105. Orientierung

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Orientierung

„Ist mir jetzt ein bisschen unangenehm, aber... also wo sind wir hier eigentlich?", fragte Marie, während Felix den Mercedes in einem Hinterhof parkte.

Er räusperte sich, löste den Gurt und öffnete die Tür. „Gut, dass du fragst." Er stieg aus und Marie tat es ihm gleich. Er sah sie über das Autodach hinweg an. „Dit hier is Berlin."

„Haha", machte Marie und ließ die Tür zufallen.

„Schöneberg", sagte er lächelnd. „Willste ne Stadtführung haben?"

„Ne." Marie schüttelte den Kopf. „Also nicht hier jedenfalls."

„Neukölln vielleicht? Die Sonne-und-Beton-Tour? Erinnerst du dich?"

„Stimmt." Marie lächelte. Das war bei ihrem letzten Besuch mal geplant gewesen. Aber da war ihnen ja etwas dazwischengekommen. Sie schaute an dem Gebäude hoch, das sie bereits vorgestern besucht hatten. Felix' Firma, sein Büro, sein Studio. Wie vorgestern war sie ein wenig aufgeregt. Aber diesmal wollte sie sich zumindest grob orientieren können, wo sie sich befanden.

„Neukölln planen wir für morgen ein." Er schloss das Auto per Fernbedienung zu. „Wollte sowieso da vorbei."


„Danke noch mal, ja? Echt, hast einen gut bei mir", sagte Felix.

„Ah, gerne, Mann." Maxim hob die Schultern. „Das wird auf jeden Fall richtig nice. Schick dir spätestens Dienstag dann noch die andere Fassung zu. Hab vor Montag leider keine Zeit, sonst..."

„Das reicht dicke", versicherte Felix ihm und die beiden verabschiedeten sich in der geöffneten Tür mit Handschlag.

„Yo, dann tschau."

„Tschö." Felix nickte ihm zu.

„Tschö", verabschiedete Maxim sich mit einer vagen Handbewegung in den Raum von den anderen Anwesenden.

„Tschüs", sagte Julian, der den Laptop gerade zuklappte.

„Tschüs", wiederholte Marie leise und sah, wie die Tür ins Schloss fiel. Sie fuhr fort, Gläser und Flaschen einzusammeln. Bis vor einer halben Stunde waren auch Kinan, Daniel und Esther noch hier gewesen. Maxim, ein schon länger mit Felix befreundeter Videoeditor, war gekommen, um, nach Felix' Aussage „zu retten, was zu retten war". Marie hatte nicht viel von dem verstanden, was heute Nachmittag hier vorgegangen war. In endloser Wiederholung hatten sie alle sich Ausschnitte der Live-Aufnahmen angeschaut. Meistens hatte Felix dann gesagt, wie er sich das Ganze vorstellte und Maxim hatte genickt oder weitere Möglichkeiten aufgezeigt. Die anderen Crew-Mitglieder waren größtenteils ziemlich wortkarg geblieben und hatten nur bei ihren jeweiligen Parts von ihrem Veto-Recht Gebrauch gemacht. Zuerst hatte Marie die Situation etwas skeptisch betrachtet. Man hätte meinen können, dass Felix die anderen bevormundete. Aber er hatte sie alle doch nach ihren Einschätzungen gefragt. Letztlich war es wohl eher so, dass die anderen ihm vertrauten und auf seine Erfahrung und sein Gespür setzten. Insgesamt war alles ziemlich harmonisch verlaufen, gerade im Vergleich zum letzten Mal.

„Die Spülmaschine stellen wir an, wenn wir nächste Woche hier sind. Kannst die Sachen einfach reinstellen", sagte Julian.

„Okay." Marie räumte das Geschirr ein, sortierte die Flaschen in die entsprechenden Kisten und schaute sich um. Sie las noch ein paar Kronkorken und kleine Plastikschnipsel auf und warf sie in den Müll. Soweit schien alles in Ordnung.

„Kümmerste dich am Montag dann um die Angebote?", hörte sie Felix im Nebenraum fragen.

„Ne. Hab mir ja wohl och mal nen freien Tag verdient, oder?"

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt