102. Versagen

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Versagen

Marie atmete ein und aus und begann langsam, ihre Umgebung wahrzunehmen. Das angenehm glatte Laken unter ihr, die leichte Bettdecke über ihr, die sie brauchte, denn die Temperatur war kühler als erwartet. Sie lag auf der Seite, fast schon auf dem Bauch, ein Bein vor sich angewinkelt. Ihr Kopf ruhte auf einem Kissen, und sie hatte ihren Arm darunter geschoben. Aber... sie war allein. So fühlte es sich jedenfalls an. Sie öffnete die Augen und sah, dass sie recht hatte. Sicherheitshalber richtete sie sich auf und schaute sich um. Kein Felix. Aber offenbar war es schon hell draußen. Sie schob sich aus dem Bett und ging zum Fenster, zog die Jalousie hoch. Grauer Himmel, Nieselregen. Unwillkürlich fröstelte sie. Sie ging zum Schrank, öffnete ihn und kramte aus ihrem Rucksack Klamotten hervor, ehe sie im Bad verschwand.


Felix war auf der Dachterrasse. Ein paar Augenblicke lang beobachtete sie ihn einfach von ihrer Position im Wohnzimmer aus. Er stand direkt am Fenster, wo er vor den Tropfen Schutz fand, und zog an seiner Zigarette, der Blick nachdenklich, die Stirn in Falten gelegt. Marie ging zur Tür und schob sie weiter auf. Felix wandte sich ihr zu, als sie einen vorsichtigen Schritt hinauswagte. „Guten Morgen!" Sie lächelte ihn an.

„Guten Morgen, Schlafmütze." Er grinste, während er nachlässig in einen Behälter aschte.

„Gestern war ich noch Dornröschen. Und jetzt?"

„Wollteste ja och nich sein. Suche nen Spitznamen für dich."

„Dann such weiter. Bisher war das echt nix."

Er sah sie an. „Jedenfalls scheinste in Berlin gut schlafen zu können."

„Mhm. Und du nicht? Wie kommt es, dass du eher wach warst? Oder... hm, weiß gar nicht, wie spät es ist."

„Gleich ölf. Und is doch okay. Du hattest noch was nachzuholen, deswegen. Und ich hab auch genug geschlafen. War sogar schon einkaufen."

„Du beeindruckst mich echt." Marie sah ihn mit anerkennend geweiteten Augen an.

„Ziel erreicht." Er grinste und zog an der Zigarette.

Marie sah den Rauch auf sich zukommen und versuchte unauffällig auszuweichen. Felix hatte sich zwar abgewandt, aber der leichte Wind wehte genau in ihre Richtung. „Und? Was steht heute an?" Sie wedelte mit der Hand vor ihrer Nase herum. „Seid ja gestern noch nicht fertig geworden."

„Ne, aber mal sehen. Also, schau mir gleich das Material noch mal an und dann... ja. Kommt drauf an. Wollte mit Tommi noch ne Folge Hack aufnehmen. Sommerpause ist noch nich rum, aber wir dachten, so eine zwischendurch, als Teaser für die neue Staffel sozusagen, da freuen sich die Hackis bestimmt."

„Also dann nehmt ihr heute auf?" Marie verschränkte die Arme.

„Weiß noch nich." Er musterte sie. „Is jetzt nicht so dringend, müssen halt sehen, wann wir Zeit finden. Tommi is noch in Südfrankreich."

„Südfrankreich, aha. Sicher schön da."

„Sicher instagramable." Felix lachte und musste dann husten. „Ja, wie auch immer." Er drückte die Zigarette aus. „Also das Video und Hack und... ach egal. Jedenfalls haben wir zwischendurch genug Zeit." Er grinste sie an.

„Mhm", machte Marie vielsagend. „Gut." Sie strich sich über den Oberarm.

„Dir ist kalt, oder?"

Sie seufzte. „Konnte ja keiner mit so nem Wetter rechnen. Und ich war mir sicher, dass ich ne Strickjacke eingepackt habe, aber hab sie bisher nicht gefunden. Werde nie mehr nach Mitternacht meinen Rucksack für ne Reise packen."

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt