Kapitel 76

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Mit Lucy ging ich quer über das Zeltlager. Die meisten nickten mir zu oder verbeugten sich leicht vor mir. Das war sehr ungewohnt und ich hatte kaum eine Ahnung, wie ich darauf reagieren sollte. Ein Lächeln und eine Begrüßung mussten ausreichen, weil mir nichts besseres einfiel. Später musste ich Amun fragen, wie genau man darauf reagieren sollte oder wie er das handhabte. Ich selbst war planlos und überfordert.

Aber den Reaktionen der Leute nach war es das Richtige. Zumindest wurde ich genauso angelächelt und die Begrüßung fehlte nie. Jeder brachte mir Respekt entgegen und war freundlich. Das nannte man einen guten Start als Königin. Ich war soweit zufrieden damit und konnte mich nicht beschweren. 

Wenn man so über das Gelände ging, stellte man erst fest wie riesig es war. Da waren einige Rudelmitglieder versammelt und bereit für den Kampf. Für ihren König zogen viele in die Schlacht. Natürlich genauso für ihr Land und Rudel, es ging nicht nur um eine Person. 

Während ich mich umsah, erklärte Lucy: "Alle sind noch nicht versammelt. Manche haben eine längere Anreise, da sie weiter weg von der Grenze leben. Aber es werden ständig mehr, die sich uns anschließen. Die Rudelkämpfer sind sowieso dabei, auch ansonsten haben sich einige gemeldet."

Das war schön zu hören, damit war klar, wie sehr sie für ihr Rudel einstanden. Dennoch konnte man die Angst praktisch fühlen und die meisten dürften eine Unruhe in sich tragen. Trotzdem waren sie hier und es hatte ein System. Die meisten wussten was zu tun war, zumindest wirkte es so. Diese Unruhen gab es öfters, da lag eine gewisse Erfahrung hinter all dem. 

Die Neuen darunter wurden zwar erst noch eingelernt oder hatten vor kurzem damit angefangen, aber dafür gab es die Erfahrenen. Tipps und Tricks wurden automatisch an die nächste Generation weitergegeben. 

Lucy fuhr fort: "Amun verteilt gerade Befehle im Mindlink, zumindest gehe ich davon aus. Wir zwei sind davon ausgeschlossen, da wir bereits eine Aufgabe haben. Jedenfalls ist damit der Stein ins Rollen gebracht, falls in den nächsten Minuten der Angriff startet, haben wir bereits einen Notfallplan."

Ich nickte, denn das hörte man gerne. Irgendwie musste man einen Anfang setzen, da hatte Amun aktuell genug um die Ohren. Auch ich hatte etwas zu tun und war gespannt was genau auf mich zu kam. Am meisten machte es mich nervös, ob ich jemanden von den Jägern kannte. 

Noch beängstigender war der Gedanke, dass ich ab jetzt Feinde hatte, denen ich in der Schlacht begegnen könnte. Das Schlimmste war, dass sie mich alle töten wollten. Für mich als Königin würde es keine Gnade geben. Ich konnte nur hoffen, niemanden davon umbringen zu müssen. 

Wenn ich dabei an meinen besten Freund dachte, kamen die größten Sorgen. Ihm könnte ich niemals weh tun. Wir waren gemeinsam aufgewachsen und dieser Mann war praktisch wie mein Bruder. Wir waren Familie und Zoran hatte mir stets beigestanden.

Nein, ihn könnte ich niemals verletzen, geschweige denn umbringen. Ihm müsste ich aus dem Weg gehen, falls auch er die Jagd auf mich eröffnet hatte. Für uns beide war das eine schwierige Situation, außer seine Liebe für mich hatte auf gehört. Das wäre ein Herzbruch, aber es könnte der Fall sein. 

Ich wurde von Lucy in die Realität geholt, die meinte: "Es ist unglaublich, wie viele sich von den Jägern und Elementträgern darunter angeschlossen haben. Du hast eine große Veränderung losgetreten und die lässt sicher auch nicht die andere Partei kalt. Ich könnte es mir vorstellen, dass ein paar vorhaben die Seiten zu wechseln."

Ich blieb automatisch stehen und zog verwirrt meine Augenbrauen zusammen, denn das klang surreal. Klar, die Leute hatten mich meist gemocht und ich hatte keine gravierenden Probleme mit jemanden, aber das war etwas anderes. Zu den Werwölfen zu wechseln wäre ein sehr großer Schritt. Natürlich würde mich das sehr freuen, aber es klang unrealistisch.

"Lucy, das ist eher ein wilder Traum." Überraschenderweise lächelte sie mich an und antwortete: "Mein Nachname ist auch Wilder, der ist passend." Aber nun wurde sie ernster, als sie anhängte: "Nein, Spaß beiseite, ich finde es realistisch. Einfach so zu gehen ist schwieriger. In einem Kampf kann man sich leichter dem früheren Gegner anschließen."

Hm, da hatte sie durchaus einen Punkt. Obwohl es verrückt klang und das sehr.

Ich schüttelte den Kopf und wir setzten unseren Weg fort. Da mussten wir abwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.

"Davina, ich glaube, dass du und der König die große Veränderung sein werdet. Jeder wünscht sich Frieden und mit euch wurde es eine realistische Möglichkeit. Ihr zwei könnt das schaffen."

Ja, ich wünschte mir das genauso und das von Herzen.

Wir kamen an unserem Ziel an und das teilte mir Lucy mit, in dem sie sagte: "Hier sind wir auch schon."

Es war ideal, dass sie alle Jäger an einen Platz geschickt hatte. So hatten wir schnell einen Überblick und ich konnte mir ein Bild machen.

Wenn man die Anzahl vor sich hatte, dann wäre jeder überrascht. Das waren viele und die Reaktionen auf mich waren positiv. Sie verneigten sich sogar und grüßten mich. Also erkannten die Jäger mich als Königin an. 

Die Aufmerksamkeit von allen hatten ich längst und sie schienen auf Befehle zu warten, zumindest hatten die meisten einen erwartungsvollen Gesichtsausdruck. Wenigstens konnte ich endlich mal meinen bisher ausgeübten Job nachkommen. 

Zur Sicherheit räusperte ich mich und fing erst danach an: "Zuerst möchte ich euch allen danken, dass ihr gekommen seid. Ihr seid ein wichtiger Bestandteil und eine sehr große Hilfe im Rudel." Tatsächlich ging daraufhin ein Jubeln die Runde, womit sie mir mitteilten, dass sie das gerne machten. Sie wollten wirklich für uns einstehen.

Um sogleich informiert zu sein, fuhr ich schon fort: "Könnten bitte alle Elementträger als Gruppe auf die linke Seite gehen und die reinen Jäger bitte auf die rechte Seite. Damit kann ich eine bessere Strategie erstellen."

Man konnte diskutieren was man wollte, aber die Elementträger waren nochmal besser. Mit ihren Fähigkeiten waren sie ein großer Bonus. Klar, Jäger waren auch gut und ein Vorteil, trotzdem waren es die Elementträger einen Tick mehr.

Meinem Befehl kamen sie kommentarlos nach und ich fuhr fort: "Bei den Elementträgern, Gruppe eins ist Feuer, Gruppe zwei ist Wasser, drei ist Erde und Nummer vier ist die Luft." 

Es war eine weitere Überraschung, dass mehr Elementträger unter ihnen waren, als reine Jäger. Die Mondgöttin schien einen Sinn für Humor zu haben, wenn man bedachte, dass diese Jäger zu den Werwölfen wechselten. Mates waren wirklich ein Wunder. 

Kurz darauf war jeder an seinem Platz, weshalb ich ihnen dankte. Das hatte problemlos geklappt und nun konnte ich mit einer Strategie beginnen. 

An Lucy adressiert antwortete ich, während ich die Runde sah: "Ich muss das erst noch mit Amun besprechen, aber ich hätte eine Idee. Meiner Meinung nach könnten wir die normalen Jäger direkt mit den Werwölfen mixen. Bei den Elementträgern sollten wir abwarten, wie die andere Partei vorgeht. Dort wo ihre meisten Freunde eines Elements sind, sollten unsere genauso sein. Es wäre nur fair, wenn man mit denselben Wesen kämpft." 

Ich legte den Kopf schräg und merkte nachdenklich an: "Oder doch direkt an erster Front. Sie könnten direkt für ein bisschen Chaos sorgen. Vor allem, weil der Feind nie damit rechnen wird, ausgerechnet wir helfen Werwölfen. Alleine das wird sie einen Moment aus dem Konzept bringen." 

Einen gewissen Überblick hatte ich definitiv und wir könnten nur noch wenig Zeit haben, weshalb es sinnvoll wäre, wenn ich jetzt schon zurück zu Amun ging. Wir mussten dringend darüber sprechen und ich wollte seine Meinung hören. 

Lucy meinte: "Ja, das klingt logisch."

Ich wollte ihr gerade mitteilen, dass wir besser zu meinem Mate zurück sollten, da hörte ich ein Folgetonhorn und das bedeutete, dass es angefangen hatte. Es gab keine weitere Zeit, um einen Plan zu schmieden.

Die Jäger kamen und sie zeigten sicherlich keine Gnade.

The Werewolf King & The Huntress | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt