57. Zurück

1K 36 8
                                    

Zurück

Es war bereits beinahe Mitternacht, als Lucia und Marie sich alleine auf den Heimweg machten. Sie hörten noch eine ganze Weile die Stimmen, während sie sich von der Wiese entfernten. Meist war der Baumbestand nicht sehr dicht, und so sahen sie im Dämmerlicht noch genug. Nur ab und an mussten sie sich mit der Taschenlampe behelfen, die Mormor Anni ihnen aufgenötigt hatte, ehe sie selbst die Gelegenheit genutzt hatte, mit ihren Nachbarn im Auto zurückzufahren.

„Ojdå! Hoffentlich begegnet uns hier kein Bär", kicherte Lucia.

„Ein Elch wäre wohl wahrscheinlicher."

„Der käme mir gerade sehr gelegen. Dann könnte ich nach Hause reiten."

„Weiß nicht, ob der Elch damit einverstanden wäre." Marie lachte.

Lucia gähnte und stolperte. „Huch!"

„Pass auf! Also ich trag dich nicht, wenn du dir die Beine brichst."

„Ne, keine Sorge." Lucia schüttelte sich. „Bin nur müde."

„Mhm, ich auch." Maries Augen fühlten sich träge an, obwohl die nun bereits abgekühlte Luft ihr gut tat und sie wieder wacher war als vorhin auf der Festwiese. Zum Schluss war es ihr schwergefallen, den Unterhaltungen zu folgen.

„War aber schön, oder?" Lucia wandte sich ihr kurz zu, ehe sie sich wieder darauf konzentrierte, nicht über irgendeine Wurzel zu stolpern. „Bin echt stolz auf dich, dass du durchgehalten hast."

Marie seufzte. „Ja, ich auch. Waren aber auch alle echt anständig."

Lucia zog quietschend die Luft durch die Vorderzähne ein. „Wer weiß, vielleicht lassen die jetzt noch die Sau raus, wo wir weg sind."

„Ist mir egal. Sollen sie machen." Marie atmete tief durch. Natürlich waren im Laufe des Abends ein paar Gestalten auffällig geworden. Ein paar Jugendliche, ein paar mittelalte Männer, die vermutlich Alkohol getrunken hatten und ein bisschen zu laut geworden waren. Aber da war genug Abstand gewesen. Und Marie hatte nie das Gefühl gehabt, dass sie irgendwer seltsam anschaute oder dass sie irgendwie nicht willkommen war. Nein, es war durchaus erträglich gewesen. Und mehr als das. „Es war echt schön. So...ja...idyllisch." Sie musste die Augen verdrehen.

„Du klingst schon wieder leicht zynisch, liebe Marie."

„Bin zu müde, um zynisch zu sein. Aber gut...ein Idyll ist ja im Grunde auch nichts Reales. Es ist etwas, was eine Situation verklärt, gewissermaßen."

„Pff. Man merkt, dass du nichts getrunken hast. Sonst wärst du nicht mehr zu solchen Gedanken in der Lage."

„Ach komm, du hattest auch nur einen Fingerhut von diesem Beerenlikör."

„Stimmt, bin nüchtern."

„Aber gut, ich korrigiere: Es war schön. Und idyllisch. Punkt. Geradezu pittoresk. Ich meine, schau uns mal an." Marie drehte sich einmal kurz um sich selbst.

„Tja. Das ist der Trick dabei: Jede Frau wird zum Mädchen, wenn sie ein hübsches Kleid trägt, Blumen im Haar hat und das Wetter schön ist."

„Klar, dann kommen die Bullerbü-Vibes von ganz alleine."

„Schlimm?"

„Ne. Aber du weißt ja, dass ich so vom Typ her eher mal in ner Höhle im Wald übernachten oder Pfefferkuchen auf dem Boden ausstechen würde."

Lucia nickte. „Das machen wir dann beim nächsten Besuch, ja?"

„Auf jeden Fall."


Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt