119. Zittern

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Zittern

Marie stand im Bad vor dem Spiegel. Sie war wieder wacher als vorhin. Das Überlegen, was sie für die Übernachtung draußen brauchen würde, hatte ihr Hirn in Gang gesetzt. Immerhin hatte sie es so wohl geschafft, tatsächlich alles mit hochzubringen. Aber diese Wachheit würde nicht lange andauern. Sie nahm ihre Kontaktlinsen heraus, reinigte sie und gab sie in den Behälter. Was war das, Marie? Was war das für ein Tag? Und... warum, verfickt noch mal, warum...? Nicht drüber nachdenken. Alles gut. Gerade ist alles gut.

Sie ging ins Schlafzimmer, wo sie vorhin direkt die Tasche mit ihren wärmeren Sachen abgelegt hatte. Sie zog sich die Pyjamahose und Kuschelsocken an, nahm einen warmen Pullover, den sie bei Bedarf über ihr Schlafshirt würde ziehen können, und löschte das Licht, ehe sie sich auf die Suche nach Felix machte. Im Wohnbereich kam er ihr schon entgegen. Offenbar war er schon draußen gewesen. „Fertig?", fragt er.

„Fertig." Sie lächelte ihn an.

„Gut." Er machte das Licht in der Wohnung aus und nutzte sein Smartphone als Beleuchtung.

Marie folgte ihm hinaus. „Perfekt", murmelte sie. Das Bett war bereitet und es gab definitiv genug Decken, um nicht frieren zu müssen. Sie setzte sich auf die Kante, verstaute ihre warme Kleidungsreserve neben dem Kissen und kletterte auf die Matratze.

„Hast du alles?" Er stieg von der anderen Seite dazu.

„Mhm." Marie legte sich hin. „Hab alles."

„Irgendne Lampe oder so Windlichter wären gut. Dachte ich letztes Mal schon. Aber vergessen..."

„Ist gut so", versicherte Marie ihm. „Haben den Weg ja gefunden."

„Mhm." Er legte das Smartphone auf die Seite.

„Kannst du mir noch sagen, wie spät es ist?"

„So halb eins."

„Okay." Sie rutschte ein Stück zu ihm und als er seinen Arm einladend ausstreckte, kuschelte sie sich an ihn. „Dann ist mein Geburtstag jetzt also rum."

„Mhm." Das Licht, dass sein Handy noch gespendet hatte, erlosch.

„Und es war wirklich, wirklich, wirklich schön", erklärte sie in die Dunkelheit. „Ich wusste gar nicht... na ja, dass ich so was irgendwie... gebraucht habe..."

„Ey, ich bin so froh, dass es dir gefallen hat. Hätte ja auch nach hinten losgehen können."

„Ja, hätte es", erkannte Marie. Vor ein paar Wochen noch hätte sie vielleicht anders reagiert, überfordert. Auch jetzt hatte sie solche Momente gehabt den Tag über. Unverständnis dafür, dass er das machte, Misstrauen, ob da irgendwas nicht stimmte, Minderwertigkeitsgefühle, weil sie das einfach nicht verdient hatte, so, wie sie war. Aber es hatte nie Überhand genommen. Unglaublich fand sie das alles trotzdem noch immer. „Aber..."

„Aber was?", hakte er nach.

Marie überlegte noch eine Weile, während sie langsam begann, seine Wärme wahrzunehmen. „Aber ich denke, im Grunde hab ich wohl kapiert, dass du... na ja, dass du nett bist und... mir wohlgesonnen oder so?"

„Oh Mann..." Er lachte und dann spürte Marie, wie er sehr, sehr tief einatmete. „Ja, Marie, Ich bin dir echt... wohlgesonnen. Mann, wo nimmst du so Begriffe her, hm? Ich mag dich halt."

„Und Leuten, die du magst, bereitest du gerne ne Überraschung?"

„Ja. Klar, oder?"

„Ja. Geht mir ja ähnlich", gab Marie zu.

„Mhm. Gut."

Sie griff blind nach der Decke und zog sie bis zur Hüfte hoch, weil abzusehen war, dass es irgendwann doch kühler werden würde, auch wenn es gerade wirklich angenehm war. Dann legte sie ihre Hand auf Felix' Brust, fühlte das Heben und Senken und ließ es eine Weile auf sich wirken. „Bin froh, dass du kein Zombie bist", sagte sie leise, ihre Lider waren schwer.

Strange attraction (Felix Lobrecht FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt