Kapitel 40

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Am nächsten Tag war ich immer noch wütend auf mich selbst. Mal wieder spielte ich den Tiger in seinem Käfig und ging in meinem Zimmer auf und ab. Irgendwie konnte ich so am besten nachdenken.

Als es klopfte, blieb ich stehen und mein Blick schnellte zur Tür. Ich ging zwar von Gwen aus, aber man konnte nie wissen. Mein Herzschlag erhöhte sich und kurz überlegte ich wie ein Angsthase ins Badezimmer zu laufen.

Allerdings wurde die Tür geöffnet und herein kam Gwen. Ich atmete erleichtert auf und fasste mir an mein Herz.

Danke, es war sie und nicht der König der Bestien.

Scheinbar sah man es mir an, denn ihr freundlicher Gesichtsausdruck wechselte zu besorgt. "Was ist passiert, Davina?"

Ja, es fehlte sogar die Begrüßung, also stand es mir groß ins Gesicht geschrieben. Aber bei all dem Emotionen in mir wäre ich eine begnadete Schauspielerin, wenn ich das verbergen könnte. Wobei ich mir auch ans Herz gefasst hatte, was ein weiteres Zeichen war.

Gwen schloss hinter sich die Tür und ich knallte es raus: "Ich wollte gestern Amun ablehnen, danach gab es einen Streit und anschließend haben wir uns ziemlich wild geküsst."

In diesem Moment war ich richtig dankbar sie zu haben, denn so konnte ich mit jemanden reden und das hatte ich dringend nötig.

Sie fragte maßlos entsetzt: "Du hast was?!"

Ich fuhr mir verzweifelt durch die Haare und ging ein paar Schritte während ich antwortete: "Ja, ich weiß. Schon wieder haben wir uns geküsst, dabei will ich das eigentlich gar nicht."

Die fuchtelte mit ihren Händen herum und sagte: "Nein, nein, nein. Ich rede von der Ablehnung." Sie verhielt sich so als hätte ich ihr direkt ins Gesicht geschlagen. Sogar das Menschlein schien ganz angetan vom Mateband zu sein und wie grausam für sie alle die Ablehnung war.

Ich blieb stehen, sah zu ihr und erklärte: "Ich hätte es getan, aber der König hat mich davon abgehalten."

Sie fasste sich ans Herz, wie ich es vorhin getan hatte, und sagte erleichtert: "Der Göttin sei Dank." Meinen maßlos genervten Gesichtsausdruck hatte sie verdient.

Diese Frau betete dieselbe Göttin wie die Fellhaufen an. Das Ganze war ihr wohl zu Kopf gestiegen. Vermutlich erwartete man von mir denselben Wahnsinn irgendwann. Die hatten doch alle einen Sprung in der Schüssel.

Ich holte tief Luft, um ruhig zu bleiben. Meine Wut auf mich selbst am Ende an ihr auszulassen war unfair. Am ehesten sollte ich meine Emotionen an Amun abladen, der hätte es verdient.

Ich räusperte mich und fing einfach an. Sie sollte die ganze Geschichte kennen samt meiner Empfindungen, vielleicht bekam ich dann eine hilfreiche Lösung und sie verstand mich besser.

Gwen hörte mir brav zu und ich ließ mich aus. Es nervte mich, welchen Effekt Amun auf mich hatte und sie war freundlich genug mich nie zu unterbrechen. Ich konnte mich auskotzen und auch laut über alles nachdenken.

Erst als ich fertig war, kam Gwen zu Wort. Sie begann es mit einem Räuspern, weshalb ich mich an sie wandte.

Mittlerweile saß sie auf meinem Bett und ich hatte weiterhin im Raum auf und ab getigert. Alleine da man im stehen noch besser gestikulieren konnte. Das verdeutlichte alles unglaublich viel besser.

Aber nun blieb ich stehen und sah sie fragend an. Ich hoffte auf irgendeinen Rat.

"Davina, du sagst selbst, dass er dir gefällt und du ihm nicht widerstehen kannst. Wenn du den König tatsächlich so gerne hast, warum weist du ihn dann ab? Wenn du dich verliebt hast ist das etwas Gutes. Das ist wohl auch bei euch Jägern der Fall."

Ich warf die Hände in die Höhe und antwortete aufgebracht: "Genau da liegt der Fehler! Er ist ein Werwolf und ich eine Jägerin! Das geht nicht!"

Ich rieb mir den Nasenrücken, holte tief Luft und merkte etwas ruhiger an: "Tut mir leid." Dieser Ausbruch war nicht in Ordnung gewesen.

Gwen tat es mit einer Handbewegung ab und meinte: "Alles gut. Ich kann verstehen, dass du aufgebracht bist, aber eigentlich ist die Liebe ein Geschenk. Am Ende ist das mit dem König deine Entscheidung, aber es ist die Frage, ob man sich das durch die Finger gehen lassen will."

Ich schüttelte den Kopf und ging weiter. Sie verstand meinen Punkt nicht und ich beschrieb ihr das gerne erneut, wenn es sein musste.

"Gwen, ich bin eine Jägerin und er ist mein Opfer, welches ich jage. Verstehe das nur ich? Sind hier alle verrückt?"

Vermutlich behauptete man demnächst, dass ich die Irre war. Dabei sprach ich Tatsachen und die Wahrheit aus.

"Ich verstehe woher der Ansatz kommt und das eure Völker seit Jahrhunderten verfeindet sind. Aber das muss nicht für jeden gelten und irgendwann sollte allgemein Frieden herrschen. Das kann doch nicht bis in alle Ewigkeit weitergehen."

Ich blieb stehen, biss meine Zähne zusammen und brachte irgendwie hervor: "Sag das den Biestern und nicht mir. Sie greifen ständig an und bringen unschuldige Leute um."

"Das ist falsch und das weißt du, Davina." Sie klang todernst und ihr Blick war es genauso.

Ja gut, wir griffen einander gegenseitig an und meist hatte das einen Grund. Trotzdem war eine Feindschaft, eine Feindschaft. Das konnte niemand schön reden.

Warum redete ich überhaupt mit ihr?

Offensichtlich war Gwen kein bisschen auf meiner Seite oder versuchte mich zu verstehen. Ich fühlte mich missverstanden und verloren.

Ich sah sie vorwurfsvoll an und fragte: "Warum versteht mich niemand?"

Gwen stand auf und kam auf mich zu. Ich überlegte kurz zurückzuweichen, allerdings blieb ich stehen.

Vor mir angekommen, nahm sie meine Hände und drückte sie leicht. "Ich verstehe dich sehr wohl. Aber man kann nicht alle in einen Topf werfen. Es gibt bösartige Werwölfe und es gibt bösartige Jäger. Das Gegenteil von beidem gibt es auch."

Dieser sanfte und verständnisvolle Blick machte mich ein bisschen weich, weshalb ich ihr weiterhin zuhören würde.

"Wir sind Freundinnen und die sind ehrlich zueinander. Sie sagen es der anderen wenn sie etwas anders sehen. Man soll nicht immer alles schön reden. Man ist füreinander da und kann über alles reden."

Natürlich hatte sie damit recht, aber wir hatten bei dem Thema vollkommen unterschiedliche Ansichten. Die gingen derart weit auseinander das es beinahe eine unüberbrückbare Differenz war.

Sie fuhr fort: "Ich habe selbst einen Mate, weshalb ich genau weiß wie wundervoll das ist. Bevor du mir den Schädel abreißt, weil ich nichts gesagt habe, dann möchte ich dich daran erinnern, dass du mich dafür verurteilt hättest. Ich hätte bei dir nie die Möglichkeit für ein Gespräch gehabt, wenn du diese Info sofort gehabt hättest."

Ich war vollkommen unfähig mich zu bewegen. Das hätte ich mir denken können. Natürlich hatte sie einen Mate.

Wieso kam mir das nie in den Sinn?

Es klang vollkommen logisch und würde ihre Begeisterung zu all dem erklären. Eigentlich hatte das auf der Hand gelegen. Vermutlich hatte ich es nie wahrhaben wollen.

Ich entzog ihr meine Hände, wandte mich ab und ging in Richtung Badezimmer. Nebenbei fragte ich: "Könntest du bitte gehen? Ich hätte gerne meine Ruhe."

Über diese Bombe musste ich erst nachdenken. Keine Ahnung, was ich davon halten sollte.

"Davina, ich weiß, dass du jetzt vermutlich sauer bist, aber das war nie böse gemeint. Ich komme morgen wieder und hoffe, dass du mir das verzeihen kannst. Aber ich hatte meine Gründe und ich hoffe, dass du das erkennst."

Ja, das tat ich. An ihrer Stelle hätte ich sicherlich dasselbe getan. Trotzdem wollte ich Zeit für mich und musste das irgendwie in meinen Schädel bekommen.

The Werewolf King & The Huntress | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt