114. Geburtstag

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Geburtstag

Marie wachte auf, aber sie war noch viel zu müde, das spürte sie direkt. Aber irgendwas war gewesen. Widerwillig öffnete sie die Augen. Es war dunkel. Wirklich dunkel. Sie gewöhnte sich nach ein paar Sekunden daran, nutzte das bisschen Licht, das doch von den Fenstern herkam und erkannte Felix' Umrisse vor dem Bett stehend, oder erahnte sie vielmehr. Sie hatte schon gespürt, dass er nicht neben ihr gelegen hatte. „Was ist?", murmelte sie verschlafen, die Stimme nicht viel mehr als ein Rauschen.

„Nichts, schlaf weiter!", flüsterte er zurück.

Marie drehte sich zur Seite, entschlossen, seiner Empfehlung zu folgen. Sie hörte die Tür. Vermutlich musste er aufs Klo. Kurz wurde es etwas heller, dann wieder dunkel. Marie fischte blind nach ihrem Smartphone auf dem Nachttisch und betätigte den On-Schalter. Kurz nach zwei. Sie schaute auf das Datum. „Alles Gute zum Geburtstag, Marie", murmelte sie, ehe sie das Smartphone wieder weglegte und sich in eine angenehme Schlafposition kuschelte.


Es war eindeutig heller, als sie das nächste Mal aufwachte. Felix schnarchte leise neben ihr. Marie stand auf und schlich in den Flur. Hier war es wieder dunkler. Die Tür zum Wohnbereich war offen, aber Felix hatte gestern die Rollläden dort runtergelassen. Marie tastete sich zum Bad vor und machte erst darin das Licht an. Ihre Augen fühlten sich geschwollen an. Sie benutzte die Toilette, wusch sich die Hände, schaute in den Spiegel. Gut. Es war nicht so, dass sie jetzt schlagartig anfangen musste, Antifaltencreme zu benutzen. Sie wusch sich das Gesicht, putzte sich die Zähne. Ihre Frisur sah ziemlich mitgenommen aus. Sie löste den Zopf. Sie war dreißig. Na ja, in ein paar Stunden erst, wenn man es genau nehmen wollte. Sie wollte nicht. Es war egal. Sie kämmte sich die Haare und begann, sie wieder zu flechten. War da gerade ein Geräusch gewesen? Die Tür zum Schlafzimmer? Vielleicht war sie doch nicht leise genug gewesen. Sie sollte sich beeilen, falls Felix ins Bad wollte. Da war zwar noch ein kleines Gäste-WC, aber das hatte Felix selbst mal als „lächerlich" bezeichnet. Marie band das Ende ihres Zopfes mit einem Haargummi fest, schaute noch einmal in den Spiegel und verließ das Bad dann. Das Licht im Flur war aus. Vielleicht hatte sie sich geirrt. Sie ging ins Wohnzimmer, machte das Licht an. Viel zu hell. Und vor allem viel zu künstlich. Sie ging zur den Fenstern, suchte nach dem Schalter für die elektrischen Rollläden. Sie war sich nicht ganz sicher, wie das ging. Zu viele Schalter. Sie drückte auf einen, nichts rührte sich. Sie erinnerte sich an das surrende Geräusch am Abend zuvor. Vielleicht würde das Felix wecken. Und irgendwie... sie war noch müde. Warum sollte sie den Tag jetzt schon starten? Noch ein bisschen zu dösen konnte ja nicht schaden. Sie schlich zurück ins Schlafzimmer. Felix schlief, den Geräuschen seiner Atmung nach. Vermutlich hatte sie sich vorhin wirklich getäuscht. Sie schlüpfte zurück ins Bett, ganz langsam, ganz leise, legte sich auf den Rücken und atmete ein, atmete aus. Bald war sie wieder eingeschlafen.


Sie war müde, so müde. Manchmal schaffte sie es, sich müde zu schlafen, wirklich. Aber sie war wach, irgendwie. Komm schon, Marie, das bringt doch nichts. Gleich ist der ganze Tag rum. Sie öffnete ein Auge, dann das andere, drehte sich auf die Seite. Es war schon heller, sie erkannte alles, auch wenn es irgendwie wie in einem Schwarzweißfilm aussah.

„Morgen", kam es von Felix. Er saß aufrecht im Bett und lächelte sie an.

„Morgen", erwiderte Marie und gähnte.

„Bleibst du noch liegen? Ich beeil mich im Bad."

„Mhm."

Erst als er gegangen war, erinnerte Marie sich wieder daran, dass sie ja schon mal aufgestanden und im Bad gewesen war. Sie drehte sich um, nahm ihr Smartphone. Halb elf. Das ging ja noch. Ihr Handy war im Flugmodus. Das würde sie auch besser so belassen. Sie legte es wieder weg, richtete sich auf, streckte und reckte sich, stand auf, trat ans Fenster und zog die Rollläden ein Stück hoch. Gut. Die hier funktionierten. Sie bewegte ihren Körper einmal durch, von den Zehenspitzen bis in den Nacken, dehnte sich, drehte sich. Das tat gut. Sie leerte das Wasserglas, das sie am Abend auf den Nachttisch gestellt hatte und suchte dann Kleidung aus ihrer Tasche zusammen. Felix kam zurück. „Bad ist frei."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt