10. Grinch

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Grinch


„Mann, das darf doch jetzt nicht wahr sein!" Verärgert legte Marie die Tüte auf die Waage, nahm sie wieder herunter, schaute in ihre Notizen. „Echt jetzt?"

Sie hatte sich verrechnet. Sie war gut vorbereitet gewesen, hatte alles geplant, die letzte Woche über Einkäufe gemacht. Und dann das. Sollte sie etwa darauf verzichten? Nein, das ging nicht. Aber sie wollte sich jetzt auch nicht ärgern. Kein Stress, Marie. Notfalls backst du den Rest morgen. Allerdings hatte sie morgen schon was anderes vor. Und übermorgen wollte sie nach Hause fahren.

Denk nach, Marie.

It's beginning to look a lot like christmas, everywhere you go...

Sie summte die Melodie mit. Nein, alles gut. Es machte nichts, wenn mal etwas nicht perfekt lief. Irgendwie würde sich schon eine Lösung finden. Sie würde jetzt doch nicht wegen dieser einen Sache...aber sie musste das Berliner...Hm!

Eilig wischte sie sich die Hände an der Schürze ab und nahm das Smartphone von der Fensterbank. Sie zögerte. Trau dich, Marie. Was soll schon passieren? Für noch bekloppter als jetzt kann er dich ja nicht halten.

Marie: Du hast nicht zufälligerweise noch 55g Mandeln da, oder?

Sie legte das Smartphone wieder weg. Eigentlich hätte sie es komplizierter gemacht, mit Begrüßung, so tun, als ob sie nicht wüsste, ob er da sei, vorsichtiger Erklärung ihrer Situation. Aber warum sollte sie sich die Mühe machen? Und sie sah, dass der weiße Mercedes noch da stand, wo Felix ihn am Abend geparkt hatte.

But the prettiest sight to see, is the holly that will be on your own front door...

Sie summte weiter, als ihr Alarm ging und sie daran erinnerte, die Linzer Sterne aus dem Ofen zu holen. Sie überprüfte den Bräunungsgrad, war zufrieden und holte das Blech heraus. Drüben im Arbeits- und Wohnzimmer hatte sie zusätzlich Platz geschaffen und legte das Gebäck zum Auskühlen ab.

Es klingelte. Okay, damit hätte sie nur bedingt gerechnet. Als sie in den Flur ging und sich eilig die Backhandschuhe auszog, klopfte es ungeduldig an der Tür. „Bevor du mir wieder ne Nachricht schreibst: Ja, ick bin's", tönte eine dumpfe Stimme.

Marie grinste, als sie die Tür öffnete. „Es ist helllichter Tag, da traue ich mich auch, einfach so die Tür zu öffnen. Ähm... hey!"

„Hi", erwiderte er lässig, die Augen etwas müde. „55 Gramm, ja?"

„50 reichen vielleicht auch."

„Na dann ist ja gut."

Sie ließ ihn in die Wohnung und beobachtete einigermaßen überrascht, dass er sich die Schuhe auszog, ehe er wie selbstverständlich in die Küche schlurfte und dort eine kleine Tüte auf den Tisch legte. „Mann, wat veranstaltest du denn hier?"

Marie war ihm gefolgt „Wonach sieht's denn aus?"

Statt der Küche musterte er nun Marie, die Hände in die Taschen seiner Jogginghose gesteckt. Unwillkürlich schob sie sich die Brille hoch, die sie heute statt der Kontaktlinsen trug. Sein Blick blieb an ihrer grün-rosa-blau gemusterten, altmodischen Schürze hängen.

Marie legte die Handschuhe beiseite. „Ist keine Drogenküche, falls du das denken solltest."

„Ne, denke ich nicht. Es sei denn, es gibt neuerdings Mandelkoks."

„Kein Koks, nur Mehl." Sie wischte etwas von dem weißen Pulver von ihrem Handrücken.

„Da hast du auch was." Felix deutete auf ihre Nase.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt