Kapitel 32

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Mir war das alles zu viel und ich brauchte frische Luft. In diesem Raum hatte man das Gefühl, dass man erstickte, weil zu wenig Sauerstoff hier war.

Ich ging auf die Tür zu und sagte dabei: "Ich muss hier raus." Sehr dringend sogar.

Ich fühlte mich einfach derart dumm und verarscht. Beinahe mein ganzes Leben war eine Lüge gewesen.

All die Jahre hatte ich diesen riesigen Hass auf die Werwölfe und mein Onkel hatte das angeschürt. Natürlich hatte er den Werwölfen die Schuld gegeben und jeder hatte ihm geglaubt. Es klang auch logisch und hätte Sinn gemacht.

Dabei war Gerald das Monster. Einfach nur weil er der Anführer sein wollte. Deshalb brachte er seinen eigenen Bruder und dessen Familie um. Wie nervig für ihn, dass ich überlebt hatte. 

Die Tränen brannten in meinen Augen und als ich meine Hand hob um die Türklinke zu ergreifen, nahm Amun meine andere in die Hand.

Ich wollte nicht das er mein Gesicht sah, weshalb ich weiterhin der Tür zugewandt blieb. Es war ein schwacher Moment von mir und den wollte ich alleine ausbaden. Niemand sollte das bemerken. Erst recht nicht der König, denn irgendwo waren wir trotzdem Feinde. 

Ich schaffte es mit einer festen Stimme zu sagen: "Lass mich los, Amun." Es war ein Wunder, dass ich das trotz meinem inneren Gefühlschaos geschafft hatte. Natürlich hatte er etwas anderes im Sinn, denn er drehte mich zu sich herum.

Dank meiner Größe war seine Brust auf Augenhöhe mit mir und genau diese sah ich an.

Amun nahm sanft mein Kinn und hob es an. Widerwillig gab ich dem nach und so fanden meine Augen die seinen. Nun war es ihm klar, denn die Tränen konnten niemanden entgehen.

Ganz leise sagte ich: "Ich hab die ganze Zeit bei ihm gelebt." Nach dem ich einmal tief Luft geholt hatte fuhr ich fort: "Dabei hat er meine Familie umgebracht und wollte sogar mich töten. Wer weiß wie oft er versucht hat mich loszuwerden. Das im Wald war sicher nicht sein einziger Versuch."

Davor hatte es bestimmt einige andere gegeben. Immerhin wollte mein Onkel den Platz als Anführer behalten.

Sein Glück, dass ich einen Mate hatte, welcher mich einsperrte. Den Titel hatte er auf ewig, sofern die Jäger nie die Wahrheit erkannten.

Amun streichelte mir mit seinem Daumen über das Kinn und seine Berührung tat mir gut. Leider fühlte sie sich richtig an und mein Chaos im Kopf milderte sich bei seiner Nähe. Zumindest fühlte es sich nicht mehr an als könnte ich in diesem Raum ersticken.

"Für Jäger ist es die einfachste Lösung, dass die Werwölfe hinter dem steckten. Dir selbst kannst du keine Schuld daran geben, dass du es nicht gesehen hast. Als objektive Meinung ist es viel leichter so etwas zu lösen."

Er hatte durchaus recht, aber irgendwie oder irgendwann hätte ich wenigstens eine Vermutung haben sollen. Nur hatte ich keine Sekunde daran gedacht.

Amun fuhr fort: "Das war eine grausame Tat und er hat damit großes Unrecht getan. Dein Kummer hat dich unklar denken lassen. Also bitte, gib niemals dir die Schuld oder fühle dich dumm. Außerdem hast du es jetzt sofort erkannt."

Ich versuchte die Tränen zu halten und mich zusammenzureißen, aber diese Erkenntnis hatte einiges aufgewühlt. Manchmal war es schwer die Fassung zu wahren.

"Du bist nicht schwach, wenn du weinst, Davina." Aber es fühlte sich danach an, obwohl er vermutlich recht hatte. Trotzdem wollte ich das aufhalten und später, wenn ich alleine war konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen.

Amun ließ mein Kinn los und zog mich in eine Umarmung. Warum auch immer, aber ich erwiderte sie. Meine Arme legte ich fest um ihn, was er längst tat.

Das war der Moment in dem der Damm brach und ein Schluchzen über meine Lippen kam, welches unfassbar jämmerlich klang. Die erste Träne bahnte sich ihren Weg über meine Wange.

All der Kummer kam hoch und überrollte mich.

Meine Finger krallte ich in sein Oberteil, denn es fühlte sich so an als würde mir das Halt geben, dabei war das Unsinn. 

Amun gab mir einen Kuss auf den Kopf und sagte: "Du musst dir keine Gedanken machen, denn dieser Mann wird seine gerechte Strafe bekommen, dafür werde ich sorgen."

Wie zur Hölle wollte er das machen?

Kein einziger Jäger würde seinem Wort Glauben schenken. Sie würden ihn viel eher auslachen und als Lügner betrachten.

Ich hätte ja gefragt, wie er sich das vorstellte, aber da kam lediglich ein Schluchzen über meine Lippen. Die Gedanken an meine Familie nahmen mich zu sehr ein. Für den Moment musste ich versuchen diese beiseite zu schieben, ansonsten hörte ich erst in zehn Jahren auf zu weinen. 

Amun beantwortete meine ungestellte Frage in dem er sagte: "Sie werden nicht wissen, dass die Infos von einem Werwolf sind, dann wird man sich dem widmen."

Vermutlich würde danach das vollkommene Chaos ausbrechen. Keine Ahnung, wie die Jäger all das lösen wollten. Dann fehlte ausgerechnet ich und würde auch nie wieder zurückkehren. Das war ein weiterer Grund zu weinen oder der Vergangenheit nachzutrauern.   

Meine Arme um Amun drückte ich fester zu, was für ihn scheinbar kein Problem war. Zumindest reichte er keine Beschwerde ein, weshalb ich das im Stillen dankend annahm.

Diese Situation war derart absurd. Ausgerechnet der König der Bestien versuchte mir Halt zu geben und hielt mich in seinen Armen. Dann wollte er für Gerechtigkeit sorgen, obwohl es ihm eigentlich egal sein könnte, immerhin handelte es sich um die Jäger.

Amun holte mich aus meinen Gedanken in dem er sagte: "Davina, wenn du mich lässt, dann bin ich immer für dich da. Du kannst dich auf mich verlassen und ich passe auf dich auf. Wenn du es zulässt, ist das ein Versprechen für die Ewigkeit."

Wenn ich in einem anderen Gefühlszustand wäre, würde ich ihn für diese Aussage umbringen, denn sie waren viel zu nett.

Aber für den Moment genoss ich seine Nähe und eventuell brauchte ich sie, weshalb ich es zuließ und tief in mir dankbar war.

The Werewolf King & The Huntress | ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt