetzt..." Er grinste sie an.

„Man könnte meinen, du bist nur deswegen gekommen." Marie verschränkte die Arme und sah ihn mit schief geneigtem Kopf an.

„Na, warum denn sonst?", fragte er frei heraus.

Es gab Marie einen kleinen Stich. Wenn sie so etwas sagte, musste sie auch mit solch einer Reaktion leben. Aber ihre innere Ruhe war zum Glück noch ausgeprägt. Lass es sein, Marie. Es ist was es ist: Sex. Es ist gut so. Und zumindest ist er ehrlich. Ja, warum sonst sollte er hier sein? Wohl kaum, weil man mit ihr so viel unternehmen konnte. Aber Sex konnten sie haben. Und sie hatten Spaß dabei. Das war doch ne ganze Menge. „Okay." Sie nickte. „Na dann möchte ich dich nicht enttäuschen. Lieber hier direkt auf der Yogamatte oder sollen wir zurück ins Bett oder..."

Er griff nach ihrem Arm und unterbrach sie so. Sein Blick war prüfend, aber Marie hielt ihm stand und lächelte. „Also... ich geh erst mal ins Bad", sagte er. „Hab gestern ja noch nicht mal mehr geduscht. Und dann lassen wir uns was einfallen, ja?"

„Okay, ich schreib in der Zwischenzeit schon mal ein paar Ideen auf."

„Da bin ich gespannt." Er ließ sie los, lächelte und ging Richtung Flur. Marie sah ihm nach. In der Tür blieb er stehen und drehte sich noch mal um. Er sah sie an. „Ey, das vorhin war nicht so gemeint, klar? Ich bin nicht nur deswegen hier. Nicht nur. Ick, ähm... bin gern bei dir." Marie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. „Na gut, und in dir", schob er hinterher und grinste sie an.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt