52. Warmes Gefühl und aufkommendes Problem

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Angespannte Stille herrschte im Zelt der Elfenkönigin. Gerade hatte die junge Elfe Brionna die Nachricht überbracht, dass sich die beiden Drachenreiter, die sich bei den Elfen aufgehalten hatten, ohne größere Rücksprache auf den Weg gemacht hatten. Jetzt stand sie schweigend in den hinteren Reihen der Elfen und beobachtete wie sich die Angelegenheit weiter entwickeln würde. Die meisten Mitglieder des Kronenrates hatten verständnisvoll reagiert und auch die junge Elfe fand Karis Handlungen durchaus gerechtfertigt. Aber drei der Anwesenden sahen die Angelegenheit anders. „Das ist eine bodenlose Unverschämtheit.", peitschte die aufgebrachte Stimme Fürst Erinthals durch das Zelt. „Dieser Reiter hat es nicht einmal für nötig befunden uns persönlich von seiner Abreise in Kenntnis zu setzen. Stattdessen überlässt er es einer jungen Elfe uns über seinen Abschied zu informieren. Das zeigt nur erneut, wie wenig Respekt er vor unserem Volk hat." Mit vor Wut blitzenden Augen blickte er in dem Zelt umher.
Brionna verstand die Wut des Fürsten nicht. Sicher, Karis hätte sich verabschieden können, aber in Anbetracht der Umstände war es doch durchaus nachvollziehbar, dass der Drachenreiter ohne Umschweife aufgebrochen war. Kurz durchströmte sie ein warmes Gefühl, als sie an den nebelhaarigen Reiter zurückdachte. Der trauernde Weise schien das genauso zu sehen, denn er erwiderte auf den wütenden Ausruf: „Ich verstehe euren Zorn, Erinthal, aber wenn man bedenkt was geschehen ist, ist es nur zu verständlich, wie der Schattenläufer reagiert hat."
Allgemeine Zustimmung machte sich in dem kleinen Zelt breit. Lediglich der aufgebrachte Elfenfürst und zwei weitere Adlige schienen immer noch erregt zu sein. Bei ihnen handelte es sich um die Elfenfürstin Dallanis und zu Brionnas Missmut um ihren eigenen Vater, Lord Sepharien. Doch noch bevor einer von ihnen etwas anmerken konnte wurden sie unterbrochen, als der Spiegel, der an der hinteren Seite des Zeltes stand, in einem schwach silbrigen Licht zu glänzen begann. Dabei handelte es sich um eine magische Vorkehrung, die anzeigte, wenn jemand ein Gespräch mit der Herrscherin der Elfen wünschte. Solange die Königin diesem Gespräch nicht mittels eines Befehls in der alten Sprache zustimmte, sah und hörte der andere Gesprächspartner nichts.
Diese Schutzmaßnahme hatten die Elfen getroffen um zu vermeiden, dass jemand der mit der Königin in Kontakt treten wollte, nicht unbeabsichtigt oder böswillig, in ihre Privatsphäre eindrang. Mit einer eleganten Bewegung trat die Königin an den Spiegel. Kurz musterte sie die mattsilbern glänzende Oberfläche und Brionna schien es beinahe so, als ob sie erforschen wollte, wer sie da kontaktierte und tatsächlich, nachdem Islanzadi den Spiegel eine kurze Zeit gemustert hatte, meinte sie: „Wir werden diese Unterhaltung wohl vertagen müssen. Nasuada wünscht mit mir zu sprechen. Vermutlich möchte sie wissen, wie der Drachenreiter auf die Botschaft reagiert hat, das die beiden neuen Dracheneier gestohlen wurden." Mit diesen Worten beendete die Herrscherin die Auseinandersetzung und wandte sich vollständig dem Spiegel zu, der auf einen leisen Befehl in der alten Sprache hin aufklarte.
Der matte silberne Glanz verschwand und stattdessen konnte man das Bild eines weinroten Kommandozeltes erkennen, indem sich verschiedene Persönlichkeiten aufhielten. Bei den meisten von ihnen handelte es sich um Menschen, wobei besonders eine junge dunkelhäutige Frau in einem weinroten Kleid auffiel. Sie besaß eine natürliche Ausstrahlung von Autorität und Güte, die Brionna sofort ins Auge fiel. Das musste die Anführerin der Varden sein, Nasuada. Neben ihr saß ein etwas älterer Mann. Sein Haupt zierte eine edel geschmückte Krone und seine Züge offenbarten Intelligenz und Sympathie, doch das Elfenmädchen kam nicht umhin auch ein gewisses gieriges Funkeln zu bemerken, dass in seinen Augen stand.
Kurz fragte sie sich ob sie dieses Glitzern nur bemerkte, weil Karis ihr von dem Monarch erzählt hatte, aber sie verwarf den Gedanken gleich wieder. Soweit kam es noch, dass sie sich von jemandem sagen ließ, wie sie jemanden beurteilte. Wenn sie an jemandem eine Charakterschwäche entdeckte, dann war das weil diese Person über diese Schwäche verfügte und nicht, weil ihr jemand eingeredet hatte, dass dem so war.
Während die Herrscherin der Elfen, den Anführern der Varden und Surdas die Sachlage erklärte, ließ Brionna ihren Blick über den Rest des Zeltes jenseits des Spiegels schweifen. Dabei fielen ihr auch die Gestalt des Schattentöters auf, der in einiger Entfernung von seiner Lehnsherrin stand und stumm ihre Unterhaltung beobachtete. Seine Züge waren von dabei von Sorge geprägt und aufgrund seines leicht abwesenden Gesichtsausdrucks schloss Brionna, dass er sich gerade mit seiner Seelengefährtin unterhielt. Doch als die Elfenkönigin ihren Verbündeten mitteilte, dass der Schattenläufer sich zusammen mit seinem Drachen dem befreiten Bruder des Drachenreiters der Varden auf die Suche nach den Dracheneiern gemacht hatte, erwachte ein interessiertes Funkeln seinen Augen.
„Dann befinden sich Karis und Murtagh inzwischen nicht mehr bei euch?", wollte Nasuada sicher gehen, nachdem Islanzadi ihre Ausführungen beendet hatte. „Nein", verneinte die Herrscherin des schönen Volkes, „kaum, dass Brionna - Finiarel ihnen die Nachricht vom Verlust der Dracheneier überbracht hat, sind sie aufgebrochen um die Verantwortlichen dafür zu suchen." „Was für eine Torheit", meinte König Orrin daraufhin verächtlich. „Haben die beiden überhaupt eine Ahnung, wo sie nach den Eiern suchen wollen? In ihrer blinden Wut gefährden sie die Sache, der wir alle unser Leben verschrieben haben." „Auch wenn mir König Orrins Tonfall missfällt, muss ich dem Herrscher Surdas bis zu einem gewissen Grad Recht geben. Ihre Entscheidung sich allein auf die Suche zu machen, ohne Anhaltspunkt oder die Möglichkeit die Eier zu finden, war bestenfalls eine törichte Idee.", bekräftigte Fürst Erinthal.
„Mag sein.", meldete sich zum ersten Mal Saphiras Reiter zu Wort. Der Schattentöter trat einige Schritte näher, bis er direkt neben den Anführern der Varden stand, ehe er fortfuhr. „Aber in Anbetracht der Umstände, finde ich ihre Handlung durchaus nachvollziehbar. Vergesst nicht, wie erregt Saphira war, nachdem sie wieder bei Bewusstsein war. Sie war auch sehr schwer zu bremsen, als sie bemerkte, dass ihre Eier fehlten." Nasuada nickte. „Hätten ich, Arya und Eragon ihr nicht die Aussichtslosigkeit eines sofortigen Aufbruchs, zu einer Suche nach den Dracheneiern klar gemacht, wäre sie vermutlich ebenfalls losgeflogen um die Verantwortlichen zur Strecke zu bringen."
„Wenn ihr mir die Frage gestattet, wie ist es euch eigentlich gelungen, sie davon abzubringen, sie zu suchen?", wollte Oromis wissen. „Ich kannte früher viele Drachenmütter, die gerade ihre Eier gelegt haben und die wenigsten von ihnen waren in der Zeit nach ihrer Eiablage sonderlich zugänglich für Argumente." Der Blick der Anführerin der Varden huschte zu dem alten Reiter der die Frage gestellt hatte. Brionna konnte erkennen, wie sich kurz Verwirrung, ob der Kleidung des alten Elfen, in das Gesicht der jungen Frau schlich. Die Garderobe des letzten des alten Ordens war im Gegensatz zu den Mitgliedern des Kronenrates, schlicht und funktionell gehalten und die junge Elfe nahm an, dass die Herrin der Varden sich fragte, wer der Elf war.
Doch als ihr Blick auf das bronzene Schwert fiel, dass der Reiter an seiner Hüfte trug, machte sich Erkenntnis in ihrem Gesicht breit. „Ich nehme an, ihr seid der Lehrer von Eragon und Saphira. Oromis, nicht wahr?", erkundigte die Anführerin der Varden. Und obwohl sie sich kaum etwas anmerken ließ, konnte Brionna und vermutlich auch die anderen Elfen, doch eine geringe Spur von Aufregung in ihrer Stimme erkennen. Das war nur zu verständlich. Immerhin sprach sie hier mit dem letzten des alten Ordens. Brionna erinnerte sich noch gut daran, wie nervös sie gewesen war, als sie den trauernden Weisen das erste Mal kennengelernt hatte.
„Das ist korrekt, Nasuada.", antwortete der alte Elf, mit freundlicher Stimme. „Ich und mein Seelengefährte Glaedr waren für die Ausbildung der beiden in Ellesmera zuständig." „Es ist mir eine Ehre.", meinte die Anführerin der Varden mit fester Stimme, woraufhin der alte Elf höflich den Kopf neigte. „Die Ehre ist meinerseits. Was ihr durch den Aufmarsch der Varden im Imperium in euren jungen Jahren erreicht habt, ist beeindruckend. Aber dennoch würde ich euch bitten, meine Frage zu beantworten."
Zu Brionnas Überraschung war es jedoch nicht Nasuada die antwortete, sondern der Schattentöter, der erwiderte: „Es war nicht einfach. Zum Glück hatte ich mich ja im Vorraus schon bei euch über das Verhalten von Drachenmüttern während der Schwangerschaft erkundigt. Daher wusste ich wie erregt Saphira sein würde, wenn sie von dem Verlust ihrer Eier erfährt. Daher habe ich Bloedhgarm-Elda und die anderen Elfen gebeten, mir zu helfen sie festzuhalten, bis die erste Woge ihrer Wut verraucht ist. Danach haben Arya-Dröttningu und ich ihr erklärt, dass es nahezu unmöglich sein wird die Eier so ohne weiteres zu finden und Nasuada hat hinzugefügt, dass die Varden, wenn wir aufbrechen würden um sie zu suchen recht schutzlos sein werden. Sollte Galbatorix unsere Abwesenheit nutzen um die Varden anzugreifen, würde das unsere Chance die Eier zu befreien deutlich schmälern. Dadurch ließ sie sich schließlich überzeugen, hier bei den Varden zu bleiben, aber nur unter der Bedingung, dass wir ihren Nistpartner und seinen Reiter über die Umstände informieren."
„Ich nehme an, sie hat geahnt, wie Sereth auf diese Nachricht reagieren würde.", schloss Islanzadi, als der Schattentöter geendet hatte.
„Davon ist auszugehen.", stimmte Oromis der Königin zu und auch Eragon nickte. „Wenn eine Drachendame sich einen Nistpartner erwählt, prüft sie ihn zunächst ausführlich, bevor sie einer Paarung zustimmt.", erläuterte der alte Drachenreiter für die menschlichen Teilnehmer der Unterhaltung, die im Gegensatz zu den Elfen nicht so gut über das Balzverhalten von Drachen informiert waren.
„Und dazu gehören auch Einblicke in den Verstand des männlichen Artgenossen. Dadurch verschaffen sie sich einen tiefen Einblick davon, ob dieser Drache überhaupt zu ihnen passt. Vermutlich kennt Saphira Sereth damit besser, als jeder einzelne von uns und fast so gut, wie sein eigener Reiter."
„So faszinierend, diese Unterhaltung über das Paarungsverhalten der Drachen auch ist, sollten wir uns wieder dem Verschwinden des Schattenläufers zuwenden.", lenkte König Orrin das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema. „Er ist ohne ein Wort des Abschieds einfach aufgebrochen um nach den Eiern zu suchen. Ungeachtet der Tatsache, dass er damit die vereinten Streitkräfte, die gegen Galbatorix stehen im Stich lässt. Ganz zu schweigen von Galbatorix Sklaven den er mit sich genommen hat, obwohl er sich hier für seine Taten verantworten sollte, anstatt frei in Alagaesia herumzustreunen."
Zorn blitzte in Brionna auf, als sie den König Surdas so herablassend über Karis sprechen hörte, aber mit der ihrem Volk eigenen Disziplin kämpfte sie die plötzlich aufwallende Wut nieder. Doch ein zorniges Pochen hinter ihrer Stirn blieb, als der König weitersprach: „ Immerhin können wir uns nicht einmal sicher sein, dass er wirklich auf unserer Seite steht. Ich meine wir haben keine Ahnung, was er die letzten 100 Jahre gemacht hat. Alles was wir wissen ist, dass er offenbar zur Zeit des alten Ordens erwählt ist, aber er will uns nicht verraten, was ihm seitdem widerfahren ist."
Das wütende Pochen in den Schläfen der jungen Elfe steigerte sich zu einem dumpfen Kreischen, als der König seine kaum verhohlenen Anschuldigungen vorbrachte, doch noch bevor sie ihm eine passende Antwort geben konnte, bemerkte sie überrascht, dass die Stimmung im Zelt der Elfenkönigin etwas gekippt war.
Es war nichts Auffälliges. Lediglich ein leiser Hauch Unwohlsein, der den Raum durchströmte. Zu subtil, als das ihn ein menschliches Bewusstsein wahrgenommen hätte, aber der jungen Elfe fiel auf, dass der Großteil der Mitglieder des Kronenrates, ebenso wie die Elfenkönigin und Oromis leicht bedrückt wirkten, seit das Thema auf Karis Vergangenheit gefallen war. Und als sie ihren Blick auf den Spiegel richtete, bemerkte sie, dass die Haltung des Schattentöters jenseits der Traumsicht die seines Lehrmeisters spiegelte. Auch er wirkte etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Wohingegen die Drei, die dem Schattenläufer von Anfang an feindselig gegenübergestanden hatten ein aufgebrachtes Blitzen in den Augen trugen.
Ihr Vater Sepharien ging sogar so weit, mit der rechten Hand den Griff seines Schwertes zu umklammern. Zwar wirkte die Bewegung, dank seiner ihm eigenen Disziplin recht beiläufig, doch Brionna kannte ihren Vater gut genug um den Zorn zu erkennen, der in seiner angespannten Faust schlummerte, mit der er den Griff umfasste.
„Ich denke dieses Thema ist für ins zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich von Bedeutung.", riss die strenge Stimme der Elfenkönigin, Brionna aus der Betrachtung ihres Vaters. Die Herrscherin der Elfen hatte sich wieder etwas gefasst und ihre Stimme klang wie immer streng und selbstbewusst. „Der Schattenläufer ist aufgebrochen um die Eier seines Seelengefährten zu suchen und auch wenn ich ebenso wenig mit seiner Entscheidung einverstanden bin wie ihr König Orrin, gibt es im Moment nicht viel was wir dagegen tun könnten. Immerhin untersteht er weder mir, noch euch.", rief die Herrscherin des schönen Volkes ihm in Erinnerung.
Orrin verzog das Gesicht, als Nasuada und der Schattentöter, Islanzadi zustimmten. „Und was Murtagh angeht", fügte Eragon noch hinzu, „so stand er zu keinem Zeitpunkt auf Galbatorix Seite. Er wurde dazu gezwungen dem König zu dienen. Ihn dafür zu bestrafen, dass er gegen seinen Willen unser Feind war, wäre absolut ungerechtfertigt." Ein höhnisches Lächeln flackerte über Orrins Züge. Bitterer Sarkasmus tropfte von seiner Stimme, als er antwortete.
„Dann erklärt ihr das am besten eurem Stiefbruder, Schattentöter. Ich bin sicher König Orik wird von dieser Neuigkeit begeistert sein." Mit einem gehässigen Seitenblick zu Eragon, fragte er Nasuada: „Wann werden unsere geschätzten Verbündeten hier eintreffen?" „In wenigen Tagen.", antwortete diese neutral. Woraufhin sich der Herrscher Surdas zufrieden zurücklehnte. „Dann sollten wir sie bei ihrer Ankunft über die Tatsache informieren, dass Karis Schattenläufer den Sohn Morzans gefangengenommen hat und gerade mit ihm frei und ungebunden durch Alagaesia fliegt." Pure Schadenfreude spiegelte sich in seinen Augen, als er endete. Doch nicht nur in seinen. Mit Unbehagen stellte die junge Elfe fest, dass auch ihr Vater und seine beiden Verbündeten an der Idee Gefallen zu finden schienen, dass Probleme auf den Schattenläufer zukamen. Mit wachsender Unruhe lauschte sie dem Gespräch, das sich entwickelt hatte und bei dem es darum ging, ob man den Schattenläufer kontaktieren sollte und wie man ihn dazu bewegen könne zu den Varden zurückzukehren. Doch wirklich zuhören tat sie nicht. Stattdessen drehten sich ihre Gedanken um den Reiter der sich im Moment auf der Suche nach den Dracheneiern befand.
Mit ganzem Herzen hoffte sie, dass er schnell fündig würde und dann entweder zu den Varden oder wieder zu den Elfen flog. Das schien ihr der einzige Weg, wie ihr Freund ohne Unannehmlichkeiten aus der Sache herauskam. Kurz überflog sie ein warmer Schauer, als sie die Worte „mein Freund" dachte, aber schnell rief sie sich zur Ordnung. Immerhin wusste sie nicht, ob diese Worte auf ihn überhaupt zutrafen. Es stimmte zwar, dass sie eine gewisse Zuneigung zu dem Reiter des weißen Drachen verspürte, aber wie der Herrscher Surdas richtig bemerkt hatte, wusste sie praktisch nichts über sein früheres Leben.Doch danach fragen konnte sie nicht.
Zwar hatte Karis ihr in den letzten Monaten einiges über sein langes Leben im Kampf gegen die Abtrünnigen und auch den Schatten Ecros erzählt, aber wie es zu seiner Feindschaft mit dem Schatten oder zu seinem ungewöhnlichen Äußeren gekommen war, dazu hatte er sich nicht geäußert. Als sie ihn danach gefragt hatte, hatte er zu ihrer Überraschung geantwortet, dass er auf Bitten der Elfenkönigin nicht über diesen Teil seines Lebens sprechen dürfe. Und als die junge Elfe einige Zeit später ihren Vater danach gefragt hatte, hatte sie von ihm nur die Antwort erhalten, sie solle nicht in den Wunden der Vergangenheit bohren. Daraus schloss sie, dass ein dunkles Geheimnis den Reiter des weißen Drachen umgab.
Eines, in das die Mitglieder des Kronenrates, aber nicht das ganze Volk der Elfen eingeweiht waren. Doch die junge Elfe nahm sich fest vor, dieses Geheimnis in Erfahrung zu bringen. Kurz schwankte ihre Entschlossenheit, bei dem Gedanken wie ungeheuerlich diese Erkenntnis sein musste, wenn die Ältesten der Elfen darauf bestanden sie selbst vor ihrem eigenen Volk geheim zu halten, aber sie schob dieses Gefühl schnell beiseite. Auch wenn die Mitglieder des Kronenrates der Meinung waren, dass es besser wäre diese Information vor ihrem Volk zu verbergen, so war sich Brionna doch sicher, dass sie in diesem Fall das Recht hatte nachzuforschen.
Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Karis ihr Gefährte wurde.
Ein seltsames Flattern, strömte bei dem Wort „Gefährte" durch ihren Bauch und kurz musste sie noch einmal an die Umarmung denken, die der Schattenläufer ihr zum Abschied gegeben hatte. Sie hatte sich selten so wohl gefühlt wie in diesem Augenblick. Eine seltsame Wärme und Geborgenheit schien aus dem sanften und zugleich kräftigen Körper des Schattenläufers in ihren geflossen zu sein, als der sonst so zurückhaltende Reiter sie in seine Arme gezogen hatte. Ein Erlebnis, das sie in ihrem Entschluss nur bestärkte. Wenn es eine Dunkelheit in der Vergangenheit des Drachenreiters gab, dann würde sie diese ans Licht zerren und was auch immer danach kommen würde, würde sie mit ihm zusammen durchstehen.

Der Weiße SchattenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt