82. Tinder-Date

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Tinder-Date

„Aber warum können wir denn jetzt nicht an die Playsi?"

Marie hielt sich mit Mühe davon ab, die Augen genervt zu verdrehen und schaute den Zwölfjährigen vor sich stattdessen einfach mit ernster Miene an. „Fynn, das haben wir eben schon geklärt: Ihr seid hier, um einen Trickfilm zu drehen. Und gleich muss das alles fertig sein. Die Playstation ist jetzt aus."

„Mann!" Er stampfte mit dem Fuß auf.

Oh ja, das Leben war so unfair. Marie unterdrückte ein Lachen. „Haben Miran und du schon das Filmplakat ausgedruckt?"

„Nnnein. Is doch egal! Ich will lieber Minecraft!"

„Wäre aber doch schade, wenn dein Name nachher nicht auf dem Plakat steht, oder?"

„Hä? Wieso?"

„Na, schau lieber mal, ob die auch dran denken. Nachher schreiben die noch Fynn mit i oder so."

„Oh Mann!" Seine Augen weiteten sich und ohne ein weiteres Wort stürmte er davon in Richtung der Workshop-Leiterin, die an einem Computer saß, umringt von den anderen Trickfilmern in Ausbildung.

Marie seufzte und packte den letzten Pizzakarton auf den Buchwagen. Wie eine hungrige Meute waren die Jungs und Mädels vorhin über die Essenslieferung hergefallen.

„Kann ich an die Playsi?"

Marie erkannte schon bevor sie sich umdrehte die Stimme. Marcels Interpretation eines genervten Frühpubertären war gar nicht so schlecht. „Nein", sagte sie und rollte diesmal wirklich mit den Augen. „Kein Spaß für niemanden heute."

„Och Menno!" Marcel grinste.

„So ist das Leben." Marie nahm eine Serviette und wischte sich die Finger ab. Irgendwo musste noch etwas Tomatensauce geklebt haben. Langsam bekam sie auch Hunger.

„Du bist echt gnadenlos."

„Irgendwie muss ich mich ja durchsetzen." Es fiel Marie tatsächlich oft genug schwer, mit den Teenagern und Kindern streng umzugehen. Ganz schlimm wurde es, wenn sie größer waren als sie, was in Fynns Fall vermutlich spätestens in einem halben Jahr der Fall sein dürfte. Sie sollte noch mal an ihrem strengen Blick arbeiten.

„Der Beamer funktioniert jetzt übrigens. Lag am Kabel."

Marie atmete aus. „Ah, sehr gut."

„Ja, läuft doch alles." Marcel grinste. „Ganz entspannt heute Abend."

„Mhm." Marie sah an ihm vorbei, da sich Lea näherte.

„Bin fertig", verkündete die Azubine. „Frisch gestärkt."

„Okay." Marie nickte. „Dann bin ich mal kurz weg."


In der Teeküche im Bürobereich legte Marie sich ein großes Stück von der Pizza, die Marcel in weiser Voraussicht zur Seite geschafft hatte, auf einen Teller. Aus dem Kühlschrank schenkte sie sich noch einen Saft ein und ging dann in ihr Büro. Zwanzig Minuten Pause. Das dürfte reichen. Und es war so angenehm, mal kurz weg zu sein von dem ständig hohen Lärmpegel. Marie mochte solche Veranstaltungen, aber irgendwie kosteten sie sie auch Nerven.

Die Pizza war okay und noch erstaunlich knusprig. Als sie die Hälfte gegessen hatte, stand Marie auf und öffnete das Fenster weit. Es war heiß gewesen heute, aber nicht so drückend wie gestern. Sommer eben. Sie setzte sich wieder an den Schreibtisch und holte ihr Handy aus der Hosentasche. Sie hatte vorhin ein paar Fotos gemacht. Jetzt schaute sie in ihre Nachrichten. Felix hatte erst vor ein paar Minuten geschrieben.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt