75. Wollen

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Wollen

„Schmeckt's dir nicht?" Marie sah ihr Gegenüber aufmerksam an, die Gabel leer in der Hand haltend.

„Doch." Er schaute ihr in die Augen und schüttelte dann kurz den Kopf, so als müsse er einen Gedanken vertreiben. „Doch, schmeckt richtig gut." Er lächelte, ehe er seinen Blick auf den Teller richtete und weiteraß.

Marie war leidlich beruhigt. Sie selbst mochte das Gericht, aber sie wusste ja nicht, ob es seinen Geschmack traf. Sie kochte ohnehin zu selten für andere Leute. Früher war das häufiger vorgekommen.

Ein paar Minuten später waren sie beide fertig. Aber Marie war noch nicht nach Aufstehen und Abräumen zu Mute. Sie fühlte sich gerade ein wenig faul. Und gleichzeitig war sie so froh darüber, dass Felix da war, dass sie das Gefühl hatte, ständig ein dämliches Grinsen auf den Lippen zu tragen.

„Oh Mann", sagte Felix. Es klang ein wenig genervt.

Marie merkte, wie sie die Schultern anspannte. „Stimmt irgendwas nicht?" Sie hörte, wie kleinlaut das klang und ärgerte sich über sich selbst.

„Na, samma..." Er sah sie an, wobei es einen Moment dauerte, bis sein Blick nach oben, zu ihren Augen fand. „Du trägst keinen BH, wie soll ick da entspannt essen? Ich meine, ich weiß genau, wie deine Titten sich anfühlen. Ständig muss ick auf dein Shirt schauen und ich erkenn, was darunter is."

Als er grinste, wurde Marie klar, dass er nicht wirklich genervt war. Eher etwas unruhig. Wohl auf die gleiche Weise wie sie. „Hättest ja sagen können, dass dich das stört, oder... ablenkt. Fand's halt bequem so. Und ich dachte, wir haben ja eben erst, also...dachte nicht, dass dich das so reizt."

„Weiß auch nicht, was mit mir los ist, ey." Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn.

„Soll ich mir lieber wieder was... na ja, drunterziehen?"

„Ne." Er lachte.

„Was drüberziehen?"

„Ne."

„Mich ausziehen?"

Er öffnete den Mund, stoppte sich aber offenbar selbst und schüttelte den Kopf. „Später. Und im Übrigen kannst du aus- oder anziehen, was du willst."

„Ähm... danke?"

„Bitte." Er seufzte. „Mann, irgendwie... fühl mich gerade wie'n Teenager."

„Mhm." Marie wusste, was er meinte. „Na ja, aber zum Glück sind wir ja vernunftbegabte Erwachsene." Sie stand auf. „Daher schlage ich vor, dass wir jetzt die Küche aufräumen. Ich verspreche dir auch, ich gebe mein Möglichstes, um zu verhindern, dass dabei mein T-Shirt nass wird."

„Oh, bitte, ja." Felix zog die Brauen hoch. „Das halte ich jetzt nicht auch noch aus."


Als er, nachdem sie alles gespült, getrocknet und weggeräumt hatten, ins Bad ging, stand Marie einen Moment vor dem Spiegel im Flur. Sie hatte nie so ganz verstanden, was Männer an Brüsten fanden. Vielleicht war es nur die Faszination für das, was sie selbst nicht hatten.

Sie ging ins Wohnzimmer und zur geöffneten Balkontür. Tief einatmend lehnte sie sich an die Türzarge und schaute hinaus. Weiter weg waren Menschen auf einer Terrasse zu erkennen, die offenbar grillten. Irgendwo war noch jemand mit einem lauten, motorisierten Gerät zugange.

„Soll'n wa uns raussetzen?"

Marie erschrak. Sie hatte ihn nicht kommen hören. „Ist nich so gemütlich", wandte sie ein, als sie sich umdrehte. „Nicht viel Platz."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt