Kapitel 74

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Ich kam genau vor dem Tisch in der Mitte des Zeltes an, da kam Taran herein, weshalb er sofort unsere Aufmerksamkeit hatte. Man sah ihm den Ernst der Lage an und vielleicht hatte er sogar schon Infos bekommen. Zumindest war die kurze Leichtigkeit von vorhin wie weggeweht. Das ließ die Vermutung aufkommen, dass er etwas wusste. 

Hinter ihm kam eine Frau zum Vorschein, die mir unbekannt war, aber das dürfte sich bald ändern. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Dutt hochgebunden und sie hatte dieselbe Mimik wie Taran.

Gut möglich, dass es einen weiteren Angriff gegeben hat, wobei man uns das mit hoher Wahrscheinlichkeit sofort gesagt hätte. Diese Info würde man wohl kaum vor seinem König verschweigen. 

Die Frau verneigte sich leicht vor uns und sagte: "König und Königin, es ist mir eine Ehre." Wie edel die Leute doch waren, bei den Jägern lief das nicht ganz so elegant ab. Natürlich hatte man Respekt voreinander, aber niemand käme auf die Idee sich zu verbeugen. 

Amun grüßte sie zurück, was ich genauso tat. Danach fragte ich: "Wie heißt du überhaupt?" Es wäre nämlich sehr freundlich, wenn ich einen Namen zum Gesicht hatte. Ansonsten musste ich warten, bis sie jemand direkt ansprach. 

"Oh, tut mir leid." Ich bekam sogar ein entschuldigendes Lächeln zugeworfen, als sie fortfuhr: "Ich bin Lucy Wilder." Dann hatten wir das geklärt und ihre Augenfarbe war wie bei den meisten anderen gewöhnungsbedürftig. Dieses dunkle Gelb sah man nicht alle Tage und war seltsam.

"Ok, freut mich dich kennenzulernen, auch wenn es die Umstände nicht sind. Aber jetzt, kommen wir besser zum Punkt und du bringst uns bitte auf den neuesten Stand."

Ich wollte endlich wissen woran wir genau waren oder ob etwas weiteres passiert war. Sobald wir die Fakten hatten, konnte es richtig mit einem Plan losgehen. Davor war alles eine reine Spekulation. 

Lucy nickte und fing an zu erzählen: "Es ist eine sehr große Armee, so etwas gab es noch nie. Bis jetzt war es meiner Ansicht nach eher ein Anstacheln. Verluste gab es keine, wir haben auch ausgezeichnete Kämpfer. Trotzdem ist es bei dieser riesigen Ansammlung von Jägern sicherlich ein Blutbad, falls sie den richtigen Angriff starten."

Da fiel Ruhe zwischen uns und mir zog es die Gänsehaut auf. Es mag sein, dass wir seit jeher im Streit waren und Krieg des Öfteren ausbrach oder ein Thema war, nur eine sehr große Armee war etwas Neues. 

Klar, Jäger arbeiteten zusammen, das war schon immer so gewesen. Allerdings half meist ein Clan dem anderen und nicht gleich alle und wagten den Angriff. Vor allem war das organisatorisch ein Alptraum, bis man jeden aufgeklärt und eingeweiht hatte. Dann sollte das nie den Werwölfen zu Ohren kommen, dass etwas im Gange war. Außerdem war es nie derart eskaliert.

Moment, da gab es eine Frage.

Um das geklärt zu haben, fragte ich: "Wie viele Clans haben sich zu einer Allianz gebildet?" Ihre Augen landeten auf mir und dieses Gelb verstörte mich dezent. An Tarans Farbe hatte ich mich halbwegs gewöhnt, nur kam immer wieder ein kleiner Schock mit diesen Augenfarben.

Sie seufzte und antwortete: "Um die genaue Antwort zu geben müsste ich die Handrücken sehen. Mit freien Augen auf Distanz kann ich nicht erkennen, wer zu welchem Clan gehört."

Ja, stimmt. Das hätte ich mir selbst denken können. Für mich wäre es ein Leichtes, nur für Werwölfe war das schwieriger. Da hatte ich einfach den Heimvorteil.

Lucy fuhr schon fort: "Aber es sind einige der Anzahl der Jäger nach. Dass es mindestens zwei, eher mehr, Clans sind ist außer Frage. Denn der größte Clan hat weniger Kämpfer, wie diese Ansammlung. Jedoch bin ich mir sicher, dass der Rosewood Clan dabei ist, die lassen sich das sicher nicht entgehen." 

Rosewood.

Automatisch wanderte mein Blick zu meinem Handrücken. Dort war es, der Hinweis wer meine Familie war und welchen Rang ich in meinem früheren Zuhause hatte. Die Familie Rosewood, die meine, die einst glücklich war, bis man es uns genommen hatte. 

Da kam der Geistesblitz, wem ich heute gegenüber stehen würde, sobald wir in den Kampf zogen. Mein Onkel konnte Gift darauf nehmen, dass ich ihn suchen würde. Endlich hatte ich die Wahrheit erkannt, eher hatte Amun mir diese erzählt.

Mein Onkel war für den Tot meiner Familie verantwortlich, eher hatte er sie umgebracht. Und ungestraft kam mir dieser Mann niemals davon. Er hätte es verdient sein restliches Leben lang im Gefängnis zu verrotten. Der Sinn nach Rache war stark anwesend.

Ich schreckte leicht hoch, als Amun seine Hand auf meinen Unterarm legte. Ich sah verwirrt zu ihm hinüber und er sagte sanft: "Deine Hände."

Ups.

Der Beweis, dass das Feuer mein stärkstes Element war, bei starken Emotionen beehrte es mich sofort. Es hatte sich unabsichtlich entfacht, da ich mich im Strudel der Rache und Wut verloren hatte.

Es wäre fair, wenn man wenigstens eine Ahnung hatte, warum dem so war, weshalb ich fragte: "Amun, könntest du die Meldung rausgeben, dass mein Onkel überleben soll und weg gesperrt wird? Falls ich ihn nicht antreffe, will ich trotzdem mit diesem Mann reden." Mit dieser Aussage wussten alle, woher meine plötzliche Wut genau kam.

"Ja, das ist machbar und ich habe mir das bereits gedacht." Ich nickte ihm als Dank zu und widmete mich wieder Lucy, die den Bericht fortführen sollte. Das mit meinem Onkel war geklärt, damit war das abgehakt.

Amun hatte auch eine Frage und die stellte er: "Wie lange ist das letzte Anstacheln her? Falls es erst kürzlich war, haben wir eine längere Vorbereitungszeit." Lucy seufzte, was kein gutes Zeichen war. "Etwa eine Stunde, seitdem war nichts mehr." Er nickte und meinte: "Es mag eine kleine Weile her sein, aber das heißt nicht, dass sofort der nächste Angriff kommt."

Ja, das hing ganz von den Jägern. Wer weiß was genau ihnen im Sinn stand. Trotzdem dürfte es noch zum richtigen Angriff kommen und bis dahin brauchten wir einen vernünftigen Plan.

Taran meldete sich auch mal zu Wort, in dem er nachdenklich sagte: "Eine riesige Armee, das kann doch nur eines bedeuten."

Amun hatte wohl denselben Gedanken, wie sein bester Freund, denn er sagte eiskalt: "Sie wissen es." Sein Griff um meinen Arm wurde etwas fester, was auf die Emotion in ihm hinwies. Allerdings tat es nicht weh, das war keine grobe Handlung, also machte es mir nichts aus. 

Ich kam im ersten Moment bei dem Gesagten nicht ganz mit und konnte mir kaum erklären, was genau die andere Partei wissen sollte. Wenigstens sah Lucy genauso ahnungslos aus, dann fühlte ich mich weniger dumm, wenn es einer weiteren Person so erging.

„Was wissen sie?"

Taran war es, der antwortete: „Dass du Amuns Mate bist. Sobald die Königin gefunden ist und die Jäger das erfahren, war ein starker Angriff zu erwarten. Nochmal eine größere Armee, weil du eine Jägerin bist, ein Feuerteufel. Ich bin mir sicher, dass ihr sogar untereinander vor den Feuerteufeln Angst habt."

Wenn man die Elementträger des Feuers als Feinde betrachten musste, waren es definitiv die nervigsten. Dieses Element konnte eine sehr große Zerstörung anrichten und das im Grunde sehr einfach. Innerhalb von Sekunden konnte man alles Mögliche abfackeln. 

Es war mein Job, also blieb ich gelassen und sagte neutral: „Gut, also sind sie hier, um mich zu töten."  

The Werewolf King & The Huntress | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt