28. Blauer Himmel

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Blauer Himmel

Felix startete den Motor und steuerte den Mercedes geschmeidig durch die Betongassen der Tiefgarage. Ohne allzu auffällig zu sein, betrachtete Marie das Innere des Wagens. Alles glatt und edel, leicht überdimensioniert und mit allerhand elektronischem Spielzeug ausgerüstet. Nicht ganz das, was sie gewohnt war. Der Sitz war bequem. Fast zu bequem. Marie versank darin und kam sich winzig vor. Vermutlich wäre die schiere Größe des Autos aber schon ein guter Vorteil bei einem Unfall. Nein, besser nicht dran denken. Fuck! Zu spät. Sie räusperte sich. „Du hast nichts getrunken, oder? Also, ich denke ja nicht, dass..."

„Was?", fragte er und lachte kurz auf. „Fahr ick Schlangenlinien oder was?"

„Ne, schon gut", sagte Marie kleinlaut und ärgerte sich über sich selbst.

„Ich trink nicht, wenn ich fahre. Oder andersum. Häng irgendwie an meinem Führerschein." Er grinste.

„Schon gut. War nicht ganz ernst gemeint."

Felix blickte kurz prüfend Richtung Marie, ehe er die Auffahrt nahm und den Mercedes aus der Tiefgarage manövrierte.

Marie atmete durch, als sie das Tageslicht sah. Sie streckte die Beine lang aus.

„Wie im Taxi, wa?" Er lächelte, als sie ihn ansah.

„Keine Ahnung. Bin noch nie Taxi gefahren. Aber ist schon ne Menge Platz da. Und es ist schon irgendwie nett, nen Chauffeur zu haben."

„Ick schmeiß mal den Taxameter an."

„Gut, dann aber bitte keine Umwege. Ich merke das."

Er lachte. „Nicht wirklich, oder? Ich könnte dich jetzt vermutlich über Rudow und Spandau nach Wedding fahren, und du würdest dit nich merken."

„Da könntest du recht haben", räumte Marie ein. Sie schaute aus dem Seitenfenster. Alles wirkte weit und voll und einfach großstädtisch. Anders als die Kölner Innenstadt, aber nicht weniger abschreckend. Allerdings war immerhin der Himmel blau und man konnte ihn sogar sehen, ohne sich den Hals zu verrenken. Der Himmel über Berlin. Marie dachte an den Film, den sie vor ein paar Wochen gesehen hatte. Aber das war ein anderes Berlin gewesen, eines von vor über dreißig Jahren. Berlin veränderte sich schnell. Vermutlich hatten sich selbst die Ecken, die sie vor zehn Jahren hier besucht hatte, bereits verändert.

Felix räusperte sich. „Ick würde dir ja die große Touri-Tour geben. Brandenburger Tor und der janze Quatsch. Aber das würde schon ne Weile dauern."

„Interessiert mich auch nicht so", sagte Marie. „Vielleicht mache ich am Samstag ein bisschen Sightseeing. Hm... Gibt es eigentlich schon ne Buchtour zu Sonne und Beton?", fragte sie scherzhaft. „So wie ne Movietour zu Drehorten, meine ich."

„Ne." Er rieb sich über die Nase und stoppte den Wagen an einer Ampel. „Obwohl vielleicht kommt einer auf die Idee, wenn der Film rauskommt."

Sonne und Beton wird verfilmt?"

Er schnaubte und sah sie belustigt an. „Du bekommst echt gar nichts mit, oder? Der Film ist schon längst abgedreht."

Marie kniff die Lippen kurz zusammen. „Sorry, hab wohl den Newsletter verpasst."

„Den großen Felix-Lobrecht-Newsletter." Als die Ampel auf Grün sprang, ließ er den Mercedes sanft anrollen. „Weiß nicht, ob die Gegend so das Richtige ist für dich."

„Neukölln meinst du?"

Er nickte. „Gropiusstadt und so. Is schon noch immer fies irgendwie."

„Du meinst, das könnte mich nachhaltig verstören?"

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt