78. Drei

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Drei

Als sie den Park verließen, fühlte Marie noch immer eine gewisse Anspannung im ganzen Körper, so als müsste sie sich vor irgendwas in Acht nehmen. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht, hatte Felix gesagt. So fühlte sie sich im Grunde ziemlich oft. Sie setzte die Sonnenbrille wieder auf, damit man ihr ihre Gedanken nicht allzu direkt ansehen konnte. Sie schwiegen, so als ob sie sich beide erst einmal an leicht geänderte Umstände gewöhnen müssten. Sie lernten sich besser kennen, er hatte recht. Das ist nicht automatisch was Schlechtes, Marie. Aber es muss eben auch nichts Gutes dabei herauskommen. Ach, Shit...

Obwohl es mittlerweile später Nachmittag war, waren die Straßen leerer als vor zwei Stunden, als sie beide von der Wohnung aufgebrochen waren. Offenbar waren die Leute nicht gewillt, ihren Feierabend auf der Straße zu verbringen. Marie konnte das gut nachvollziehen. Mehr und mehr wich die Hitze einer drückenden Schwüle. Es wehte kein Lüftchen und Marie meinte, den Smog riechen zu können. Wieder mal ein Tag, den sie besser woanders verbracht hätte. Irgendwo, wo es mehr Grün als Grau gab. Aber eigentlich war der Tag ja gut gestartet. Sie schaute kurz zu Felix, der neben ihr lief, eine Hand lässig in die Hosentasche gesteckt, den Blick weit nach vorne gerichtet. Alles in allem hätte das hier ein guter Tag werden können. Nur die letzte Stunde hätten sie sich sparen können. Vermutlich hatte sie mit ihren Ängsten und ihrer anstrengenden Art jetzt doch wieder alles kaputtgemacht. Ach, fuck...

„Jetzt am Strand zu sein wäre schon schöner", sagte er plötzlich.

„Mhm." Sie bogen in ihre Straße ein.

„Einfach am Meer entlanglaufen, wenn's zu heiß ist kurz ins Wasser, bisschen rumtollen... machste mit?"

„Rumtollen?" Sie sah ihn an.

„Ja." Er grinste. „Ick brauch immer'n bisschen Action im Urlaub. Oder bist du so jemand, der einfach in der Sonne liegt?"

„Ne." Marie schüttelte den Kopf. „Aber Rumtollen klingt nach nem jungen Hund."

„Etwa so bin ick am Strand, ja. Also was is? Kommste mit?" Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an.

Marie biss sich auf die Unterlippe. Das war nur so eine verrückte Idee, das war klar. Aber warum sollte man nicht mal ein bisschen herumspinnen? „Klar." Sie lächelte leicht. „Ich werf dann einfach ab und zu nen Ball, den du apportieren kannst, okay?"

Er grinste breit. „So kannste mich sicher beschäftigen, ja."


Als sie zurück in die Wohnung kamen, war es im Vergleich zu draußen angenehm. Marie hatte sämtliche Rollläden heruntergelassen, ehe sie gegangen waren. Jetzt zog sie sie als Erstes wieder ein wenig hoch, weil sie es albern gefunden hätte, um diese Zeit in der Wohnung das Licht anzumachen. Sie kam vom Schlafzimmer zurück in den Flur, als Felix sie mit einem etwas verunsichert wirkenden „Hey!" aufhielt.

Sie blieb stehen und sah ihn an. „Was?"

Er trat nah an sie heran. Marie konnte im Halbdunklen seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. „Ist alles okay?", fragte er.

Marie atmete durch. „Weiß nicht", sagte sie. „Aber ich denke, es wird schon wieder besser." Sie sah, wie Felix beinahe zögernd beide Arme hob. Er legte die Hände an ihre Schultern. Das machte Marie erst wieder bewusst, dass sie immer noch angespannt war. Sie lockerte sich. Felix schien das zu merken und kam ihr näher, um sie behutsam zu umarmen. Marie legte ebenfalls die Arme um ihn. Es dauerte eine Weile, bis sie sich fester hielten und nicht mehr so, als seien sie aus Glas.

Felix streichelte ihren Rücken. „Kann ich irgendwas machen, damit es schneller wieder besser wird?"

Irgendwie war Marie das gerade fast schon zu viel. Diese Sanftheit und das Verständnisvolle. So als sei er Schuld daran, dass es gerade ein bisschen komisch war zwischen ihnen. Dabei lag das ja eher an ihrer verkorksten Art. „Nein", sagte sie. „Ist schon gut so." Sie löste sich aus der Umarmung. „Viel zu heiß, muss mal ins Bad", murmelte sie, wandte sich ab und verschwand.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt