50. Nostalgie

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Okay... 12k Reads und draußen tobt ein Orkan. Wenn das mal keine guten Gründe sind, ein neues Kapitel zu posten. Und: Es ist das 50. Ja, wirklich. Das Ende ist noch nicht da. Aber momentan zweifle ich ein bisschen an meinem ursprünglichen Plan, wie es enden soll. Vielleicht lass ich euch bald darüber mitentscheiden.

***

Nostalgie

Marie stopfte Socken in die Lücken, die in dem Fach ihres Trekking-Rucksacks noch frei waren. Gut. Alles an Kleidung hatte sie damit schon mal verstaut. Dann musste sie das nicht mehr machen, wenn Lucia schon da war. Sie machte den Reißverschluss zu, stand auf und zog den Rucksack zur Seite, damit er nicht im Weg war. Sie hakte ein paar Punkte auf ihrer Liste ab, die sie auf die Kommode im Schlafzimmer gelegt hatte. Alles andere würde sie morgen noch einpacken.

This is my face
Covered in freckles
With the occasional spot and some veins...

Sie hörte das ganze Album von Kate Nash schon zum zweiten Mal heute Nachmittag. Es versetzte sie in ihre Teenagerzeit zurück – in die guten Phasen, mit Lucia und anderen Freunden. Sie nahm Sammy von seinem Platz in der Verbannung auf der Kommode und legte ihn wieder neben ihr Kopfkissen. Kein Grund, heute Nacht völlig alleine zu schlafen.

And this is my brain
Its torturous analytical thoughts
Make me go insane...

Marie sang die Zeilen automatisch mit, den englischen Akzent imitierend, selbst erstaunt, dass sie noch so textsicher war. Sie lächelte und erinnerte sich an irgendeine Feier. Ach ja, Vivis Geburtstag. Im Winter, in der Grillhütte. Kleiner Feigling, absolut widerlich. Aber sie hatten Spaß gehabt, getanzt, gesungen, gelacht und letztlich aus nie ganz genau zu klärenden Gründen nach Mitternacht auf der angrenzenden Weide Fußball gespielt. Nachher waren sie durch den stockfinsteren Wald zurück ins nächste Dorf gegangen, um bei Flo zu übernachten, in Schlafsäcken im ganzen Haus verteilt. So lange her. So viele offene Geschichten.

Als das Lied zu Ende war, schaute Marie auf ihr Smartphone. Vielleicht hatte sie eine Nachricht übersehen. So langsam müsste Lucia sich mal wieder melden. Sicher würde sie bald landen. Hoffentlich war es nicht komisch, sich wiederzusehen. Hoffentlich waren sie sich nicht fremd geworden. Nein. Marie kniff kurz die Augen zu. Blödsinn. Es war Lucia. Die würde ihr nie fremd werden.

Sie schaute auf die Liste. Hoffentlich hatte sie daran gedacht, alles aufzuschreiben. In ihrem Magen rumorte es. Hunger vielleicht. Sie hatte heute nicht wirklich Appetit gehabt. Zu nervös vor lauter Vorfreude. Und Nachfreude. Felix war erst vor ein paar Stunden gegangen. Es war schön gewesen. Wie ein kleiner Urlaub vor dem Urlaub.

Marie streckte sich und sang das nächste Lied mit.

Right, birds can fly so high and they can shit on your head, yeah
They can almost fly into your eye and make you feel so scared
But when you look at them and you see that they're beautiful
That's how I feel about you...

Ihr Blick streifte den Nachttisch. Der schwarze Karton mit den Kondomen. Sie musste grinsen. Das hatten sie nicht ganz geschafft. Felix war ein wenig zu ehrgeizig gewesen. Oder zu optimistisch. Aber Lucia musste das nicht gleich sehen. Marie nahm die Packung, öffnete die Schublade des Nachttischs und verstaute die Verhütungsmittel darin. Oder sollte sie sie ihm lieber hochbringen? Unnötig. Sie erinnerte sich, dass er gesagt hatte, dass er davon noch mehr oben hatte. Außerdem hatten sie sich ja schon verabschiedet.

Endlich ein Klopfen. Marie öffnete den WhatsApp-Verlauf.

Lucia: Bin gelandet. Melde mich wieder.
Lucia: Schon im Taxi unterwegs. Laut Fahrer müsste ich so in zehn Minuten bei dir sein.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt