17. Zwölftausend

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Zwölftausend


„Hast du vielleicht doch so eine Virgin Mary für mich?" Felix grinste sie über den Küchentisch hinweg an, lässig auf den Stuhl gefläzt. „Mit ordentlich Tabasco?"

„Mhm." Sie stand auf und bereitete zwei Drinks. Ihren mit wenig, seinen mit viel Würze.

„Wie war denn die Familienfeier?"

Marie sah ihn mit gerunzelter Stirn an. „Wie?" Ihr fiel es wieder ein. „Ähm... ja, gut. Spontane Verlobungsfeier." Sie fand es seltsam, dass er sich daran noch erinnerte. Es war doch nur ein kurzer Chat vor ein paar Wochen gewesen.

„Dachte, es wäre ne Ausrede."

„Wieso?" Marie fühlt sich getroffen. Vielleicht gerade, weil sie eventuell wirklich nach einer Ausrede gesucht hätte, wenn ihr René nicht die perfekte geliefert hätte.

Felix schüttelte den Kopf. „Ne, schon gut. Ich meine... Hatte an dem Wochenende auch ne Show hier in Köln. Aber ich weiß ja jetzt, dass das nichts für dich ist. So in der Menge."

„Ich habe davon gelesen", sagte Marie, den Fokus von sich selbst und ihrer Phobie weglenkend. „Da stand was, im Anzeiger, glaube ich."

Er nahm einen Schluck seiner Virgin Mary und sah sie dann an. „Jetzt biste doch zum Stalker geworden, wa?"

„Dein Gesicht grinste unübersehbar breit... auf der Rückseite der Lokalnachrichten. Bist echt fotogen – das muss man dir lassen. Fast schon James Dean-Vibes."

„Yo, alles auf der Straße gelernt. Neukölln!"

„Wie viele Shows hast du jetzt schon gehabt, also dieses Jahr?", fragte Marie, die sich weder an das wahnsinnig attraktive Foto erinnern, noch die in Fleisch und Blut ihr gegenüber sitzende Variante allzu lange ungestört anschauen wollte.

„Waren schon dreizehn... oder vierzehn?" Er nickte langsam und auf seinem Gesicht erschien ein fast schon verklärtes Lächeln.

„Das ist echt dein Ding, oder?"

„Ja, is einfach geil."

„Wieso?"

Er stieß die Luft zwischen den Vorderzähnen durch. „Einfach auf der Bühne zu stehen und zu merken, wie alles funktioniert. Perfektes Timing, die Leute reagieren genauso, wie es geplant ist. Und dann Lachen, Applaus. Das ist einfach..." Er schüttelte den Kopf, schaute ins Leere und sein Lächeln war selig. „Das Beste. Gibt nichts Geileres...außer Sex vielleicht. Obwohl, ne, auch nicht." Er lachte.

„Funktioniert natürlich nur mit Massen", sagte sie nachdenklich.

„Redest du jetzt von Gruppensex?"

Marie verdrehte die Augen. „Ich meine, dein Gefühl auf der Bühne. Du meintest ja mal, du willst nicht vor nur ein paar Leuten auftreten. Nicht mehr, denke ich mal. Du bist jetzt mehr gewohnt. Und da willst du immer mehr, oder?"

Er zuckte mit den Schultern. „Benz World in Berlin und 'n paar andere Arenen. Das hätte mal fast geklappt. Wäre das größte gewesen. Werd ick aber definitiv noch durchziehen. Zumindest in der Benz World."

„Kann mir darunter nichts vorstellen. Ist das wie die Köln-Arena?"

„Die ist noch ein bisschen größer. Aber kommt schon hin."

„Wow, echt riesig. Ist ewig her, dass ich mal da war. Aber da fühlst du dich ja schon im Publikum wie ne Ameise. Und dann auf der Bühne... Also als Musiker, okay. Aber als Comedian? Ganz allein?"

Felix grinste. „Is schon 'n großes Ding, klar."

Beeindruckt nickte Marie.

„Und das Beste daran: Also, was ich daran echt geil fände, wenn ich in der Benz World auftrete..." Er richtete sich auf, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, mit den Händen gestikulierend, die Augen leuchtend. „Dit wäre quasi direkt bei mir um die Ecke. Is in Berlin-Friedrichshain. Ick könnte da ufftreten vor zwölftausend Leuten, die größte Show meines Lebens abliefern und danach – wenn ick Bock hätte – einfach zu Fuß nach Hause laufen. Durch die Straßen. Meine Stadt." Er lachte.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt