10. Saphira!!

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Am nächsten Morgen wollten die beiden Reiter und der weiße Drache früh aufbrechen. Besonders Eragon der in dem hellen Tageslicht erkannt hatte, dass sie den Varden schon sehr nahe waren drängte sich zu beeilen, da er seine Drachendame vermisste. Sereth jedoch ließ sich nicht zur Eile bewegen. Zwar stand er zur selben Zeit auf wie die beiden Reiter, doch bestand er darauf, sich erst auf die Jagd zu begeben, bevor sie weiterflogen. Einen Moment sah Eragon dem weißen Drachen, der über den Fluss gesprungen war um in dem kleinen Wäldchen am anderen Ufer zu jagen, entgeistert nach. Doch als Sereth am anderen Ufer landete, geschah etwas, das ihn von seiner Ungeduld ablenkte. Plötzlich begann sich ein flirrender Schleier auf der Haut des weißen Riesen zu bilden. Argwöhnisch begutachtete Eragon die Erscheinung, die sich an den Ringen an den Hörnern des weißen Riesen bildete, ehe sie sich in sanften Schüben, über den ganzen Körper legte und ihn kurz in so grellem Licht glänzen ließ, dass der Schattentöter den Blick abwenden musste. Nach einer Weile ließ das helle Licht nach und er richtete seinen Blick wieder auf den Drachen, oder eher auf die Stelle an der der weiße Drache sich befunden hatte. Lediglich die Klauenabdrücke am Boden zeugten noch einen Moment lang von der Anwesenheit des weißen Riesen, bevor mit einem Mal ein Rauschen durch die Luft ging und Eragon ein Windstoß traf. Er drehte sich zu Karis um der dem Abflug seines Drachen kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte und gerade damit beschäftigt war das Lagerfeuer vom vorigen Abend mit Erde zu bedecken um die Spuren ihrer Anwesenheit zu verbergen. „Wie hat er das gerade gemacht?", fragte Eragon den älteren Reiter. Überrascht blickte der Schattenläufer ihn an und antwortete in einem gespielt ernstem Tonfall: „Er hat mit den Flügeln geschlagen und sich dann in die Luft erhoben. Du als Drachenreiter solltest das eigentlich wissen." Auch wenn seine Stimme bei diesen Worten ernst geblieben war verriet sein Gesichtsausdruck, doch dass er genau wusste worauf sich die Frage des anderen Reiters wirklich bezogen hatte. Eragon musste lachen. „Das habe ich eigentlich nicht gemeint." Auch Karis gab jetzt seine ernste Miene auf und lächelte. „Schon gut, schon gut. Das hängt an den Ringen an Sereths Hörnern. Auf den vier äußeren liegen Zauber die er aktivieren kann, indem er seine eigene Lebenskraft in die Edelsteine mit denen die silbernen Ringe verziert sind überträgt." Karis wollte noch mehr erklären, als plötzlich die Luft über den beiden Reitern in Aufruhr geriet. Im ersten Moment dachte Karis, dass Sereth schon zurück sei und wunderte sich, denn für gewöhnlich pflegte sein Seelengefährte sich für die Jagd Zeit zu lassen. Doch nachdem er den Blick angehoben hatte, in Erwartung nichts zu sehen, da Sereth immer noch durch einen Zauber verborgen war, musste er überrascht schlucken. Am Himmel über ihrem Lager schwebte eine elegante saphirblaue Drachendame, deren Augen in den Farben eines klaren Sees zu leuchten schienen. Während Eragon, der neben ihm stand die Arme zum Himmel hob und gleichzeitig laut mit seinem Geist und seiner Stimme den Namen seiner Seelengefährtin rief, trat Karis unwillkürlich ein paar Schritte von ihm zurück. „Saphira!", erfüllte der Ruf des Schattentöters die Lichtung. Und die Antwort der Drachendame ließ nicht auf sich warten. Ohne Karis zu beachten öffnete die blau schimmernde Drachendame ihren Geist und überflutete ihren Reiter mit Zuneigung und Freude über das Wiedersehen, während sie zur Landung ansetzte. Der Schattenläufer musste schmunzeln, während er beobachtete wie Eragon die Drachendame an einer Stelle an ihrem Kinn kraulte. Er kannte die Freude die sich in einem breit machte, wenn man die andere Hälfte seiner Seele wiedertraf, nachdem man eine über eine längere Zeit getrennt war. Daher beschloss er die beiden ein wenig allein zu lassen und entfernte sich ein paar Schritte von dem Lagerplatz und ging ans Flussufer, wo er sich damit beschäftigte seinen Geist umherwandern zu lassen und die Umgebung zu erkunden. Anfangs suchte er nach elfischer Art nach den Anzeichen für Leben, die in einem so lebendigen Wald beinahe überall zu finden waren, bis er schließlich noch tiefer in seine Umgebung eindrang. Sein Geist tauchte in den Fluss der zu seinen Füßen vorbeiströmte. Er spürte das rauschende, fließende Lied des Wassers als wäre es ein Teil seines Körpers. Die kleinen Strudel, die sich nahe dem Flussbett über einigen Steinen bildeten, die Kiesel und kleinen Äste die das Wasser mit sich führte. Er war gerade dabei die unzähligen Tiere und Kleinstlebewesen die in diesem Fluss lebten mit seinen Gedanken zu erfassen, als ihn ein lautes Knurren ihn aus seiner Konzentration riss. Karis öffnete die Augen, die er während er seinen Geist hatte wandern unwillkürlich geschlossen hatte und blickte zu Eragon und Saphira die sich am Lagerplatz gegenüberstanden. War die Drachendame am Anfang noch nur überglücklich gewesen, weil sie ihren Reiter wieder hatte, hatte sich das inzwischen geändert. Aus den qualmenden Nasenlöchern und den angespannten Muskeln der Drachendame schloss Karis, dass ihr Reiter ihr gerade die Einzelheiten seiner Erlebnisse auf dem Helgrind übermittelte. Die Erzählung schien Saphira nicht zu gefallen. Mit jedem neuen Detail schien der Zorn der Drachendame zuzunehmen, bis sie ihren Reiter schließlich anfuhr: „Du hast wirklich ein Talent dafür in Schwierigkeiten zu geraten, was?" Bei dieser Bemerkung musste Karis der ihr Gespräch durch eine schwache Berührung ihrer Geister verfolgt hatte, unwillkürlich lachen. Nachdem er vor ein paar Jahren bei einem Streifzug durch den Buckel einer Horde Kull begegnet war, von denen ihn einer zum waffenlosen Zweikampf herausgefordert hatte, hatte ihm sein Seelengefährte genau das gleiche gesagt. Die Tatsache, dass er den Zweikampf, wenn auch mit ein paar gebrochenen Rippen gewonnen hatte, hatte Sereth nicht wirklich milder gestimmt. Der weiße Riese hatte ihn einen halben Tag mit seiner Klaue am Boden festgehalten und ihn erst wieder aufstehen lassen, als er sich auf die Jagd begeben musste. Die saphirblaue Drachendame schnaubte überrascht, als sie Karis Geist bemerkte. Die meisten Zweibeiner, von den Spitzohren einmal abgesehen, erstarrten für gewöhnlich vor Ehrfurcht in ihrer Gegenwart und noch nie hatte einer der runde-Ohren-zwei-Beine es gewagt ein Gespräch zwischen ihr und ihrem Reiter zu belauschen. Aufgebracht wandte sie ihren Kopf zu Karis, der sie und Eragon immer noch mit einem Lächeln musterte. „Wer bist du?", fauchte Saphira wütend, während kleine Rauchfahnen bei dieser Unverschämtheit aus ihren Nasenlöchern emporstiegen. Doch noch bevor Karis, der vom Zorn der Drachendame völlig unbeeindruckt war, ihr antworten konnte, schallte auf einmal die Stimme eines weiteren Drachen über die Lichtung. Karis spürte einen starken Luftzug als Sereth hinter ihm landete, aber sein Seelengefährte hielt den Tarnzauber aufrecht, bis er direkt hinter seinem Reiter auf dem Boden aufkam. Saphira hatte bei dem überraschenden Klang einer fremden Drachenstimme argwöhnisch mit zusammengekniffenen Augen die Umgebung abgesucht. Doch sie konnte keinen Artgenossen erkennen. Gerade als sie ihren Blick wieder auf den Zweibeiner vor ihr richtete, der immer noch furchtlos zu ihr aufblickte, fielen ihr die leicht flimmernde Luft auf die hinter ihm in der Luft hing und die vier Klauenabdrücke auf, die sich wie aus dem Nichts hinter ihm in die Erde gegraben hatten. Atemlos beobachtet sie wie die flirrende Luft sich langsam bewegt, wie sich Stück für Stück verzog und weiße Schuppen entblößte, bis ein großer Drache vor ihr stand. Im ersten Moment war Saphira völlig von dem Anblick des größeren weißen Drachen gefangen, der sie neugierig musterte, bevor sie langsam den Kopf nach vorne schob und den Geruch des unbekannten Artgenossen einzog. Auch Sereth kostete die Luft die ihm aus Richtung der himmeläugigen Drachendame entgegenkam. Gleichzeitig nahmen Eragon und Karis die Freude und die Neugier war die von ihren Seelengefährten in diesem Moment ausging. Etwas wehmütig lächelte Karis zu seinem Drachen, der immer noch ganz mit der Musterung der Drachendame beschäftigt war. Er freute sich zwar für seinen Freund, dennoch erinnerte dieser Anblick ihn unwillkürlich an Sereths Kindheit. Wie Saphira war auch Karis Seelengefährte ohne Kontakt zu seinen Artgenossen aufgewachsen. Und wie sie war auch er dazu gezwungen gewesen gegen andere Vertreter seiner eigenen Art zu kämpfen und das waren nicht nur die geistesschwachen Drachen der Abtrünnigen gewesen. Bei diesen Gedanken freute es Karis umso mehr, dass die beiden Drachen sich offenbar auf Anhieb sympathisch zu finden schienen. Er spürte förmlich wie einige der dunklen Wunden die ihre Vergangenheit bei ihm hinterlassen hatte, in seinem Seelengefährten zu heilen begannen. Während die beiden Drachen sich auf diese Weise kennenlernten, trat Eragon, der bis jetzt einige Schritte hinter Saphira gestanden hatte, nach vorn bis er direkt neben ihrem Kopf stand. Etwas unwillig löste die blau schimmernde Drachendame den Blick von ihrem Artgenossen und wandte sich ihrem Reiter zu. Auch Sereth drehte sich zu Karis um und tastete nach seinem Geist. Im ersten Moment nahm Karis lediglich die übersprudelnden Freude war die in diesem Moment seinen Freund durchflutete, bevor der Drache das Wort an ihn richtete: „Sie sieht wirklich sehr schön aus, findest du nicht?" Bei diese Frage in der offensichtliche Begeisterung mitschwang, musste Karis schmunzeln. „Ja, sie ist eine sehr hübsche und anmutige Drachendame. Aber ich habe sie dir doch nach der Schlacht um Farthen Dur schon in meiner Erinnerung gezeigt. Damals hast du das nicht gesagt." „Na ja, damals habe ich sie nur durch deine Augen gesehen. Und die Sehfähigkeit von euch Zweibeinern
ist einfach sehr unzureichend.", erwiderte Sereth. „Heh!", rief Karis und schlug seinem Drachen in gespielter Empörung gegen sein Vorderbein, woraufhin ihn Sereth unschuldig angrinste. In stiller Eintracht blickten die beiden wieder zu dem anderen Drache-Reiter Gespann, das inzwischen wieder in einer Unterhaltung vertieft war. Aus den verschieden Gefühlen, die Karis von Saphira empfing, auch wenn er sich diesmal soweit am Rand ihres Bewusstseins aufhielt, dass sie ihn nicht bemerkte, entnahm er, dass ihr Reiter ihr jetzt die restliche Geschichte erzählte, bei der Karis sie unbeabsichtigt unterbrochen hatte. Als der Schattentöter nach einiger Zeit seine Erzählungen beendet hatte, hatten sich Karis und Sereth inzwischen auf den Abflug vorbereitet. Der Sattel aus schwarzem Leder den Karis seinem Drachen am Vorabend noch abgenommen hatte, saß inzwischen wieder richtig auf dem Rücken des weißen Drachen und auch die gleichfarbigen Satteltaschen waren wieder an Ort und Stelle. Karis wollte sich gerade am Vorderbein seines Drachen hochziehen und im Sattel platznehmen, als die saphirblaue Drachendame ihn ansprach: „Ich danke euch, dass ihr meinen Reiter gerettet habt." „Dafür musst du dich nicht bedanken, Schimmerschuppe. Das war selbstverständlich.", antwortete Karis. „Außerdem", fügte Sereth hinzu: „waren wir sowieso auf dem Weg zum Helgrind. Weil wir Ecros dort vermuteten." „Warum habt ihr diesen Schatten denn gesucht?", erkundigte sich Saphira überrascht. Normalerweise mieden alle Zweibeiner diese Ungetüme und wie sie bei ihrer Ausbildung in Ellesmera gelernt hatte, hatten selbst die alten Reiter nur ungern allein gegen diese Scheusale gekämpft. „Wir haben mit Eros noch eine Rechnung offen.", antwortete Karis bitter, doch sein Tonfall machte es deutlich, dass er zu diesem Thema keine Fragen mehr beantworten würde. Deshalb wechselte Eragon schnell das Thema. „Wieso bist du eigentlich hier Saphira? Ich dachte du würdest bei den Varden bleiben, nachdem du Roran und Katrina dorthin gebracht hast?" „Das hatte ich ursprünglich auch vor, aber dann habe ich letzte Nacht die Gegenwart deines Geistes gespürt. Es war nicht sonderlich stark, aber doch nah genug um mir eine gewisse Richtung anzugeben. Daher wollte ich dich abholen." Eragon war verwirrt. „Das verstehe ich nicht. Ich freue mich zwar, dass du hier bist, aber ich habe dich nicht gerufen. Ich wüsste auch gar nicht wie ich dich auf diese Entfernung erreichten sollte." Die blaue Drachendame war ebenso verwirrt wie ihr Reiter, aber bevor einer von ihnen noch etwas sagen konnte, räusperte sich Karis leise. Überrascht blickten die beiden ihn an. „Ich denke, ich kann erklären, was du vernommen hast Saphira.", begann Karis zu erklären, während er sich an einem von Sereths Hörnern hochzog um sich in den Sattel zu setzten. „Und was?", erwiderte Eragon der inzwischen auch in dem Sattel den Saphira klugerweise mitgebracht hatte, Platz genommen hatte. „Ganz einfach. Wenn wir schlafen, ist unser Geist normalerweise ungeschützt. Das ist für gewöhnlich auch nicht schlimm, im Schlaf sind unsere Gedanken ungeordnet. Es ist fast unmöglich daraus Informationen zu gewinnen und selbst die geübtesten Gedankenleser verirren sich für gewöhnlich in so chaotischen Träumen, dass sie kaum Schaden anrichten können. Aber bei Reitern die von ihren Drachen getrennt sind ist das etwas anders. Der Schmerz darüber die andere Hälfte seiner Seele zu vermissen, ist allgegenwärtig und auch wenn sich im wachen Zustand die meisten noch recht gut im Griff haben, wenn sie schlafen, ist das etwas anderes. Dann fängt irgendwann selbst das disziplinierteste Bewusstsein an unbewusst nach seinem Seelengefährten zu suchen. Und das Unterbewusstsein ist sehr viel stärker als der wache Geist. Daher konnte dich Eragon vermutlich über diese Entfernung bei den Varden erreichen." Interessiert hatten die Drachendame und ihr Reiter Karis Ausführungen gelauscht, doch noch ehe einer von ihnen eine weitere Frage zu diesem Thema stellen konnte, spannte Sereth mit einem Mal die Schwingen an und stieß sich mit einem Brüllen vom Boden ab. Er kreiste einmal über ihrem zeitweiligen Lager, bis sich auch Saphira in die Luft geschwungen hatte. Einen Moment bewunderte er den Glanz den die Sonne auf dem blauen Schuppenkleid der Drachendame warf, bevor er die Führung überließ, da sie wusste wo die Varden zurzeit ihren Lagerplatz hatten. Auch seinem Reiter waren die Blicke mit denen der weiße Drache seine Artgenossin bedacht hatte nicht entgangen, denn er spürte von ihm eine leichte Amüsiertheit, ehe er den Kopf hob und der vor ihnen fliegenden Drachendame zurief: „Wie lange werden wir bis zu den Varden brauchen?" „Nicht sehr lange.", antwortete Saphira. „Ich habe ungefähr einen halben Tagesflug gebraucht." Mit diesen Worten schlug die blaue Drachendame noch einmal kräftig mit den Flügeln und flog in Richtung des Flussverlaufs weiter, während Karis und Sereth ihr folgten.

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt