33. Abgefuckt

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Abgefuckt


„Wie bitte?" Marie war stehen geblieben. Sie schaute in Richtung des Wasserbeckens, auf dem im Dunkel die Lichter der Laternen reflektierten und zitterten. Aber sie sah nicht wirklich hin. In ihrem Kopf stieg eine Erinnerung auf, ein Bild, eine Szene.

„Ähm...also eventuell hast du mich zu einem Bit inspiriert", sagte Felix. „Na ja... Leute in meinem Umfeld müssen ziemlich oft dafür herhalten."

Marie hörte ihm zu. Er stand neben ihr, aber sie konnte ihn jetzt nicht ansehen, sonst wäre der kleine Zipfel Erinnerung, an dem sie gerade zerrte, direkt wieder weg.

„Hoffe, du verstehst das nicht falsch", sagte er.

„Weirde neue Nachbarin", murmelte Marie. „Psycho... irgendwas mit Psycho?"

„Was?", fragte er, beinahe tonlos.

Marie drehte sich zu ihm um und schaute ihn an. Irgendwie wirkte er fahl, aber das mochte an den Lichtverhältnissen liegen. „Und irgendwas mit... entweder die Polizei rufen, weil sie so psycho ist oder...irgendwas...irgendwas mit...geil?" Sie erinnerte sich, wie sie in seiner Wohnung gestanden hatte, die Worte auf Papier. Sie wusste nur nicht, warum sie es ausgeblendet hatte. Vielleicht hatte sie sich einfach nicht damit beschäftigen wollen. Und jener Abend hatte genügend andere Komplikationen bereitgehalten, die dieses kurze Erlebnis schnell überdeckt hatten.

„Boah, shit", murmelte er. „Also... ich hätte das eigentlich nicht gemacht, ohne vorher mit dir... aber vor ein paar Wochen habe ich das mal so ansatzweise in ner Open-Mic-Show probiert. War noch nicht fertig. Scheiße, hat das wer auf Youtube gestellt? Achte da eigentlich immer drauf, aber... Egal, fuck, tut mir leid."

„Ähm", sagte Marie langsam. Sie verstand nicht ganz, was da gerade lief. „Also... nein, ich habe kein Video gesehen. Aber...als ich bei dir war. Also, als wir über dein Buch geredet haben und es nachher Bolognese gab – vielleicht sollte ich auch meine glorreiche Panikattacke erwähnen, die hast du sicher nicht vergessen – also an dem Abend habe ich was gelesen. War keine Absicht, da lagen Zettel, irgendwas fiel runter, ich habe einen Blick drauf geworfen. Hab's aber nicht zu Ende gelesen. Offensichtlich habe ich aber ein Gedächtnis wie ein Elefant. Weirde neue Nachbarin – das stand da. Sorry, wollte nicht rumspionieren oder so."

„Ey, ich bin echt..." Er fasste sich an die Stirn. „Hätte das nicht machen sollen. Aber das war einfach zu gut. Aber... ich muss dir dazu was erklären. Mann, und ich bin echt froh, dass ich das heute Abend nicht gebracht habe. War nämlich erst der Plan. Vor allem, als ich dachte, dass du nicht kommst, und... Mann!" Er fuhr sich durch die Haare, die Augen groß.

Marie sah ihn an und konnte gar nicht mehr aufhören, in kleinen Bewegungen den Kopf zu schütteln. „Ich kapier gerade gar nix mehr."

„Ich weiß echt nicht...warum ich damit angefangen habe. Mann!" Auf seiner Stirn bildete sich ein verärgertes Faltenmeer.

„Kannst du mir mal erklären, was los ist? Bitte in einfachen Worten, ja? Wie gesagt: Ich kapier's gerade nicht."

„Sorry, aber..." Er musterte sie aufmerksam. „Du hast das echt nicht ganz gelesen, oder?"

„Nein."

„Okay." Er nickte. „Also, weil, ich denke, das solltest du nicht ohne Vorwarnung sehen... oder auch nur lesen, weil..."

Als er nicht weiterredete, schaute Marie ihn leicht genervt an. „Weil es darin um mich geht? Ja, danke, so viel habe ich auch schon kapiert."

„Ja, schon, auch", druckste er herum.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt