Kapitel 73

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Unser Zelt hatten wir schnell erreicht und Amar ließ mir den Vortritt. Mit einem Dank ging ich an ihm vorbei und betrat es. Das Zelt war groß, weshalb man darin problemlos stehen konnte. Die Werwölfe wussten definitiv wie man das richtig machte. So gut organisiert waren wir Jäger da nie gewesen. Bei uns waren das stets einfache, kleine Zelte gewesen. Da waren diese hier wesentlich besser. Darin konnte man besser arbeiten und hatte auch mehr Platz.

Amar folgte mir gleich und ich sah mich noch um. In der Mitte hatte man bereits einen Klapptisch aufgestellt. Darauf lag eine Landschaftskarte und eine Mappe. Offensichtlich hatte man nur darauf gewartet, dass wir uns dem annahmen.

Bevor ich mir das genauer ansehen konnte, stellte Amar sich vor mich, weshalb ich fragend zu ihm aufsah. Die plötzliche Nähe überraschte mich etwas, denn eigentlich hatte ich mich sofort an die Arbeit machen wollen.

Er hob seine Hand und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht, als er flüsterte: "Wir haben nicht viel Zeit miteinander. Amun ist längst außer sich und wird mich bald in den Hintergrund drängen."

Aja, ich hatte ja an der eins plus eins Gratis Aktion teilgenommen, deshalb hatte ich nun zwei Männer und nicht nur einen. Dennoch war es ein Körper. Die Werwölfe waren eine vollkommen verrückte Spezies.

Amar beugte sich langsam zu mir und ich ahnte worauf das hinauslief, weshalb ich meine Hand sanft auf seine Brust legte, um ihn auf Abstand zu halten. Der stillen Bitte kam er nach und hielt inne.

Ganz leise und ein bisschen unsicher sagte ich: "Moment." Amar schien mein Verhalten zu verwirren und ich selbst erwiderte diesen Gesichtsausdruck.

Ich brauchte eine kurze Bedenkzeit und musste mir das durch den Kopf gehen lassen. Diese Fellhaufen forderten zu viel von mir.

Am Ende waren es nämlich immer noch zwei Personen. Aktuell hatte ich es mit Amar zu tun. Die Beziehung und dergleichen führte ich theoretisch mit Amun. Auch das Bündnis hatte ich mit ihm persönlich vervollständigt.

Betrog ich ihn, wenn ich es zuließ, dass Amar mich küsste?

Wollte ich überhaupt, dass er das tat?

Wir hatten kaum Zeit miteinander verbracht. Amar mag alles mitbekommen haben, was passiert war. Aber mir war seine Existenz stets verborgen geblieben. Ich mag gewusst haben, dass es ihn gab, nur vergaß man das gerne, wenn man selbst keine weitere Persönlichkeit in sich trug.

"Was ist los, Davina?" Zu seiner Verwirrtheit kamen nun Sorgen, die seine Tonlage bekannt gab.

Das Problem in Worte zu fassen war etwas schwer. Vor allem war es für Werwölfe ein vermutlich dummes Thema. Mit hoher Wahrscheinlichkeit galt das nicht als Betrug, trotzdem fühlte es sich falsch an. Und ich kannte Amar kaum, was es komplizierter machte.

Um ihn nicht zu verletzen oder zu verärgern, antwortete ich: "Die allgemeine Situation ist angespannt und wir haben unglaublich viel zu tun. Am besten legen wir direkt los und bitte lass mich doch mit Amun sprechen."

An seiner Mimik konnte man es nicht ablesen, aber die Enttäuschung blitzte kurz in seinen Augen auf. Das brach mein Herz, denn ich hatte sicherlich nicht beabsichtigt ihn zu verletzen.

Ich wollte dem Ganzen etwas anmerken, aber er kam mir zuvor. "Wie du wünschst, meine Königin. Aber schon bald werden wir mehr Zeit für einander haben."

In der nächsten Sekunde wurde seine Augenfarbe wieder heller, somit war es ein klareres Gold und in der mir vertrauten Stimme sagte Amun: "Danke und tut mir leid. Amar wollte zwanghaft mit dir reden und es ist ihm gelungen."

Ich tat es mit einer Handbewegung ab, denn am Ende musste ich sowieso mit beiden leben und klar kommen. So einen Vorfall würde es noch einige Male in unserem Leben geben. Das war wohl kaum das letzte Treffen mit Amar gewesen.

Aber auf eine Frage brauchte ich dringend eine Antwort, weshalb ich sie stellte: "Ist es Betrug, wenn Amar mich küsst?"

Die Irritation in seinem Gesicht würde keinem Trottel entgehen. Also war es ein dummer Gedanke und ich wurde als Verrückte abgestempelt. Nur war all das vollkommen neu für mich und meine Überforderung war sicherlich normal.

Gedehnt antwortete er: "Nein." Irgendwie klang das unsicher, was mich dazu brachte eine Augenbraue zu heben. Vielleicht wollte er das genauer ausführen, um mir Klarheit zu verschaffen.

Eigentlich musste man Verständnis für mich haben. Mein gesamtes Leben lang hatte ich mich zwar mit Werwölfen befasst, aber da war es um die Vernichtung dieser Wesen gegangen. Das Thema Liebesbeziehung hatte es nie gegeben.

Amun schüttelte den Kopf und erklärte: "Nein, das wäre es nicht. Gut, dann weiß Amar jetzt, warum du ihm den Korb gegeben hast."

Für mich fing das Thema gerade erst an, weshalb ich fragte: "Aber warum? Ihr seid doch zwei unterschiedliche Personen. Das ist wirklich eine Beziehung, welche drei Personen involviert."

Und ein Pärchen, wo beide Werwölfe waren, die führten sogar eine Beziehung mit vier Personen. Alleine daran zu denken war irgendwie schräg. Vor allem, weil es ja nur zwei Körper waren, dennoch waren andere daran beteiligt.

"Davina, wir sind Mates. Und ich bin ein Werwolf, also habe ich einen inneren Wolf. Amar ist ein Teil von mir." Wenigstens sah er mich nicht an als wäre ich dumm oder lachte mich aus. Amun nahm das ernst und erklärte es mir.

Bevor ich mich diesem gedanklichen Strudel vollkommen hingab, tat ich es mit einer Handbewegung ab und sagte: "Lassen wir das und widmen wir uns unserem Amt. Das hat gerade Vorrang."

Wir sollten uns endlich dem Hauptproblem widmen und jegliche anderen Dinge ein andermal klären. Die Jäger würden nicht lange auf sich warten lassen, also mussten wir einen Plan ausarbeiten.

Amun nickte und wurde nun noch ernster, damit konnte es losgehen.

Mit einem Seufzen wandte ich mich dem Tisch zu und machte mich auf den Weg dorthin. Man hatte bereits etwas für uns vorbereitet und das sollten wir uns genauer ansehen.

The Werewolf King & The Huntress | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt