48. Sucht

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Sucht

Als Marie aus dem Bad zurück ins Wohnzimmer kam, stand Felix an ihrer Fotowand. Absolut nichtssagend für jeden, der ihre Vergangenheit und ihre Familie nicht kannte. Er drehte sich um und lächelte sie an. Sie lächelte zurück, ehe sie aus dem Fenster schaute. Langsam dämmerte es. Immerhin. Sie fühlte sich nicht wirklich müde, aber irgendwie erschöpft. Dementsprechend ließ sie sich, nachdem sie einen Schluck von ihrem Wasser genommen hatte, aufs Sofa fallen.

Felix räusperte sich, bevor er sich neben sie setzte, so nah, wie es jetzt eben zwischen ihnen üblich zu sein schien. „Hab vorhin auch dein Shirt mit runtergebracht." Er deutete auf ihren Bürostuhl, über dessen Rückenlehne das verwaschen schwarze Kleidungsstück hing.

Marie nickte. „Ah, okay. War irgendwie verschollen am Morgen. Deins kriegst du auch noch zurück."

„Hat keine Eile. Kannste auch behalten, wenn du magst."

Marie sah ihn kopfschüttelnd an. „Danke, ist nicht ganz mein Stil – nicht dass ich einen hätte. Aber ich habe genug Shirts, danke."

„Also wenn die alle so alt sind wie das da..." Er hatte die Stirn in Falten gelegt.

„Ja, ich weiß." Marie seufzte. „Ich behalte es eben aus sentimentalen Gründen."

„Na ja, für mich hat das Teil jetzt auch einen sentimentalen Wert. Mag's halt nur lieber, wenn du's ausziehst."

Marie knuffte ihn leicht in die Seite.

Er lachte. „Finde Bandshirts ja immer'n bisschen albern irgendwie. Also vor allem bei so Teenagern, die in Shirts von Bands herumlaufen, am besten noch mit den Tourdaten aus den Achtzigern hinten drauf. Und die Bands sind längst aufgelöst und die Teenies waren eh nie auf nem Konzert von... den Doors oder Nirvana oder was weiß ich."

„Vielleicht wären sie es aber gern", sagte Marie. „Freddie Mercury ist vor meiner Geburt gestorben. Buddy Holly ist vorher abgestürzt, die Surpremes hatten sich bereits aufgelöst, John Lennon war erschossen und Kurt Cobain hatte auch nicht mehr lange. Mal ganz davon abgesehen, dass viele Bands, selbst wenn sie noch immer touren, ihre besten Zeiten hinter sich haben – man kann die Musik ja noch immer mögen. Oder lieben. Man kann sich die teilweise wirklich fantastischen Live-Mitschnitte anschauen und sich wünschen, früher geboren worden zu sein."

„Na ja", räumte Felix ein. „Ich würde vielleicht auch auf ein Nirvana-Konzert gehen."

Marie musste grinsen. „Ich stell dich mir gerade in so nem grün-schwarz gestreiften Shirt vor. Headbangend."

Felix fuhr sich durch die Haare. „Da brauch ich noch ne Matte für."

Marie musste sich zurückhalten, ihm nicht in die Locken zu greifen, die allerdings längst nicht mehr so voluminös waren wie noch vor ein paar Wochen. „Die Musik kann man auch echt gut grölen."

„Zu mehr bin ich auf Konzerten auch nicht in der Lage."

„Gehst du denn öfter auf welche? Ich meine, in Berlin gibt es ja sicher genug Möglichkeiten dazu."

„Ja, schon. Kenn ja auch mittlerweile einige Musiker, Rapper und so persönlich. Wenn ich Zeit hab, geh ich dann hin, klar."

„Aber du nimmst dann keine Bandshirts mit?", fragte Marie ihn grinsend.

„Eher nicht." Er musterte sie. „Also heißt das, dass du das Shirt von nem Konzert hast? Dann warst du früher mal..."

„Normal?", brachte Marie seinen Satz zu Ende und lachte. „Ich war jedenfalls auf Konzerten, ja. Deiner Argumentation folgend habe ich ein Anrecht darauf, Bandshirts zu tragen von den Helden, den Beatsteaks, den Gorillaz, Kraftklub..."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt